Tore für ihr Europa

oder: Merkel hofft auf ESM-Sieg von Löws Truppe - und die stützt der Kanzlerin EM-Vorhaben. Oder war es andersherum? Eine Unterscheidung scheint bald stündlich schwerer...
Dass die Politik die Nähe des Sports sucht, ist weder neu noch besonders originell. Wie sie die Kanzlerin allerdings sucht, diese Nähe, das hat es vormals in Deutschland noch nicht gegeben. Noch nie zuvor benutzte die politische Richtlinienkompetenz dieses Landes so kalkuliert den Tribünenplatz oder den Zugang zum Entmüdungsbecken. Wie darauf die Fußball-Nationalmannschaft reagiert, das dürfte hingegen auch so ein Fanal sein. Nie zuvor scheint eine nationale Auswahl so ehrerbietig mit der Ausbeutung ihres Sports zu politischen Zwecken umgegangen zu sein - kein Nationaltrainer vor Löw katzbuckelte je so ungeniert devot vor einem Kanzler.

Man kann nicht erwarten, dass sich eine Fußball-Nationalmannschaft gegen diese Vereinnahmung zur Wehr setzt. Sie ist ja keine Meute junger politisierter Menschen, die mit Eloquenz auftritt, um sich gegen das Establishment aufzulehnen. Sie ist, nachdem sie einst ein Haufen war, der der Fußlümmelei nachging, selbst Establishment geworden. Ob man aber so weit gehen muß wie Löw und seine Spieler, ist doch mehr als fraglich. Ist es denn wirklich nötig, dass Löw vor versammelter Journalistenriege der Kanzlerin Arbeit lobt? Kommt sich ein Khedira nicht belämmert vor, wenn er in Blöcke hineinnotieren läßt, dass die Nationalelf geschlossen Fan von Merkel sei? Muss denn jeder Spieler, der von der PR-Abteilung des DFB ins Rampenlicht geschickt wird, ein anerkennendes, ein lobendes Wort für Merkel auf den Lippen tragen? Ist diese anheimelnde Nähe denn notwendig?
Politik missbraucht Sport - das ist schon wahr. Aber im aktuellen Falle der Nationalelf ist es so, dass sie sich genussvoll missbrauchen läßt, sich zum nützlichen und willigen Idioten macht, an der Blendwerkmaschinerie mitpedaliert, die ein breiter Teil der Medien in Schwung geworfen hat. Die DFB-Auswahl äußert sich freilich nicht inhaltlich zur Politik Merkels, sie zeigt einfach nur Sympathie und schmust dezent mit ihr. Gesunden Abstand hält sie keinen - dafür fühlt man sich zu geschmeichelt und geliebt. Man ist schließlich Fan von ihr - ohne sich je politisch zu äußern. Das indoktriniert natürlich die Anhängerschaft, die diese Nähe nicht unangebracht oder zumindest peinlich findet, sondern ganz normal und auch schön, denn so steht doch das Land einig zusammen in der Stunde sportlicher Ausnahmezustände.
Dabei ist dieser Ausnahmezustand ein Zustand, der den wirklichen Ausnahmezustand kaschiert. Während ein Putsch im Gange ist, der Europas Demokratien entkräftet und Parlamente künftig von der Entscheidungsbefugnis abhält, weil das Haushaltsrecht im Orkus überstaatlicher Verbürokratisierung verschwinden soll; während in Verfassungen einzubauende Schuldenbremsen den gestalterischen Handlungsspielraum einengen und den Sozialstaat als primäres Einsparpotenzial brandmarken; während Sparprogramme für Hungerleider fiskalpaktierend verbindlich werden und Zuwiderhandlung legitim abgestraft werden kann - während also der Ausnahmezustand zu einem Dauerzustand werden soll, angetrieben von Merkel und ihren Einflüsterern, bezeugen junge Männer, bezeugt eine offizielle Auswahl des Landes, Sympathie für diese Frau - outen sich die DFB-Kicker fröhlich als Merkels Fans.
Von was genau sind sie denn Fan? Vom Sparen? Vom Umsturz, der von oben herab geplant und bewerkstelligt wird? Von den offenbaren Problemen, die diese Frau mit der Demokratie zu haben scheint? Von der Hegemonie, die sie hängender Backens anstrebt? Was genau ist bitte der Grund, sich zum Fan dieser Frau zu machen? Es interessiert nicht, welcher Verteidiger des DFB mit einem leichten Mädchen kopuliert - es spielt aber eine erhebliche Rolle, weshalb man mit der Politik Merkels so unkritisch beischläft.
Wer sich so benimmt, ist nicht das Opfer von Politik - er ist Täter. Bei fiktiven Entmerkelisierungsprozessen nach ihrer Zeit würden sie sicherlich als Mitläufer eingestuft. Sie geben dieser politischen Konzeption, diesem Europa von Konzernen und Banken, eine elanvolle Note, lotsen den politisch unbedarften Teil ihrer Anhänger in die Arme Merkels. Löws Mannschaft kickt nicht für Deutschland, sondern für ein Europa nach Merkels Kriterien. Sie strebt nicht den Pokal an, sondern den Fiskalpakt mit all seinen Demokratieantipathien. Sie schießen nicht Tore zum Sieg, sondern schießt auf demokratische Strukturen und auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker. So ist nicht die Auswahl des DFB, sondern nicht weniger als der Auswurf des ESM.
Ein Wort zur UEFA noch. Sie liefert ja die Bilder. Man mokierte sich kürzlich darüber, dass eine Szene Löws während des Spiels hineingeschnitten war. Die Szenen aber, bei denen Merkel jubelnd oder fiebernd zu betrachten war, waren live, waren nicht eingebaut. Und es waren nicht wenige Szenen. Man erinnere sich, als der DFB 1990 im Finale der Weltmeisterschaft stand, da besuchte Helmut Kohl das Stadion in Rom. Man sah ihn gleichwohl vor dem Spiel, kurzes Statement eines Reporters dazu - das war es auch schon! Gesehen wurde er erst wieder bei der Pokalübergabe - dort aber als Statist, klatschend und zurückhaltend. Jubelszenen während des Spiels waren nicht zu sehen, kein Mitzittern, keine entstellte Miene beim Gewahrwerden einer gescheiterten Chance. Weshalb widmet die UEFA dieser Frau diese vehemente Aufmerksamkeit? Ist die EM eine Unterorganisation des ESM? Merkel derart weichzuspülen, sie dauerhaft als Jubelkanzlerin zu stilisieren: dass ist schon schier als Werbespot für ihren Fiskalpakt einzustufen? Nie zuvor biederte sich der europäische Fußballverband so hemmungslos an die europäische Politik an, wie es dieser Tage geschieht. Das ist der eigentliche Skandal um die Bilder, die die UEFA in die Wohnzimmer strahlt - nicht die Neckerei Löws mit einem Balljungen, die so nicht stattfand. Und nicht dessen Spaß mit diesem Jungen ist zu unterstreichen, sondern sein neckisches Treiben mit der Kanzlerin wäre eine Schlagzeile wert. Merkels Fiskalpakt-Politik wird mit ihrem Gejubel von der UEFA in die Totale genommen, wird mit einem Sie-ist-eine-von-uns-Streich flankiert und gestützt; Merkels Fiskalpakt-Politik in der Totale scheint total...
Eine so eklatante Nähe des Fußballs zur Politik gab es hierzulande vermutlich seit "damals" nicht mehr. Es ist das Wesen totalitärer Politik, jede Nische des alltäglichen Lebens zu erobern, um die eigenen Denkmuster, Ziele und ideologischen Konzepte in den Köpfen der Menschen zu verfestigen. Im politischen Totalitarismus leben wir nicht, nur der Profitismus ist das Totale - dennoch ist diese Verpflanzung des Politischen ins Sportliche ein Akt, der an totalitäre Epochen erinnert. Es gab in jener damaligen Zeit viele Schreibtischtäter - weniger Rasentäter, weil der Fußball nicht den medialen Stellenwert hatte, den er heute hat. Von Rasentretern scheint man sich nun gar zu Rasentätern zu modifizieren - Rasenmittäter! Löws Mannschaft ist nicht einfach nur naiv, nicht bloß nett zu einer Frau, die sie regelmäßig besucht - sie macht sich zum Teil jener Täterschaft, die sich großkotzig als gewissenhafte Politik bezeichnet. Bislang haben große Turniere vom politischen Geschehen abgelenkt - die Nationalelf heute wirkt aber nicht nur auf dem Rasen ablenkend, sondern verschafft der Kanzlerin auch noch ein Alibi. Das ist nicht arglos - das ist Mittäterschaft!
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