Ich werde versuchen, meine Gedanken in ein paar wenigen Blog-Posts nieder zu schreiben – nicht täglich, aber auch nicht alles in einen einzigen, ellenlangen Bericht.
Es begann alles vor sehr langer Zeit…in einer Art Parallel-Universum. Auf Facebook hatte ich einen Event kreiert und viele Gleichgesinnte waren interessiert. Wie das im Leben manchmal so kommt – je näher der Termin rückt, desto weniger Leute bleiben übrig. So auch hier. Nur, dass es zum Extrem kam: Kein Einziger blieb übrig.
Das sollte sich im Nachhinein als großes Glück herausstellen. So wie der Trip nun lief, kann man den fast nur allein so durchziehen. Oder man hat jemanden, der einfach ohne Fragen hinterherdackelt. So lief es, wie in “den guten, alten Zeiten”: Spontan, ohne jede Planung, völlig nach Gefühl und Intuition. Soll nochmal jemand sagen, dass man so keine geniale Reise hinkriegt. Oh ja, nach meiner eigenen Definition fängt Reisen ja erst jenseits der 3 Monate an. Und genau so fühle ich mich auch jetzt, nach der Rückkehr: Als wäre ich drei Monate unterwegs gewesen. Ein völlig anderer Mensch…
Aber der Reihe nach: Germanwings-Flug 4U 2434 von Stuttgart nach Bastia hatte gleich mal eine Stunde Verspätung. Grund war das miese Wetter hier in Deutschland, was bei feuchten 0°C dazu führte, dass die Maschine jedes Mal enteist werden musste. Egal, ich war irgendwie schon vor dem Start sowas von tiefenentspannt, dass mir sowas nichts anhaben konnte.
Unten in Bastia angekommen das gleiche Bild. Irgendwie hatte meine Mietwagen-Bestellung nicht geklappt und da “mein” Mann am Schalter sehr arschig war…ging ich doch gleichmal rüber zu Hertz – die waren beim letzten Mal in TF schon so gut organisiert. Und siehe da: Willkommen in Frankreich! So eine Frau gibt’s in deutschsprachigen Ländern eher selten, ganz zu schweigen von… Die Schuhe! Kann man in so etwas gehen? Frau kann! Die Beine! Bis zum Himmel! Der Rock! Dafür braucht man doch einen Waffenschein! Das Top genau so kurz und sich eng an den makellosen Körper anschmiegend. Diese Frau wusste sich ganz offenbar in Szene zu setzen! Und das an einem Mietwagen-Schalter im Flughafen von Bastia! Nicht zu fassen! Genau an dieser Stelle kann das ganze Kunstwerk ganz schnell ganz billig wirken. Aber nicht hier, nicht bei ihr! Das hatte schon Klasse. Und selbstverständlich kann sie mein ernst gemeintes Kompliment sehr charmant annehmen…
Das Auto. Ja, das Auto! Auf einer Insel wie Korsika willst Du einen Kleinwagen fahren. Möglichst geringes Gewicht, tief am Boden, aber ein paar Pferde wären schon hilfreich! Und natürlich Gangschaltung! Ehrensache!
Am nächsten Morgen ging’s gleich hinauf nach Conca, dem Südende des GR 20. In der Nacht hatte der Wind ordentlich zugelegt und zwischenzeitlich Orkanstärke angenommen. Keine optimalen Voraussetzungen, um zu einem gemütlichen Trail-Läufchen in die Berge aufzubrechen…
Bevor ich loslegte, genehmigte ich mir noch in der einzigen offenen Kneipe den obligatorischen Café au Lait. Wenn die Franzosen auch sonst so weit wie irgend möglich von den Amis entfernt sind, aber in einem sind sie gleich: Sie haben den fetten Flatscreen den ganzen Tag am Laufen. Da kamen gerade die News und der Wetterbericht. Erstens war ich froh daran erinnert worden zu sein, dass so etwas wie Zeitumstellung über Nacht passiert war (wer hat sich den Blödsinn nur ausgedacht – wieder eine Stunde am Abend weniger, was v.a. den einsamen Trailrunner in Frankreich hart trifft: Darf er doch auf diese Art mindestens drei Stunden vom Eintreffen der Dunkelheit bis zum Abendessen warten). Zweitens hatten offenbar mehrere Departments Unwetter-Warnungen ausgegeben. Im Ranking der Windgeschwindigkeiten lag “La Corse” mit 170 km/h in der Spitzenposition. Bingo! Und ich mitten drin. Na toll. Also los!
Schon die Fahrt nach Conca war eine einzige Slalomstrecke durch umgestürzte Bäume, Äste, Strommasten und -kabel und Felsbrocken. Kein halbe Stunde auf dem GR 20 fing es auch noch an zu schneien…und hörte praktisch den Rest des Tages nicht mehr auf. Trotzdem war es irgendwie schön. Allein. Mitten drin in diesen unfassbaren Naturgewalten. Bei manchen Böen musste ich mich so schnell wie möglich auf den Boden kauern. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals solche Sturmgewalten erlebt habe. In bewaldeten Abschnitten gewöhnte ich mir dann auch schnell an, ab und zu einen Blick auf die Kiefern um mich herum zu werfen. Aber wie in der Natur üblich (und nur von uns tollen Menschen un-natürlich immerwährend bekämpft), entwurzelt es dort nur die Kranken und die Schwachen.
Mein Ziel war im Grunde der Col de Bavella. Aber als ich die “8 h” am Trailhead sah, bekam ich erste Zweifel – zwei Mal 8 ist gleich 16 Stunden, richtig? Als ich dann nach 3 Stunden immer noch nicht am Refuge Paliri war (die einzige Nothütte zwischen Conca und Col für die langsameren Wanderer), sah ich schon die Chancen schwinden. “Ich schaffe hier nicht mal, die halbe Zeit zu unterbieten – arggghhhh!” Am Paliri war ich dann aber so kalt, dass ich dachte, dass mir ein heißer Kaffee und eine warme Mahlzeit am Col besser täte, als die Aussicht, weitere drei Stunden durch den Schneesturm zu fetzen. Gesagt – getan! Über den Foce Finosa (1206 m) ging es hinüber zum südlichsten Straßenpass, dem Col de Bavella, mitten in den gleichnamigen, roten Granittürmen. Dort gibt es eine schöne Gíte d’etap und selbstverständlich gab es dort (wie übrigens praktisch überall in Frankreich) einen erstklassigen Kaffee. Die Leute hatten glücklicherweise den offenen Kamin angeworfen und schauten mich etwas befremdet an. Die Lasagne, die ich wollte, gab’s nicht. Nein, in keiner Variante. Also Spaghetti. Die Spaghetti waren dann letztlich Rigatoni (ob die Franzosen den Unterschied nicht kennen?), aber sehr, sehr lecker in ihrer feinen Bolognese-Sauce.
Zurück lief’s dann deutlich flotter (okay, sind ja auch fast 1000 Hm Differenz). Dazu nahm ich mir nicht mehr ganz so viel Zeit zum fotografieren und Videos schießen. Am Auto angekommen, nahm ich mir nicht einmal die Zeit zum kompletten Umziehen, da ich gehört hatte, dass es auch in Conca eine ordentliche Gíte geben sollte. Dort hing aber das Schild, dass um 18:00 Uhr wieder jemand vorbeischauen würde. Hmm??! Irgend etwas trieb mich hiunter nach Porto Vecchio, der IMHO schönsten Strand-Gegend Korsikas. Wie immer in solchen Situationen vertraute ich voll und ganz auf meine Intuition und landete im “Le Goéland“, einem kleinen, feinen Boutique-Hotel direkt am Meer. Die Leute waren nett, sprachen Englisch und durchschauten mich sofort (“Zimmer 16 hat eine große Badewanne…”). Nach 7:15 h draußen im Schneesturm sehnte ich mich nach nichts mehr, als nach einer heißen Badewanne. Welch ein Luxus!