Mein B&B Domus Temporis befand sich 10 Minuten entfernt vom Vatikan, so dass mich mein erster Spaziergang in der Ewigen Stadt natürlich erst einmal zum Petersplatz führte. Wer kennt ihn nicht aus dem Fernsehen, aus Filmen und Reportagen, aus Büchern und Bildbänden – diesen großen Platz, von Gian Lorenzo Bernini gestaltet und über viele Jahrhunderte ein Schauplatz der Weltgeschichte. Ich besuchte den Petersplatz zu unterschiedlichen Tageszeiten. So war ich sehr gespannt auf meine erste persönliche Begegnung und überschritt beim Durchgang durch die prächtigen Kolonnaden die unsichtbare Grenze zwischen Italien und dem Staat Vatikanstadt:
Donnerstag Nachmittag
Die Architektur auf dem Petersplatz
Auf dem Weg zum Petersplatz (c) Reise Leise
Beeindruckende Kolonnaden (c) Reise Leise
Details der Kolonnaden (c) Reise Leise
Details der Kolonnaden (c) Reise Leise
Überwältigend – wie Architektur und Größe der Anlage sowohl die Meisterschaft der Künstler, Architekten und Bildhauer, aber auch das Präsentationsbedürfnis der weltlichen und religiösen Herrscher widerspiegeln. Die klassische Schönheit und Harmonie der Gebäude sind atemberaubend.
Brunnen von Carlo Maderno (c) Reise Leise
Abendstimmung (c) Reise Leise
Prachtvoll! Foto (c) Reise Leise
Trinkwasserspender Foto (c) Reise Leise
(c) Reise Leise
(c) Reise Leise
Panorama Petersplatz (c) Reise Leise
Profane Geschäftigkeit
Nach dem ersten Rundgang über den großen Platz entstand in mir noch ein anderer Eindruck, der mich etwas verwirrte. Natürlich ist es völlig klar, dass Touristen aus aller Welt auf den Petersplatz strömen – ich gehörte ja selbst dazu.
Die Anwesenheit von Videowänden, Absperrungen, Lautsprecherboxen an den großen Leuchtern und ein mobiler Verkaufswagen der Vatikanischen Post jedoch machten meine romantische Vorstellung vorerst zunichte. Die modernen Zeiten haben auch im Vatikan Einzug gehalten.
(c) Reise Leise
(c) Reise Leise
Vatikanpost (c) Reise Leise
Vatikanpost (c) Reise Leise
Möglicherweise war es auch einfach nur zuviel des Guten bei meinem ersten Ausflug in die schöne alte Stadt. Was hatte ich auch erwartet?
So setzte ich mich erst einmal auf die Stufen der Kolonnaden und sah dem Treiben aus etwas Entfernung zu.
Wie abgenutzt und abgetreten diese Stufen waren. So viele Menschen aus vielen Jahrhunderten sind hier über die Stufen gegangen, haben die großartige Architektur bestaunt oder mit Bangen die Mächtigen der großen Kirche erwartet!
Stiller Beobachter Foto (c) Reise Leise
Wenn Stufen reden könnten.. (c) Reise Leise
Es wurde Abend und der Platz leerte sich nach und nach. Das Herbstlicht tauchte die Gebäude in goldene Mäntel – und da war sie, die Magie des Petersplatzes. Nur ein kurzes Stück zu Fuß und man kann die Abendstimmung Roms in vollen Zügen genießen:
Sicht auf den Vatikanischen Hügel (c) Reise Leise
Statue auf der Engelsbrücke (c) Reise Leise
Sonntag Vormittag
Überraschung um die Mittagszeit
Ich genieße es sehr, die Tage im Urlaub langsam zu beginnen, auszuschlafen, ausgiebig zu frühstücken und dabei zu überlegen, wie ich den Tag verbringen möchte. Für den Sonntag hatte ich geplant nach Trastevere zu gehen – am Ufer des Tiber entlang spazieren und die Sonne zu genießen. So verging der Morgen und ich kam wieder einmal etwas später los. Die Sonne schien so herrlich, dass ich mich entschloss, noch einmal zum Petersplatz zu gehen und einige weitere Fotos aufzunehmen. Dort musste ich sowieso vorbei – und an diesem Sonntag präsentierte sich das Areal vollkommen anders:
Petersplatz am Sonntagmorgen (c) Reise Leise
Der Platz war voller Menschen, die Video-Leinwände zeigten Panoramaaufnahmen und Live-Bilder vom Petersplatz. Es musste also etwas besonderes sein, was hier passierte. Schnell mal gegoogelt – und da fiel es mir auch wieder ein! Sonntags spricht der Papst um 12 Uhr das Angelus-Gebet und genau darauf warteten die Besucher geduldig und voller Vorfreude.
Das Angelus-Gebet
Pünktlich erschien er am Fenster und wurde mit großem Beifall begrüßt. Er sprach zu den Menschen über die Jugend, ihre Sorgen und Probleme, die Notwendigkeit, ihnen eine Orientierung und eine stabile Familie zu geben, ohne sie von den technischen Möglichkeiten unserer Zeit abzuschneiden. Es war sympathisch, dass er nicht gegen die bösen Versuchungen wetterte, sondern mit Verständnis aufforderte, den jungen Leuten auf ihrem Weg erwachsen zu werden zu helfen.
Papst Franziskus am Fenster
Begeisterte Zuhörer aus aller Welt (c) Reise Leise
Berührend waren seine warmen Worte, als er uns alle segnete, unsere Familien und Freunde und alle, die uns wichtig sind. Dabei war es nicht von Belang, welcher Konfession wir angehören oder wie wir zur grundsätzlich Kirche stehen.
Dass er uns am Ende auch noch ein angenehmes Sonntagsessen wünschte und er jetzt auch sein “pranzo” genießen würde, machte den Heiligen Vater noch auf eine ganz persönliche Weise menschlich….
An diesem Tag war der Petersplatz seiner ursprünglichen Bedeutung am nächsten. Es hat mich tief berührt genau zu dieser Zeit an diesem Ort zu sein und das Erlebte hallte noch lange in mir nach.
Der Petersplatz Sonntagnacht
Noch ein Umweg
Mein 17-km-Spaziergang durch Rom am Sonntag brachte mich am späten Abend wieder zurück zum Vatikan. Zugegebenermaßen waren sowohl die zurückgelegte Strecke als auch die späte Stunde nicht so richtig geplant. Ich hatte mich im Zentrum ziemlich verlaufen, was mir aber auch schöne Nachtaufnahmen von der Piazza Navona, dem Pantheon und nun auch vom Petersplatz ermöglichte.
Nun kam es auf ein paar Kilometer mehr auch nicht mehr an und ich verzichtete auf die Metro, um den Petersplatz bei Nacht zu sehen. Hier ein paar Impressionen:
Petersplatz (c) Reise Leise
Via della Conciliazone (c) Reise Leise
Beeindruckend, wie sehr sich dieser Platz verändert, wenn man sich die Zeit nimmt, ihn aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten – oder hat sich meine Wahrnehmung verändert?
Nachdenkliches
Rund um den Petersplatz geben sich Geschäft und Barmherzigkeit gegenseitig die Hand. Zum einen finden sich hier viele Läden, die Papstportraits, Souvenirs, Postkarten, Erinnerungsstücke und Kunsthandwerk anbieten. Zum anderen gibt es zahlreiche mobile Imbissstände sowie kleine und größere Restaurants, die für das leibliche Wohl der Besucher sorgen. Soweit findet man das ja in vielen Hauptstädten und an vielen Sehenswürdigkeiten weltweit.
Was mir neu war und woran ich mich erst gewöhnen musste, waren Menschen, die ihr Handicap zur Schau stellten, um mit freundlicher, dezenter Bitte nach einer Spende zu fragen. Im öffentlichen Umfeld sieht man durch Kinderlähmung entstellte Gliedmaßen, was ich so noch nie wahrgenommen habe.
Und gerade das brachte meiner Fantasie eine weitere Zeitreise. Es war über Jahrhunderte absolut üblich, dass körperlich oder geistig Versehrte in der Nähe der Kirchen um ein paar Münzen baten. Spenden gehörten zu den Geboten der Barmherzigkeit und Nächstenliebe und waren selbstverständlich. Hier in der Ewigen Stadt, dem Zentrum einer der Weltreligionen, ist diese Tradition noch präsent.
Gleiches gilt für die Obdachlosen, die sich nachts in der Nähe des Petersplatzes und in den Kolonnaden einen trockenen Platz zum Schlafen suchen. Sie sind kaum wahrzunehmen – kleine Unterkünfte aus Pappe und Decken.
Ein Fazit
Mit dem Besuch des Petersplatzes begann meine Eroberung Roms und er hat mir auf seine ganz spezielle Weise gezeigt, wie hier Geschichte und Gegenwart Hand in Hand gehen. Tradition und Moderne, Schweizer Garde und neue Medien, Reichtum und Armut – das hat die Stadt wohl schon immer ausgemacht und ihre Faszination begründet.
Es ist eine besondere Erfahrung, sich auf einen Ort einzulassen und ihn mehrfach, zu verschiedenen Zeiten, unter verschiedenen Bedingungen zu besuchen und auf sich wirken zu lassen.
Für mich war es wichtig….