Tonfilm-Seitensprung: Deutsche Vergangeheitsbewältigung 1955

Erstellt am 3. April 2011 von Michael

DES TEUFELS GENERAL
Deutschland 1955
Mit Curd Jürgens, Viktor de Kowa, Karl John, Marianne Koch u.a.
Regie: Helmut Käutner
Dauer: 117 min

Ich muss zugeben, bei der Betrachtung dieses Film von einem undefinierbar unguten Gefühl beschlichen worden zu sein. Es dauerte etwas, bis ich mir darüber klar wurde. Um es zu erklären, muss ich etwas ausholen.

Zunächst zum Inhalt: Im Mittelpunkt des Films, dem das gleichnamige, 1941 im amerikanischen Exil geschriebene Theaterwerk Carl Zuckmeyers zugrunde liegt, steht der Luftwaffengeneral Harras (Curd Jürgens), ein hoch dekorierter Veteran des ersten Weltkrieges, der wegen seiner Flugbegeisterung bei den Nazis Karriere gemacht hat, ohne der Partei anzugehören und ohne Sypathie für diese zu empfinden. Dieser Harras kommt nun in Bedrängnis, als eine Staffel neuer Flugzeuge Probleme bereitet; man spricht von Sabotage. Und da Harras für die Flugtauglichkeit verantwortlich ist, wird er, der aufgrund seiner losen Zunge eh’ unter (verdeckter) Beobachtung steht, für die Zwischenfälle verantwortlich gemacht.
Im Zuge des katastrophal verlaufenden Russlandfeldzugs zeichnet sich eine Schwächung der deutschen Truppen auf ihrem Vormarsch ab, die Parteioberen sind nervös, man reagiert empfindlich auf die Schlappe mit den versagenden Fliegern, von denen offenbar alles abhängt. Der SS-Offizier Schmidt-Lausitz (Viktor de Kowa) belauert den Lebemann Harras unter dem Vorwand, ihn ins SS-Corps holen zu wollen.

Als Harras bockt, wird er von der Gestapo inhaftiert und vierzehn Tage lang festgehalten, ohne zu erfahren, was gegen ihn vorliegt. Er wird verunsichert und psychischer Folter ausgesetzt. Danach wird ihm ein Ultimatum gesetzt: Entweder er findet den Saboteur, oder seine Tage im Corps (Klartext: nicht nur im Corps!) sind gezählt. Aufgrund der Ereignisse erkennt Harras langsam, dass er sich mit den Nazis auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen hat, der ihn nun den Kopf  zu kosten droht. Er entdeckt den Saboteur und erkennt, dass dieser aus Verzweiflung gehandelt hat – weil er herbeiführen wollte, dass die auch ihm verhassten Nazis den Krieg verlieren.

Die Ursache für mein eingangs beschriebenes „ungutes Gefühl“ lässt sich folgendermassen erklären: Der Film spielt im Milieu der Nazi-Bonzen. Es sind praktisch ausschliesslich die Partei-Oberen, die den Film tragen und bevölkern. Das ist für eine Nazi-Vergangenheitsbewältigung schon mal ungewöhnlich bis gewöhnungsbedürftig, denn der Terror traf damals ja vor allem die „normalen kleinen Bürger“ und er wurde „von oben“ ausgeübt. Die „da oben“ erscheinen im Film aber höchst gesittet, ja anständig. Kein saftig dargestelltes „Nazi-Schwein“ in diesem Film.

Mein „ungutes Gefühl“ kam daher, so erkannte ich im Nachhinein, dass ich mich so an die „Zelluloid-Nazischweine“ gewöhnt hatte, die in praktisch jedem mir bekannten Anti-Nazi-Film die Publikumsemotionen anheizen müssen, dass ich zunächst ratlos war und mich fragte, ob der Film nicht falsch verstanden werden könne. Es gibt auch keine Folterszenen mit sadistischen SS-Schlägern in diesem Film, keine Jagdsequenzen mit unschuldigen Opfern.
Da sind, ausgenommen der von Viktor de Kowa gespielte SS-Gruppenführer, eigentlich lauter ehrenhafte Männer zu sehen. Und auch der SS-Gruppenführer erscheint als gebildeter Mensch.

Bis ich es endlich begriff: Des Teufels General handelt vom inneren Widerstand. Vom Mittun gegen den eigenen Willen oder aus Gedankenlosigkeit. Von Retten der eigenen Haut in Zeiten des Terrors. Vom eigenen Gewissen und wie man davor bestehen kann. Ein universeller Film mit fortwährender Gültigkeit (dasselbe gilt natürlich auch für das Stück).

In der Schweiz galten „die Deutschen“ nach dem Krieg der Einfachheit halber alle als Nazis. Das ist eine Tatsache, sie wird hierzulande allerdings tabuisiert. Dass diese Deutschfeindlichkeit noch ins Heute nachwirkt, wird zwar jeder Schweizer bestreiten, dass es trotzdem so ist, mussten meine Kinder, deren Mutter Deutsche ist, vor zwei Jahren erleben: Sie wurden in der Schule gemieden, von Klassenkameraden mit Hitler-Liedern begrüsst, das Swastika-Symbol wurde als unser Familienwappen bezeichnet. Mit den Amerikanern verhält es sich ganz ähnlich. Während der Besetzung und ganz besonders während der „Entnazifizierungs-Prozesse“ galt jeder Deutsche als Täter, als Nazi. Des Teufels General zeigt uns ein realistischeres Bild, das man mit etwas gesundem Menschenverstand als richtig erkennt. Was hatten die Menschen damals denn für eine Wahl, als zu tun, was man ihnen unter Androhung der Enteignung befahl? Die Wenigsten entschieden sich für Widerstand, für das Geradestehen vor dem eigenen Gewissen – das wäre heute ganz genauso!

Wenn Des Teufels General heute also eine Aktualität hat, dann die, dass er das Bild, das man im Ausland von „den Deutschen“ und „der Nazizeit“ hatte und noch immer hat, ins Lot zurechtrücken und differenzieren kann. Man muss als Zuschauer allerdings bereit sein, von all den Klischee-Nazis der Filmgeschichte Abstand zu nehmen und sich auf etwas ganz Anderes einzulassen.
8/10


Ein Beitrag im Rahmen der Aktion Zeit für DÖS.
Der Film ist bei Kinowelt erschienen und bei amazon erhältlich.