Totenvögel

Von Guidorohm

Da lagen sie, all die Totenvögel lagen auf dem Boden, auf den Dielenbrettern, Totenvögel eben, deren Flug ein Traum war, und Hartberger kroch wie ein Hund über die Aufzeichnungen, über all die bekritzelten Papiere, er las mal hier, mal dort, da stand mal ein Wort, mal ein ganzer Satz, Hartberger ist auf der Suche nach dem Tod, stand da, und Hartberger suchte inmitten der Totenvögel nach sich selbst, nach einem Satz, der etwas mit ihm zu tun hatte, der ihn erklärte, während ich ganz ruhig in der Türöffnung stand, hinter mir die Kommode mit der Jacke, die Feld vergessen hatte, oder eben auch nicht vergessen, denn vielleicht war er nicht verschwunden, sondern würde zurück kehren, der kommt nicht mehr, sagte Hartberger und griff nach dem nächsten Vogel, und so etwas nennt sich dann Journalist, sagte Hartberger, er nahm bereits den nächsten Vogel in die Hand, ja, hör einmal, sagte Hartberger und las vor, Hartberger ist kein Mensch, der ist eine Alarmanlage, aber kein Mensch, der ist nur etwas besonders lautes, was ständig Krach schlagen muss, na, sagte ich zu Hartberger, so ganz unrecht hat er da ja nicht, der junge Mensch, der hier gewohnt hat, um ein Buch über dich zu schreiben, das nun doch kein Buch wurde, weil Feld seit Tagen verschwunden war, der tot in einer Felsspalte lag, oder auch erschlagen in einem tiefes Grab, dem Hartberger würde ich ein tiefes Grab zutrauen, ich sah ihn mit einer Schaufel durch die Nacht stolpern, nein, das ist natürlich Unsinn, denn der Hartberger brachte die Leute nur auf der Theaterbühne um, zumindest hoffte ich das, aber es war schon ein seltsames, auch wieder theaterwürdiges Bild, dem Hartberger beim Kriechen durch die Totenvögel zuzusehen, wie er da lag, inmitten all der Notizen und auf der Suche nach sich selbst, und hier, rief Hartberger, da schreibt er, ich sei ein Vogelgesicht, ein Vogelgesicht mit einem Schnabel zum, und dann steht da nichts mehr, sagte Hartmann, das ist doch eine Frechheit, fängt der einen solchen Satz an und beendet ihn dann nicht, ich nickte und sagte zu Hartmann, wir müssen die Polizei verständigen, gar nichts müssen wir, sagte Hartmann, der kann verschwunden bleiben, der dämliche Mensch, der nicht einmal einen Satz beenden kann, das sagte Hartmann und kroch weiter durch all die Totenvögel, die nie fliegen würden, weil der Flug der Totenvögel ein Flug im Traum ist, weil die Totenvögel stets nur von ihren Himmeln träumen, Himmeln, die sie dann nie sehen werden, weil sie vom lieben Gott verurteilt wurden, auf einem Boden herum zu liegen, stumm, starr und bleich, weil die Totenvögel eben Totenvögel sind, Totenvögel, sagte auch Hartberger, er ging mit mir hinaus, wir blickten zum Morgenhimmel hinauf, keine Wolke war zu sehen, das wird ein herrlicher Tag, sagte Hartberger, kein Vogel zu sehen, sagte Hartberger, der dann sagte, ich werde jetzt schreiben, ich werde an meinem Roman arbeiten, denn der soll keine Totenvögel gebären, das sagte Hartberger und dann ging er davon, hinein in einen Schatten, der ihn sofort verschluckte, während ich mich umsah und an Feld dachte, der verschwunden war, den es vielleicht nie gegeben hatte, der nur eine Figur aus einem Roman von Hartberger war, ich sah wieder zum Himmel hinauf, da, ein Vogel, einmal kein Totenvogel, dachte ich und ging zum Hof zurück.