Für Kunden, die mich als Hochzeitsfotograf buchen, soll es der mit Abstand schönste Tag im Leben werden und die Erwartungen sind entsprechend groß. Doch wenn die Messlatte hoch liegt, steigt das Risiko, darüber zu stolpern. Schon der ganz normale Hochzeitsstress reicht aus, die Nerven flattern zu lassen – da bedarf es auf keinen Fall zusätzlicher Hürden in Gestalt idealisierter Hochzeitsbräuche.
Hochzeitsbrauch 6: XXL-Gruppenfoto
Und jetzt bitte ALLE lächeln fürs Gruppenfoto mit kompletter Hochzeitsgesellschaft! Bitte nicht, denn diese Wunschvorstellung lässt sich nicht fotografisch abbilden. Zu vieles spricht dagegen: Die Gäste müssen sich versammeln und aufstellen. Das dauert vielleicht gar nicht schrecklich lange, viele empfinden es aber als eine kleine Ewigkeit. Und wenn dann der große Moment gekommen ist, kann ich den Auslöser zigfach betätigen, und dennoch: Auf keinem einzigen Foto wird ausnahmslos jeder Gast vorteilhaft getroffen. Links außen guckt jemand in die Luft, in der Bildmitte schließt jemand gerade die Augen, rechts schaut ein anderer Gast zur Seite statt zur Kamera. Und egal, wie oft ich die Prozedur wiederhole, es wird nicht besser. Daher plädiere ich für überschaubare Gruppenfotos mit persönlichem Bezug zu den einzelnen Personen. So kann ich als Fotograf zugleich der Dirigent sein und die Qualität des Bildmaterials beeinflussen.
Hochzeitsbrauch 7: Bilderrahmen-Gästefotos
Gäste hinter einem Barock- oder Biedermeierbilderrahmen positionieren, fotografieren und dann auf der Feier die lustigen Fotos ausdrucken? Die meisten Gäste, ausgenommen Kinder und einige wenige jugendliche oder erwachsene Witzbolde, werden dankbar sein, wenn ihnen dieser Partyulk erspart bleibt. Was vor vielen Jahren vielleicht noch einen minimalen Spaßfaktor hatte, ist heute nur noch abgedroschen und zum Gähnen langweilig. Trotzdem sind die albernen Bilderrahmen einfach nicht auszurotten. Die reinste Papierverschwendung und besonders bitter für den armen Menschen, der die Aufgabe übernimmt, Stunden am Drucker zu verbringen. Kaum eines dieser Geräte wird Fotos in professioneller Qualität ausdrucken, sodass die lustigen Bilder einfach die ganze Mühe nicht wert sind.
Hochzeitsbrauch 8: Hochzeitsvideo + Fotograf
Hollywood lässt noch einmal grüßen: Weil ein Video vermeintlich unbedingt sein muss, agieren auf unzähligen Hochzeiten Fotograf und Kameramann. Der eine mit dem Anspruch, Momentaufnahmen des Geschehens fotografisch festzuhalten, der andere mit dem Auftrag, ein wunderbares Video zu drehen. Es kann sich selbstredend auch um Fotografin und Kamerafrau handeln, was bleibt, ist die Unvereinbarkeit dieser beiden Aufgaben. Nicht nur, dass beide sich im Weg stehen, oftmals mangelt es beim Videodreh auch am professionellen Equipment, weil ein Hobby-Kameramann am Werk ist. Dann wird nicht nur beim Dreh selbst improvisiert und gestümpert, auch die Bearbeitung des Videos ist mangelhaft. Was am Ende bleibt, ist die Enttäuschung des Brautpaars, das sich das alles ganz anders erträumt hatte. So hart es auch klingt, ich sage entweder – oder, beides geht nicht. Ein professionelles Hochzeitsvideo oder Hochzeitsfotos vom Fotografen, die übrigens in einer Video-Slideshow ebenfalls zu „bewegten Bildern“ zusammengestellt werden können.
Hochzeitsbrauch 10: Hochzeit im Hochsommer
Der beliebteste Hochzeitmonat ist der Mai, und das zurecht. Das Grünen und Blühen der Natur ist eine herrliche Kulisse für Fotos und bietet zumeist angenehme äußere Bedingungen. Sicher kann es auch einen kräftigen Mairegen oder eine frühsommerliche Hitzewelle geben, die Wahrscheinlichkeit ist aber eher gering. Auch der Frühherbst mit dem ersten bunten Laub bietet sich als günstiger Zeitpunkt zum Heiraten an. Im Juli und August hingegen habe ich schon Hochzeiten begleitet, bei denen Gluthitze Brautpaar und Gäste erheblich schwächte – bis hin zur Ohnmacht aufgrund nicht klimatisierter Räumlichkeiten und zusätzlicher Wärme durch ein Lichtermeer aus Kerzen. Bei der Hochzeitsplanung sollte das bedacht werden und bei einem Hochzeitstermin im Sommer stellen klimatisierte Räume sicher, dass sich keine ungebetene Gäste in Form von Atemnot und Kreislaufkollaps anmelden.
Hochzeitsbrauch 10: Hochzeits-DJ
Mein letzter Ratschlag gilt der musikalischen Begleitung auf der Hochzeitsparty. Oft soll es ein DJ richten, er soll für gute Laune und eine gefüllte Tanzfläche sorgen. Ein DJ ist aber nicht zwangsläufig die geborene Stimmungskanone. Meines Wissens neigen einige zur Divenhaftigkeit, verschanzen sich hinter ihrem Pult und gehen nur unwillig oder gar nicht auf Musikwünsche ein. Am meisten Stimmung bringt eine Liveband. Sie muss gar nicht bekannt sein, sie kann sogar ziemlich schlecht sein – aber sie bieten eine Performance, die Gäste werden unterhalten. Livemusik reißt immer mehr mit als Musik vom Band und in aller Regel beherrschen Partybands ein ordentliches Repertoire für jeden Geschmack, ohne eine maßlos hohe Gage zu verlangen. Oft sind Live-Musiker sogar günstiger als ein halbwegs namhafter DJ.
Das war sie, meine Hitliste der 10 Hochzeitsirrtümer, auf die man als Hochzeitspaar besten Gewissens verzichten kann. Wer sie auslässt, erhöht die Chance auf den wirklich schönsten Tag des Lebens, der auch genauso festgehalten wird und in Erinnerung bleibt.
Beitrag von Alexander Vejnovic, Profi-Fotograf
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Lesen Sie hier Teil 1 der “Top 10 der Hochtzeitsbräuche, die meistens nach hinten losgehen”.