Tonfilm-Seitensprung: Ein Hallodri wird zum Kinohelden

Erstellt am 12. Dezember 2011 von Michael

DER KAISER VON KALIFORNIEN
Deutschland 1936
Darsteller: Luis Trenker, Viktoria von Ballasko, Reinhold Pasch, Bernhard Minetti u.a.
Regie: Luis Trenker
Dauer: 97 min

Zum Ausklang der Aktion DÖS wollte ich hier eigentlich den ultimative DÖS-Film vorstellen: Dem allgemeinem Konsens gemäss ist Der Kaiser von Kalifornien eine deutsche Produktion in der ein Österreicher die Hauptrolle spielt, und zwar einen Schweizer. Das klingt gut – und ich freute mich schon darauf, diesen Lead zu verfassen. Im Zuge meiner Nachforschungen (Google & Co) stellte es sich allerdings als zweifelhaft heraus, ob Johann Jakob Suter, der im Zentrum besagten Films steht, tatsächlich Schweizer war.

Suter wurde im badischen Kandern, (immerhin: an der Grenze zur Schweiz) geboren, und lebte ca. 20 Jahre lang, bis 1834 in der Schweiz (in Rünenberg und in Burgdorf). Ob Suter allerdings tatsächlich eingebürgerter Schweizer war, ist unklar; er schwindelte sich durch sein Leben und wird sich wohl als Landsmann ausgegeben haben, wenn es ihm zupass kam.
Suter, den nicht wenige – besonders seine Gläubiger – als Lumpen und Halodri titulieren, flüchtete wegen eines Gesetzeskonflikts ins damals noch mexikanische Kalifornien, während er Frau und Kinder einfach der öffentlichen Fürsorge der Schweiz überliess. In Sacramanto liess er sich nieder und probte den Neuanfang. Durch gutes Gespür, Glück und geschicktes Taktieren konnte er sich dort ein riesiges Agrarimperium aufbauen und kam zu Wohlstand.

Die Schweizer sind immer besonders stolz, wenn es ein Sohn aus ihrem kleinen Ländchen zu Ruhm und Ehre gebracht hat – auch wenn der Patriotismus der Wahrheit ein wenig auf die Sprünge helfen muss. So wird Suter als Schweizer deklariert und sein Wirken als Kaiser von Kalifornien romantisch verklärt. Blaise Cendrars schrieb seine Lebensgeschichte im Roman Gold nieder, und Luis Trenker setzte ihm ein filmisches Denkmal. Beide bezeichnen ihn als Schweizer. Die amerikanische Verfilmung Sutter’s Gold von James Cruze, die im selben Jahr wie Trenkers Werk entstand, kenne ich leider nicht, auch nicht Sergej Eisensteins (nicht verfilmtes) Drehbuch gleichen Titels. In beiden Versionen erscheint Suter als Schweizer.
Ob Schweizer oder nicht – die Gemeinden Rünenberg und Kandern streiten offenbar bis heute drum, welches Land Suter nun als seinen Sohn bezeichnen darf -  „der General“ ist ein leuchtendes Beispiel, wie der Nationalstolz eine zwielichtige Figur zum Helden stilisieren kann. Weder in der Schweiz, in Deutschland noch in den USA werden Suters Missetaten  (Indianerhandel, Betrug und Schiebereien) diskutiert; er gilt jedem Land als „sein“ Held.
Vielleicht, weil man am Ende doch Mitleid hat mit dem Kerl, der vom Goldrausch überrollt wurde und alles verlor, weil die goldgierige Masse sein Land verwüstet hatte.

Trenkers Film ist der einzige, welchen Suter nicht als Schweizer zeichnet. Dass Trenker damit der Wahrheit am nächsten kommt, ist allerdings nicht das Resultat historischer Akkuratesse: Der Kaiser von Kalifornien gliedert seine Hauptfigur stillschweigend ein ins damals geplante grossdeutsche Reich.

Trenker zeigt Suter als vom Gesetz bedrängten Gutmenschen, der in Schwierigkeiten gerät, weil er aufrührerische Flugblätter gegen die Franzosen druckt. Deshalb flüchtet er nach Amerika, mit dem festen Vorsatz, Frau und Kinder nachfolgen zu lassen.
Sprunghaft zeigt der Film die Odysee Suters durch die Wüste; bis das „gelobte Land“ gefunden ist, durchlebt das Pioniergrüppchen um Johann Jakob Suter einige Rückschläge mit üblen Banditen und drohendem Wassermangel. Freundliche Indianer greifen helfend ein, man trifft auf verirrte Siedler, zuletzt kommt eine ganze Schar Menschen unter Suters Führung in Sacramento an, wo man sich sogleich an den Aufbau eines gelobten Landes macht.

Bilder von lächelnden, im Gleichtakt Korn schneidenden Menschen, dazwischen immer wieder eine Grossaufnahme ihres (An-)Führers – die Bilder erinnern stark an den sovjetischen Propagandafilm. Natürlich passten solche Passagen („wir bauen eine heile Welt von Wohlstand und Glück“) perfekt ins Konzept von Hitlers Nazi-Partei, die zur Entstehungszeit des Films mit ähnlichen Verheissungen immer mehr Terrain gewann. Trenkers frühere Filme, besonders Der Rebell, hatten mächtig Eindruck auf Hitler und Goebbels gemacht. Der Filmemacher wurde hoch gelobt und gehätschelt, seine Produktionen wurden protegiert. Zumindest zu Beginn.

Und somit sind wir beim Kern der Sache: Trenker, der Nazi, Suter als Propagandaheld.
Jedoch: So einfach ist die Sache nicht. Die erwähnte Passage ist die einzige, die heute sauer aufstösst. Und Trenker? Er trat zwar der Partei bei, doch er fand nicht alles gut, was die Nazis verlangten. So soll er zum Bespiel zum Ärger der Parteioberen für seine Filmproduktionen immer wieder Juden eingestellt haben. Obwohl er sich bemühte, die Machthaber nicht zu verärgern, wurde er von den Nazis als „deutschfeindlich“ bezeichnet und 1941 mit einem Berufsverbot belegt, weil er sich in verschiedenen Belangen nicht öffentlich auf ihre Linie einschwören mochte.
Trenker war offenbar eher ein Mitläufer denn ein militanter Nazi. Da schliesst sich der Kreis zu meinem ersten DÖS-Beitrag, Des Teufels General, der die Thematik des Mitläufertums während der Nazizeit behandelt. Obwohl Luis Trenker natürlich nicht derart radikal handelte wie der Fliegergeneral Harras, inneren Widerstand scheint er aber durchaus aufgebaut zu haben.

Der Kaiser von Kalifornien beweist, dass Trenker ein durchaus fähiger Regisseur war. Es gibt eindrückliche Sequenzen, Bilder, die sich einprägen – neben holpriger Erzählweise und fehlendem dramatischem Bogen. Wer sich nicht daran stört, dass hier ein halbseidener Charakter zum Helden gemacht wird, der bekommt einen deutschen Western zu sehen, der verblüffend authentisch wirkt – nicht nur weil er tatsächlich in den USA gedreht wurde – und der durch einige gelungene Sequenzen zu fesseln weiss.
6,5/10


Ein Beitrag im Rahmen der Aktion Zeit für DÖS.