Es folgt ein weiterer Zusammenzug von kürzlich gesichteten Tonfilmen, die gabelingeber in seinem trauten Heim oder im regionalen Kino angeschaut hat:
Glengarry Glen Ross
USA 1989; mit Jack Lemmon, Al Pacino, Ed Harris, Kevin Spacey, Alec Baldwin, Alan Arkin u.a.; Regie: James Foley
In einem schäbigen kleinen Maklerbüro Downtown wird den Mitarbeitern in wüsten Worten und überheblicher Geste eröffnet, dass nur noch die besten überleben würden. Der Mann mit dem besten Abschluss erhält einen Cadillac, der zweitbeste ein Set Tranchiermesser, die anderen werden gefeuert.
Der Film zeigt in einer Art gesellschaftspsychologischen Versuchsanordnung, wie die vier Mitarbeiter auf diesen unmenschlichen Druck reagieren.
Glengary Glen Ross ist eine Theaterverfilmung – eine gelungene.
Die Vorlage stammt von David Mamet, Regie führte er allerdings nicht selbst, dafür wurde James Foley geholt. Dieser absolviert die Übung so, dass sie ausschaut, als hätte der Meister selbst inszeniert. Dass der Film nie langweilt, obwohl pausenlos gequasselt wird, ist einerseits dem herausragenden Schauspieler-Ensemble zu verdanken, aber auch Foley hat seinen Anteil daran. Die Kamera umkreist die „Talking Heads“ permanent und macht die unterschwellige Angst und die Getriebenheit spürbar, welche sämtliche Proagonisten uneingestanden umtreiben.
Natütrlich handelt es sich hier um eine starke Vorlage – das Stück gewann 1984 zu Recht den Pulitzer Prize. David Mamet führt vor Augen, was big business mit den Menschen macht. Die vier Verkäufer erscheinen als seelen- und gewissenlose Egoisten, die man sich nicht einmal im privaten Leben als nette Leute vorstellen kann. Dabei kämpfen sie ums nackte Überleben. Ihr Geschäft ist das Bescheissen anderer, indem sie diesen schönfärberisch etwas aufschwatzen, was sie gar nicht wollen/ brauchen. Nicht umsonst erscheint der Schauplatz New York im schmutzig-düsterem Licht der Neonreklame und weckt damit (Grossstadt-)Dschungel-Assoziationen.
Die zentrale Stelle im Film ist das Auftreten des Company Man, der den vier Verkäufern unter Zuhilfenahme übelsten Vokabulars das Messer an den Hals setzt und damit bei ihnen eine Entwicklung in Gang, die exemplarisch zeigt, was die freie Marktwirtschaft bewirkt: Die totale Entmenschlichung. Entweder versuchen sie sich im Bestreben, zu überleben, gegenseitig auszubooten oder sie begehen in der Verzweiflung ein Verbrechen – hier ist es ein Einbruch ins Büro des Abteilungsleiters, um an die guten Verkaufsadressen zu gelangen.
Glengary Glen Ross ist im Grunde ein Horrorfilm. Einer, der den Horror des Alltags schonungslos und schmerzhaft vorführt und Anklage erhebt an den Verbrechen, welche der Markt an der Menschheit begeht.
Unnötig zu sagen, dass dieser Film wohl nie veraltet.
9/10
Mirror, Mirror
USA 2011; mit Lily Collins, Julia Roberts, Armie Hammer, Natah Lane u.a.; Regie: Tarsem Singh
Wer Kinder hat und diesen ab und zu einen Kinonachmittag gönnen will, kann ein Lied davon singen: Man hat die Wahl zwischen drei dämlichen US-Krawallschachteln mit hyperaktiven CGI-Figuren, permanentem lautem Geschrei, non-stop-action und fehlendem Inhalt – und man muss versuchen, daraus das kleinere Übel zu wählen.
Mit Mirror, Mirror ist meiner Tochter dies gelungen. Nicht, dass ich den Film besonders gut fand. Doch immerhin gab es darin keine hyperaktiven CGI-Figuren, kein permanent lautes Geschrei und keine non-stop-action. Leider wurde auch am Inhalt gespart.
Erzählt wird die Schneewittchen-Geschichte – auf “etwas andere Art” (anders = witzig). Teilweise ist der Film witzig, er schwankt zwischen dem Witz einer Teenie-RomCom und dem Humor der Gebrüder Zucker, leider mit deutlichem Schwergewicht auf Ersterem.
Es gibt einige tolle Bilder, aber für meinen Geschmack wieder viel zuviel CGI. Wahrscheinlich sind nur die Schauspieler und Schauspielerinnen echt – meistens jedenfalls, der Rest stammt aus dem Rechner. Ich finde daran vor allem den exzessiven Gebrauch schade. Alles, was für Kinder in die Kinos kommt, besteht nur noch aus Computeranimation und 3D. Der Inhalt ist zur Nebensache verkommen.
5/10
Masked and Anonymus
USA 2003; Mit Bob Dylan, John Goodman, Jessica Lange, Jeff Bridges, Luke Wilson u.a. Regie: Larry Charles
Ich mag Filme, die “irgendwo im Nirgendwo” angesiedelt sind, an einem Ort, der zwar von unserer Welt zu sein scheint, der aber dank einiger Details ganz anders, fremd ist. Und die mit dieser Fremdheit umgehen, als wäre sie völlig normal. Blue Velvet ist so ein Film, auch der kaum bekannte Film Nothing Lasts forever von Tom Schiller oder das vergessene Tom-Hanks-Vehikel Joe vs the Volcano.
Masked and Anonymous spielt irgendwo in Amerika. Es herrscht ein Diktator, das Land blutet, eine Revolution braut sich zusammen. Nichts wird unternommen, diesen Ort (Nordamerika? Südamerika?) auf irgend einer bekannten Karte zu situieren.
Zwei abgehalfterte Showleute wollen ein Benefizkonzert auf die Beine stellen und brauchen dringend einen klingenden Namen. Protestsänger Jack Faith (Bob Dylan, der am Drehbuch mitgeschrieben hat) wird aus dem Gefängnis geholt und zum Star des Konzertes gemacht, das abgehalten wird, während der Diktator das Zeitliche segnet und die Revolution losbricht.
In ruhigen, kontemplativen Bildern erzählt Regisseur Larry Charles (der soeben mit The Dictator wieder im Kino vertreten ist) eine Geschichte, die immer statischer wird, je länger sie dauert.
Anfangs sass ich fasziniert davor – bis Bob Dylan, den ich bis dahin nie gehört hatte, zu “singen” anhub. Singen? Dieses amusikalische Gekrächze darf singen genannt werden?
Je länger der Film dauert, desto penetranter und unerträglicher entwickelt er sich zur Dyland-Egoshow, die von dessen Status als Protestsänger zehrt und diesen offenbar zementieren soll. Könnte Dylan tatsächlich singen, wäre der Film zwar nicht besser, aber besser erträglich geworden.
5/10