Tonfilm-Seitensprung: In einem kleinen Videoverleih…

Erstellt am 23. November 2011 von Michael

BE KIND REWIND
(dt.: Abgedreht)
USA 2008
Mit Jack Black, Mos Def, Danny Glover, Mia Farrow u.a.
Regie: Michel Gondry
Dauer: 97 min

Be kind, rewind – welch passender Name für einen VHS-Verleih! In einer Zeit, in welcher die grossen Studios die Filmprojektion in den Kinos zunehmend digitalisieren und statt Filmrollen Festplatten in die Lichtspielhäuser liefern, dreht Michel Gondry (The Science of Sleep) einen Film, in denen – wie altmodisch! – Videobänder im Zentrum stehen. Und, es kommt noch besser, in welchem die Protagonisten die Hollywood-Blockbuster billig nachdrehen und so dem zunehmenden Technozwang im Kino eine verschmitzte Absage erteilen.

Mike und Jerry sind Freunde. Eine von Jerrys verrückten Ideen (ein Protest-Anschlag auf das örtliche Elektrizitätswerk) führt zur Löschung sämtlicher VHS-Bänder in Mr. Fetchers Videothek, welche Mike während dessen Abwesenheit hütet. Von verärgerten Kunden bedrängt, sucht Mike verzweifelt nach einer rettenden Idee.

Jerry hat sie, und was als Notlösung geboren wurde, um den Moment zu retten, entwickelt sich unfassbarerweise zum durchschlagenden neuen Erfolgskonzept: Jerry und Mike drehen die gelöschten Filme nach. Billigst, mit fantasievoll zusammengebastelten Requisiten von Jerrys Wohn- und Arbeitsort, dem Schrottplatz.

Sukzessive entsteht so eine Videothek trashiger Neuversionen altbekannter Blockbuster. Was mit Ghostbusters beginnt weitet sich über Rush Hour 2 bis zu Driving Miss Daisy aus und macht auch vor Kubricks 2001 und Jacques Demys Les parapluies du Cherbourg nicht Halt.
Mit zunehmendem Erfolg baut man auch die Kundschaft als Protagonisten in die Filme ein, und so entsteht eine sich immer mehr ausweitende Kultgemeinde, die Mr. Fletchers Videothek zu überrollen droht.

Gondry, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, gelingt mit Be Kind Rewind nicht nur ein umwerfend lustiger Film, er liefert auch einen subtilen Kommentar zur Seelenlosigkeit der aktuellen amerikanischen Filmproduktion ab, indem er dem heutigen US-Kino entgegensetzt, was diesem fehlt: Spass, Freude und Engagement beim Machen. Selten kommt heute noch ein Film in die Kinos, dem derart deutlich anzusehen ist, mit wie viel Spass, Liebe und Engagement die Beteiligten zu Werke gegangen sind. Unnötig zu sagen, dass sich dies aufs Publikum überträgt. Man staunt und lacht gleichzeitig, wenn etwa die Sequenz im Gravitationsrad aus 2001 mit einer Waschmaschinentrommel und weissen Anzügen imitiert wird. Auch wenn man die von Mike und Jerry nachgedrehten Filme nie in den Originalversionen gesehen hat, tut das der Freude an Be Kind Rewind keinen Abbruch.

Aber nicht nur die Nachdreh-Sequenzen sind gelungen, auch die Handlung, die Dialoge, die schauspielerischen Leistungen überzeugen voll und ganz, auch der leicht trashige Look des Films und die verwackelte Kamera passen hervorragend ins Gesamtkonzept dieses unterschätzten Films, der sich zum Schluss aufschwingt zu einer fast manifesthaften Vision vom Rassen und Nationen einenden Volkskino.
Als man nämlich zuletzt einen vollkommen eigenständigen Film dreht, um damit den Baulöwen, die Mr. Fletchers Videothek abreissen wollen, ein Schnippchen zu schlagen, findet sich das halbe Quartier ein, um bei den Dreharbeiten mitzuhelfen, und das ganze, als der fertige Film vorgeführt wird. Es ist ein Film über Mr. Flechters Idol Fats Waller, zu dessen Geburtshaus die Videothek durch den Film erklärt werden soll. Die letzte Szene erklärt die Kunstform Film zum Sprachrohr des kleinen Mannes gegen die Mächtigen der Welt. Gegen die Baulöwen – und die in Hollywood ansässigen Zerstörer der Kinokultur.

Auch der seelenlose Machtapparat Hollywoods kriegt in Gondrys Film ein Gesicht – jenes von Sigourney Weaver (ausgerechnet!). Sie verkörpert in einem Cameoauftritt eine Plagiatsanwältin, welche die Kreativität Mikes und Jerrys buchstäblich plattwalzt.

Be Kind Rewind kann somit auch als Hommage an die Anfänge und Ursprünge des Kinos gelesen werden, wo Film noch Innovation und  Kreativität bedeutete und somit näher bei der Kunst als beim Kommerz lag. Damit macht er schmerzhaft deutlich, wie unendlich weit sich das US-Mainstreamkino von diesem Zustand entfernt hat.
9/10

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