Freunde fürs Leben, ja, so sollte man meinen, sind sie. Ich, Jessica habe in eine Freundesgruppe geheiratet. Mein Mann und die beiden anderen Jung's gingen schon zusammen aufs Internat und haben so manches durchgemacht und erlebt. Sie halten zusammen wie Pech und Schwefel! Ich bin da also noch ziemlich frisch, und weiss noch nicht so genau ob ich in diese verschworene Gruppe passe. Da wären Leon, seine Frau Patricia und die beiden Mädchen. Tim mit seiner Frau Evelin. Alles samt schon über Jahre befreundet, und die auch alles, aber auch alles miteinander machen, nicht nur immer wieder Abendessen oder gemeinsame Tanzabende, nein, Evelin hat ein grosses Haus geerbt in welchem sie immer zusammen, mehr mals im Jahr, Ferien zu machen. Und wer träumt nicht davon, mit den besten Freunden in der Idylle von England, genauer im Westen von Yorkshires, die Ferien zu verbringen. Die Ruhe zu geniessen, zusammen die Zeit zu verbringen?
Und so bin auch ich mit meinem Mann Alexander und seine Tochter Ricarda dabei. Doch für mich scheint diese Gruppe von Freunden nicht so idyllisch zu sein wie sie es denken das sie es sind. Irgendwie stimmt da was nicht. Es scheint alles so gewollt zu sein... Nach Aussen wird ihre Freundschaft geradezu zelebriert, doch tief im Kern brodelt etwas. Das Spüre ich, doch was es ist, weiss ich noch nicht...
Erster Satz:
Eine eigenartige Stille lag über Stanbury.
Aber erst mal zum Cover, welches mir ja in der Taschenbuchvariante so gar nicht gefällt. Es passt überhaupt nicht, zumal es eher herbstlich ist anstatt Frühlingshaft. Denn die Geschichte spielt Anfang Mai! Da gefällt mir die gebundene Version schon viel besser. Das Cover strahlt wirklich das idyllische Flair aus was man aus dem Roman herauslesen kann. Mit einem typischen englischen Landhaus aus Stein. Ich schau ja nicht so auf den Umschlag, aber wenn das Cover dann so gar nichts mit der Geschichte zu tun hat, finde ich das äusserst schade.
Aber nun zum Schreibstil, welcher ja sehr wichtig ist. Charlotte Link schreibt in ihrer gewohnten, flüssigen und doch manchmal leisen Art. Sie ist nicht die Frau der harten Worte, meist auf alle Fälle nicht, vieles schwingt unterschwellig mit, leise. Man muss auch manchmal zwischen den Zeilen lesen aber das hat eben genauso viel Kraft wenn nicht mehr als wenn man mit harter Action rum hantiert.
Was die Geschichte angeht... Genau so liebe ich es!! Nichts ist so wie es nach Aussen hin gezeigt wird. Auch wenn sich in der Geschichte alle sich anstrengen um genau dass zu zeigen. Doch hat die Autorin mit dieser Geschichte ein Psychogramm geschaffen, welches ein vermeintlich eingeschworene Freundeskreis, auseinander nimmt. Sie hat die die moralische Frage; "Muss ich helfen wenn ich nicht darum gebeten werde", in eine wirklich spannende, tragische, und traurige Geschichte gepackt. Sie zeigt auf was passieren kann wenn alle einfach weg sehen, Dinge Tod schweigen, sich so aus der Verantwortung ziehen und vor allem, wie leicht es manchen gelingt. Es stellt sich auch die Frage; "Ist jeder zu allem Fähig?" Schnell würden die meisten antworten; Nein!! Dies oder jenes würde ich nie machen, egal was passiert!!" Doch ist das so? Doch seien wir doch ehrlich... Ich bin der Meinung, jeder ist zu allem Fähig, nur hat jeder seine Schmerzgrenzen anderes gesteckt. Aber würde man einen Menschen foltern, erpressen, quälen... nur lange genug, ich denke wir würden alle irgendwann genau das tun von dem wir meinen es nie, aber auch wirklich gar nie tun zu können.
Die Autorin hat mit den Protagonisten ein wahrlich grausiges und vor allem krankes Biotop geschaffen. Ein Biotop welches durch ein grausames Verbrechen auseinander gerissen wird. Ein Verbrechen das dem Schweigen ein Ende bereitet, doch das hilft leider keinem mehr, denn es ist zu spät. Alle beteiligten haben dafür bezahlt, egal ob sie überlebt haben oder nicht.
Charlotte Link hat all die Charaktere sehr fein heraus geschrieben. Sie hat ihnen sehr viel tiefe verliehen, eben weil sie alle ihre Fehler hatten. Und das sind nicht grade Charakterzüge die einem schmeicheln. Man fragt sich wie ein Mensch so werden kann, wie kann ein einzelner so abhängig von anderen sein? Wie verzweifelt muss man sein um immer alles schön zu reden, obwohl man die Hölle auf Erden hat? Wie minderwertig muss Mann sich fühlen um die Wahrheit seiner Frau Monate zu verschweigen? Freunde, jeder meint alles vom anderen zu wissen, jeder meint selber der einzige zu sein der anderen was vor macht, und dann, ja dann gibt es der berühmte Knall, und alles fliegt auseinander und verwüstet dass, was mal eine vermeintliche Idylle gewesen war.
Hat man solche Freunde, braucht man keine Feinde mehr! Dass ist es, was mir ständig im Kopf rum gespuckt hat. Jessica war die einzige die nicht in die Gruppe passte und sie war mir auch von Anfang an sehr sympathisch, sie war eben nicht so Kontrollesüchtig wie Patricia, welche es wahrscheinlich nur war, weil sie ihr eigenes Leben nicht so im Griff hatte. Sie war nicht so depressiv wie Patricia, die ihre Leere und das Leid mit Essen füllen wollte und sie was schon gar nicht so narzisstisch und überheblich wie Tim, der möchtegerene Guru und Psychologe. Und dann... ja dann war noch ihr Mann, welcher ihr immer schwächer erscheint während dieses Aufenthalts. Und was sie immer mehr zu irritieren begann war, das ihre Individualität so gar nicht gerne gesehen wurde, auch nicht von ihrem eigenen Mann...