Will Caster (Johnny Depp) wird von seiner Frau Evelyn (Rebecca Hall) auf eine schwere Operation vorbereitet.
Transcendence ist ein durchaus ernst gemeinter Blick auf die stetig steigende Digitalisierung unserer Welt bis hin zu dem Wunsch, gottgleich eine künstliche Intelligenz zu erschaffen, die dem Menschen ebenbürtig ist. Eine Intelligenz, die Emotionen empfinden und Entscheidungen eigenmächtig treffen kann. Dann aber wird diese Gottkreation, Johnny Depp als im digitalen Raum schwebender Kopf, wie einst Max Headroom in den Fernseh-80er Jahren, so gefährlich für die Menschheit, die sich ihrer Imperfektion gegenüber sieht, dass die Lösung des Problems die Vernichtung des Internets darstellen soll. Die Idee entspringt einem Witz aus unserer Realität: „Du hast das Internet kaputt gemacht“ wird zur filmisch realen Problemlösung. Die digitale Apokalypse durch die Auslöschung des virtuellen Raums. Leider verpasst das der dramatischen Dringlichkeit der Handlung einen ungewollt amüsanten Unterton.
Man merkt dem Film, oder eher seinem Regisseur an, wo dieser seine Wurzeln hat. Als beständiger Kameramann von Christopher Nolan hat sich Wally Pfister im Schatten des Großmeisters von magischen Welten und verdrehten Gedankengängen nun an sein erstes eigenes Regiewerk gewagt. Damit hat er sich etwas übernommen, versucht den Stil seines Mentors zu kopieren und verrennt sich damit in reichlich Belanglosigkeiten. Die Nolan-Stammdarsteller Morgan Freeman und Cillian Murphy absolvieren wenig handlungsrelevante Auftritte, Christopher Nolan selbst gibt als ausführender Produzent Rückendeckung und doch hat sich selten jemand so sehr wie Pfister als Novize geoutet.
Rebecca Hall als Wissenschaftlerin Evelyn Caster
Vielleicht liegt es auch an Johnny Depp, der in keiner Weise das abliefert, was man sich schon seit Jahren immer wieder von ihm wünscht und doch nicht bekommt. Er spielt uninspiriert und lustlos den anerkannten Wissenschaftler Dr. Will Caster, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Evelyn (die den Film tragende Rebecca Hall) vor einem Durchbruch auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz steht. Sie sind kurz davor, ein elektronisches Individuum zu erschaffen, das über menschliche Gefühle verfügt, selbständig dazu in der Lage ist über Entscheidungen zu urteilen, diese mit einem Bewusstsein auch zu reflektieren. Das würde ihnen sicherlich auch ohne Probleme gelingen, gäbe es nicht für alles auf der Welt auch fanatische Gegner. In diesem Fall ist das die technikfeindliche Gruppierung R.I.F.T. (Revolutionary Independence from Technology) mit House of Cards-Darstellerin Kate Mara an ihrer Spitze. Doch die Handlungen der Technikgegner führen erst dazu, dass Will Caster sein Ziel erreicht.
Das alles wirkt sehr schnell wie Spike Jonzes Her, hier mit Johnny Depp in digitalisierter Form visuell abgebildet, nicht wie die pure Stimmarbeit einer Scarlett Johansson, die allein mit ihren Worten mehr Gefühle erzeugen konnte. Es ist eine Mainstream-Variante des von Jonzes ruhig erzählten Beziehungsdramas, welches sich auch hier entfalten möchte, doch vor dem pompösen Bestreben des Films zurückweichen muss. So bleibt jegliche Reaktion auf Schicksale der Protagonisten aus, so sehr sie auch am Ende doch stilisiert hochgeschaukelt werden. Was Her noch im Kleinen, im persönlichen Umfeld erzählt hat, wird hier zur weltweiten Angelegenheit aufgebauscht. Das Erzähltempo bleibt jedoch langsam, womit Transcendence sich selbst widerspricht.
Joseph Tagger (Morgan Freeman) und FBI Agent Buchanan (Cillian Murphy) warnen Evelyn (Rebecca Hall) vor der digitalen Version ihres Mannes
Die persönliche Geschichte funktioniert nicht vor dem allumfassenden Digital-Armageddon, obgleich gerade Rebecca Hall eine ganze Menge dafür versucht, dem Film eine emotionale Ebene zu verleihen, aber an der stoischen Langeweile von Depp und der Belanglosigkeit von Freeman und Murphy scheitert, die zugegeben, nichts für ihre Rollen können, wie sie vom Drehbuchschreiber Jack Pagen (ebenfalls ein Debütant) konzipiert wurden. Allenfalls Paul Bettany muss noch in die Reihen der um die Qualität des Films bestrebten Menschen aufgenommen werden. Er ist als Freund des Wissenschaftler-Paares zu sehen, der durch die beängstigenden Entwicklungen Will Casters zu R.I.F.T. überläuft, wodurch der Zuschauer jedoch nicht mehr Einblick in die Organisation erhält (Schade!), sondern ihn vielmehr als ambivalente Figur zwischen Technikbegeisterung und Ehrfurcht vor den Möglichkeiten als moralische Instanz von Transcendence erlebt.
Transcendence ist kein schlechter Film. Aber im Gegensatz zu all den schönen Momenten, über die man nach jeder Christopher Nolan-Erfahrung diskutieren kann, ist Wally Pfisters Regiedebüt bereits mit Verlassen des Kinositzes wieder vergessen. Pfister hat den Fehler begangen, lieber einen Stil kopieren zu wollen als sich selbst zu etablieren und als Neu-Regisseur zu finden. Er hat noch nichts von sich selbst offenbart, sondern eine gefühlsleere Digitalkopie dessen abgeliefert, was er sich bei Nolan abschauen durfte.
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 120 Minuten
Regie: Wally Pfister
Darsteller: Johnny Depp, Rebecca Hall, Paul Bettany, Morgan Freeman, Cillian Murphy, Kate Mara
VoD-Start: 24. April 2014
Im Netz: transcendence-derfilm.de
Bilder © Tobis Film GmbH & Co. KG