Am Morgen bot sich mir dieser Ausblick. Obendrein teilte ich mir das ganze Anwesen mit vielleicht zehn anderen Menschen. Das war ein schöner Kontrast zum Vortag. Der Unterschied hätte kaum größer sein können. Dementsprechend nutzte ich auch gleich nach dem ruhigen, ausgiebigen Frühstück das Meer für eine Runde Schwimmen zu einem der vorgelagerten Granitfelsen, die so “zufällig” arrangiert aussahen, wie von einem Zen-Gärtner wohl durchdacht genau dort hingepflanzt. Das Wasser war klar und ruhig im Golf von Porto Vecchio. Als ich gerade so schön am Lesen und in Gedanken versunken war, kam auch sogleich eine freundliche Dame und fragte, ob es denn noch ein Kaffee sein dürfte. “Double Espresso?” Aber gern!
Nachdem ich natürlich gleich am ersten Tag so masslos übertreiben musste und zuvor so gut wie gar nicht laufen war, hatte ich meine Beine entsprechend geschrottet und nutzte den Montag für das “Touri-Programm”. Zuerst mal runter zur Südküste nach Bonifacio, das wie ein Schwalbennest über den fast schneeweißen Klippen hoch oben über dem tiefblauen Meer hängt. Direkt gegenüber sieht man schon Sardinien. Am Kloster de la Trinité legte ich dann doch ein lockeres Regenerationsläufchen ein auf einem der kleinen, wilden Trails hoch über dem Capo di Feno. Da oben hing eine Slackline ca. 15 m über Grund – die war bestimmt 150 m lang. Wer sich da wohl drauf traut? Dann fuhr ich über Sartène nach Campomoro, konnte dort aber den Einstieg zu einem Coastal Trail nicht finden (und hatte auch keine rechte Lust). Also weiter über Propriano an der Inselhauptstadt Ajaccio bis nach Cargèse. Es ist kaum zu glauben, aber um die “großen” Städte herum gibt es selbst auf so einer kleinen Insel regelrechte Rush Hour-Staus. Nach einer guten Holzofen-Pizza und einer Flasche Rotwein nutzte ich mal wieder zur Abwechslung mein Zelt, denn das ermöglicht einem in idealer Weise, früh ins Bett und früh wieder aufzustehen. Und das wiederum ermöglicht einem die besten Fotos des Tages im besten Licht des Tages zu schießen. Fern ab von so unwichtigen Dinge wie der Technik (Kamera = masslos überschätzt!) und dem Auge (viel wichtiger!), geht ohne Licht eben gar nichts in der Fotografie. Und das Licht hat eben unterschiedliche Qualitäten im Tagesablauf, weshalb der durchschnittliche Papa, der mit seiner Familie im Urlaub ist, eben auch tendenziell nur drittklassige Fotos mit nach Hause bringt (dafür aber natürlich Profi-Technik dabei hat).
Direkt an meinem Zeltplatz begannen sowohl der “Tra Mare e Monti”, als auch der “Mare a Mare Nord” – der eine Trail führt an der Westküste entlang, der Andere von der West- zur Ostküste und schneidet den GR 20 am Col de Vergio. Nördlich liegt das sehr schmucke Bergdorf Piana. Dort genehmigte ich mir meinen obligatorsichen Café au Lait und ein Mini-Frühstück (Ich: “Ich nehme das umfangreiche Frühstück, das Sie auf dem Plakat vorn an der Straße anpreisen.” Der Wirt: “Es gibt noch keine Backwaren. Aber Sie können gern rüber in die Bäckerei gehen, sich etwas kaufen und das mit meinem Kaffee kombinieren.”). Auch eine Möglichkeit. Manche haben den Business-Sense eines deutschen Beamten…tststs.
Nördlich von Piana folgt eines der spektakulärsten Straßenstücke auf diesem Planeten: Die Calanche. In wildem Zickzack geht es auf winzigem Sträßchen an senkrechten Felsformationen blutroten Granits entlang nach Norden. Mittendrin stieg ich aus und machte einen “lockeren Morgen-Regenerationslauf” zu einer Felsformation mit Namen “Castellu”. Die Sonne stieg gerade über die hohen Berge und hinterließ erste, zarte, wärmende Strahlen auf der Haut.
Dann ging’s ans Eingemachte: An Porto vorbei fuhr ich nach Ota, einem kleinen Bilderbuch-Bergdorf hoch oben am Sonnenhang. Von dort aus lief ich zuerst in den noch schattigen Gorges de Spelunca, einen tiefen Canyon mit zwei sehr alten (um 1710 n. Chr.) Genueser Steinbrücken bis zum nächsten Etappenziel in Évisa. An der Pont de Zaglia traf ich einen französischen Fotografen und bat ihn, doch kurz ein Foto mit meiner Exilim zu machen. Ich glaube, ich habe es noch nie erlebt, dass jemand so widerwillig diesen Dienst erwies. Tatsächlich waren meine Fotos mit der GoPro vom Mini-Sativ noch besser. Allerdings hätte im tiefen schattigen Tal seine Canon 5D Mk. II geholfen (Thema Lichtstärke)…
Nach einem kurzen Lunch-Stopp in Ota lief ich in die andere Richtung über den Capu San Petru (914 m) hinunter zum nächsten Tagesendpunkt in Serriera und weiter zum Strand von Bussaglia. Leider war dort unten im Tal die Variante nicht markiert und entpuppte sich als Unauffindbar. Zwischenzeitlich war es schon spät geworden und ich war müde und hungrig. Da war ich froh, dass just in diesem Moment Frank und Ulrike aus Oldenburg auftauchten und mich mit zurück nahmen. Nach einem Kaffee in Porto bei perfekten Wetterbedingungen, setzten sie mich in Ota direkt an der Gíte ab. Perfekt.
Die Gastgeber in den Gítes legen sich immer mächtig ins Zeug essens-technisch. So gibt es in aller Regel für einen geringen Aufpreis Halbpension und man wird beim Abendessen richtig verwöhnt. Kombiniert mit einem Viertele Rotwein, dem vielen Laufen und dem vielen Essen fiel ich tot in mein Bettchen und schlief wie ein Baby.