Touristenrenner in Ostbayern: Die „Wissenschaft“ von der Weißwurst

Touristenrenner in Ostbayern: Die „Wissenschaft“ von der Weißwurst
Nach der Vorlesung über die Geschichte der Weißwurst dürfen die Seminarteilnehmer in Deutschlands erster Weißwurst-Akademie in Neumarkt in der Oberpfalz selbst aktiv werden – und in der Metzgerstube ihre eigenen Würste herstellen. Foto: obx-news
Neumarkt (obx - internet-zeitung) – Eine Weißwurst ist für den Bayern mehr als „nur“ einfach eine Frühstücksdelikatesse. Ein Metzgermeister aus dem Oberpfälzer Neumarkt widmet dem berühmten bayerischen Klassiker aus Kalbfleisch, Schweine-rückenspeck, Petersilie, Zwiebeln und verschiedenen Gewürzen seit vier Jahren ein eigenes Vorlesungs- und Studienprogramm: Norbert Wittmann gründete im Jahr 2007 – zum 150. Geburtstag der bayerischen Delikatesse – die erste deutsche Weißwurst-Akademie. Dort können Touristen, Einheimische und Geschäftsreisende einen Tag lang lernen, wie die weißen Delikatessen hergestellt werden. Zum Seminar gehören Theorie und Praxis. Während die selbst gedrehten Würste im Kessel liegen, schwitzen die Teilnehmer bei der „Weißwurstklausur“. Der Lohn für all die Mühen ist nicht nur eine gemeinsame Brotzeit, sondern auch ein ganz offizielles „Weißwurstdiplom“.
Das Angebot hat sich unter Geschäftsreisenden und Touristen zum Besuchermagneten entwickelt: Die Seminare sind meist lange im Voraus ausgebucht. Eine Gruppe von Geschäftsreisenden war es, die den Metzgermeister Norbert Wittmann einst auf die Idee brachte, aus der Weißwurstherstellung eine Touristenattraktion zu machen. Bis dahin galten die Würste aus dem Hotel-Gasthof Wittmann als die besten in der Stadt. Auf die Idee gekommen, die Besucher in der angeschlossenen Pension und interessierte Touristen in den Wurstkessel schauen zu lassen, war bis dahin allerdings noch keiner.
Eines Samstagvormittags versuchte Wittmann das Experiment: Er ließ die offizielle Wurstproduktion ein wenig eher stoppen als sonst und bereitete alles vor für eine Schauvorführung in der Metzgerei. Schon beim allerersten Weißwurstseminar durften die Teilnehmer selbst Hand anlegen – ob beim Schneiden der Petersilie oder beim Abfüllen der Würste in den Darm. „Die Besucher waren begeistert“, erinnert sich Norbert Wittmann.
Seit dem offiziellen Start der Akademie hat der Neumarkter Bio-Weißwurst-Metzger seine Seminarangebote perfektioniert: Die eintägige Ausbildung der Weißwurst-Akademie zum Preis von 55 Euro pro Person beginnt mit einer „Vorlesung“ über die Geschichte der bayerischen Spezialität und ist jeden Samstag ausgebucht. Da erzählt Norbert Wittmann seinen Teilnehmern, dass die Geburtsstunde der Weißwurst angeblich 1857 in München im Gasthaus „Zum ewigen Licht“ schlug. So wird berichtet, dass sie dem damaligen Wirtsmetzger Joseph Moser als Fehlfabrikat bei der Bratwurstherstellung „geglückt“ sei.
Der Wirt, der auf bairisch Moser Sepp genannt wurde, machte sich zum angegebenen Datum schon recht früh am Morgen daran, die damals beliebten Kalbsbratwürste herzustellen, als er feststellen musste, dass ihm die Schafssaitlinge ausgegangen waren. In seiner Not – die Gäste bestellten schon ihre Würste – füllte er das helle Brät in dickkalibrigere Schweinedärme, drehte die Würste ab und brühte sie in heißem Wasser, weil er befürchtete, dass die Würste sonst beim Braten platzen würden. Nach anfänglichem Misstrauen seitens der Gäste wurde die neue Wurstkreation ein voller Erfolg und im Verlauf der folgenden Jahrzehnte zum festen Bestandteil der Münchner Gastwirtschaften – und verbreitete sich später auch im Norden des heutigen Freistaats.
Die Weißwurst-Vorlesung liefert Liebhabern Antworten auf alle existenziellen Fragen rund um die bayerische Spezialität: Welche Gewürze stecken in der Wurst? Warum gehört für Traditionalisten unbedingt ein Weißbier als Begleiter dazu? Und aus welchem Grund harmoniert die Weißwurst mit süßem Senf besonders gut? Ein „Weißwurst-Knigge“ (Wie esse ich sie richtig?) ergänzt die Seminarinhalte.
Hungrig von so viel theoretischem „Weißwurst-Input“ führt Norbert Wittmann seine Gäste dann in die Metzgerei, wo die Teilnehmer ihre eigenen Würste herstellen dürfen. Der Neumarkter Metzger hat inzwischen eigene Maschinen angeschafft, die nur für die Seminare der Akademie eingesetzt werden. Wenn die Würste dann im Kessel heiß werden, schreiben die Teilnehmer eine kurze Klausur über Geschichte, Bestandteile und Herstellung der Weißwurst. Und wer gut aufgepasst hat, dem ist sein Weißwurstdiplom sicher. Offiziell verliehen wird es bei einer gemeinsamen Brotzeit mit den selbst gemachten Würsten. Mehr Informationen: www.hotel-wittmann.de


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