AUS DER TIEFE DES RAUMES
Deutschland 2004
Mit Arndt Schwering-Sohnrey, Eckhard Preuss, Mira Bartuschek, Christoph Maria Herbst u.a.
Regie: Gil Mehmert
Deutschland, die 60er-Jahre: Das Steckenpferd des jungen Mechanikers Hans-Günter heisst Tipp-Kick. Sein Traum: Die regionale Tipp-Kick-Meisterschaft zu gewinnen. Während des Turniers schliesst er Bekanntschaft mit der Fotografin Marion, landet bei ihr zu Hause, und dort passiert’s: Sein selbstgebasteltes Tipp-Kick-Männchen landet zusammen mit einem eingeschalteten Haartrockner und Fotochemikalien in der vollen Badewanne. Das kriegen Hans-Günter und Marion allerdings nicht mit, denn sie sind gerade im Schlafzimmer zugange, als es passiert. Danach ist das Männchen unauffindbar.
Nur das Kinopublikum weiss zunächst, dass die „Ursuppe“ in der Badewanne das Männchen in einen ausgewachsenen Menschen mit rotem Druckknopf auf dem Kopf verwandelt hat.
Wie Frankensteins Monster wankt „Nummer 10″, wie er mangels Namen zunächst genannt wird, durch die Stadt (später nennt er sich Hans-Günter, nach seinem „Vater“, danach nur noch Günter und zuletzt… nein, das soll hier nicht verraten werden).
Dann wird er von seinen Erzeuger entdeckt, worauf dessen Leben gehörig durcheinandergerüttelt wird.
Aus der Tiefe des Raums hätte leicht zur peinlichen Farce werden können. Doch Theatermann Gil Mehmert, der für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, wusste das Beste aus seinem verrückten Stoff zu machen. Mit grösstmöglichem Understatement wird die Story aufgetischt, als handle es sich um eine griechische Tragödie – oder einen Film von Aki Kaurismäki.
Der Humor bleibt leise, verhalten, versteckt sich oft im Hintergrund, in der Inszenierung, in den Bildern. Die Story ist zwar höherer Blödsinn, sie wird aber von allen Beteiligten jederzeit ernst genommen. Und genau deshalb funktioniert dieser Film, der einen sehr schnell völlig in seinen Bann zieht.
Eckhard Preuss als Fleisch gewordener Tipp-Kicker stiehlt dabei dem Rest der ausgezeichneten Besetzung die Schau, nicht nur dank der wunderbar albernen Perücken, die er für den Film tragen darf. Er spielt seinen Part mit derselben stoischen Mine und ähnlicher alienhafter Fremdheit die man von Buster Keaton kennt.
Aus der Tiefe des Raumes ist Gil Mehmerts bislang einziger Kinofilm geblieben – er ist ein echter Geheimtipp. Als Vorbereitung zu diesem dreht Mehmert 2001 fürs Fernsehen Aki Kaurismäkis I Hired A Contract Killer nach, ebenfalls mit Eckhard Preuss in der Rolle von Jean-Pierre Léaud, der dort ja ebenfalls an Buster Keaton gemahnte.
Mehmert macht vorwiegend Theater und inszeniert neben klassischen Theaterstücken Bühnenfasungen von Filmen, ebenso Musicals und Opern.
Den Film habe er gemacht, weil der Stoff nicht auf die Bühne gepasst hätte, sagt er. Hoffentlich findet er bald wieder so einen!
7,5/10
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