Veröffentlicht am 27. Februar 2014 | von Christoph Stachowetz
Wertung
Summary: Gelungener Reboot mit herausragender Optik und Soundkulisse. Aber: Wenig eigene Ideen, auch die Story birgt wenig Inspiration
4
Action
Das Jahr ist noch recht jung, doch schon steht das erste große AAA-Remake, zurückbesinnend natürlich wie das Original benannt, in den Regalen: Tomb Raider. (Update: PS4 Version getestet)
Lara Crofts Videospielvergangenheit ist recht turbulent: Als Videospielheldin fast synonym für den Umgang der Branche mit weiblichen Protagonisten, konnte die (übrigens nur per Zufall) üppig ausgestattete Archäologin vor allem in Ihren ersten Abenteuern die Massen begeistern. Doch wie so oft wurde im Laufe der Jahre an der Action-Adventure-Formel der von Eidos Interactive ins Leben gerufen Serie gebastelt und experimentiert, was die Fachpresse und Spieler immer weniger begeistern konnte. Mehr Moves, etwas aufgehübschte Optik, aber größtenteils unverändertes Gameplay war das Motto – bis schließlich Angel of Darkness erschien und sich selbst mit einer neuen Stealth-Mechanik und haufenweise Designfehlern ins Abseits stellte.
Nach einem Entwicklerwechsel zu Crystal Dynamics, die bereits mit Titeln wie Gex oder der Legacy of Kain-Serie Erfolge feiern konnten, wurde das Konzept Tomb Raider überdacht und überzeugte Fans und Kritiker mit Tomb Raider: Legend auf Anhieb hin dank neuer Grafik-Engine und überarbeiteter Steuerung bzw. Spielmechanik. Vielleicht auch nicht unwesentlich: Die Proportionen von Frau Croft wurden nun auf ein realistisches und weniger sexistisch anmutendes Maß zurückgefahren. Zwei weitere, weit weniger umsatzstarke Ableger (Tomb Raider: Anniversary und Tomb Raider: Underworld) sollte es schließlich dauern, bis erneut ein Reboot der Serie unternommen wurde. Mit Tomb Raider erscheint nun – erneut unter der Federführung von Crystal Dynamics – der mittlerweile elfte Teil der Serie und verspricht viel Neues bei gleichzeitiger Bewahrung der Grundidee.
Kenner von Reboots und Remakes in den Bereichen Film und Videospiele werden schon bei der Betitelung vermuten, dass es sich natürlich ausschließlich nur um ein Prequel handeln kann – die Verlockung für Entwickler und Marketingabteilung dürfte zu groß gewesen sein. Und so startet der Spieler mit einer komplett runderneuerten, überraschenderweise auch unerfahrenen Lara Croft in ein neues, chronologisch gesehen erstes Abenteuer: Ein Schiffbruch lässt ein Expeditionsteam recht unsanft auf einer exotische Insel nahe Japan stranden, die zufällig auch Ziel der Forschung nach der legendären Zivilisation „Yamatai“ ist. Auf der Suche nach ihren Teammitgliedern gerät das junge Indiana Jones-Derivat nicht nur mit aggressiven Inselbewohnern aneinander, sondern auch im Zuge der Inselerkundung mit der Flora und Fauna, Tier- und der japanischen Sagenwelt.
Mit einer überaus ansprechenden, actionorientierten und sehr cineastischen Inszenierung, die sich auch im direkten Vergleich mit Genregrößen wie Uncharted (zur Kritik von Teil 3) nicht verstecken muss, erlebt der Spieler den Werdegang der hübschen Britin zur Überlebenskämpferin. Dabei beeindruckt vor allem die umwerfende Optik: Ob nun die dynamische Lichtsetzung einer Fackel in einer düstern Höhle, der Lense-Flair-Effekte beim Blick in die Sonne oder die grandiosen Animationen von Lara Croft selbst – Tomb Raider überzeugt auf ganzer Linie. Auch die Soundkulisse vermag so sehr zu überzeugen, das man schon mal unweigerlich aus dem eigenen Fenster blicken muss, um sicher zu gehen, dass ein starkes Gewitter mit Blitz und Donner doch nur im Spiel aufgezogen ist. Die verschiedenen Gameplay-Elemente – Erkunden via Kletterpartien, intensive Schusswechsel und Jagen mit Stealth-Optionen – wurden gekonnt miteinander verbunden und funktionieren hervorragend im wechselnden Zusammenspiel.
Weniger überzeugend ist allerdings die etwas zu einfach gestrickte Story, die wenig mehr als ein Aneinanderreihen verschiedener “go-there-then-do-that” Momente ist. Das titelgebenden Rauben verborgener Schätze in Gräbern wird übrigens nur in Form einiger optionaler Sidequests beigemischt, was Hardcore-Fans vermutlich wenig zusagen dürfte. Als besonders anstrengend entpuppt sich auch die Vertonung der Protagonistin: Würde die neue Lara Croft und Uncharteds Nathan Drake jemals in einem Cross-Over gemeinsam auftreten – ein nichtsahnender Zuseher im Nebenraum würde wohl auf die Idee kommen, es handle sich dabei um einen besonders engagiert gespielten Softporno. Noch selten hörte ein Spieler vermutlich so viel Geschnaufe, Stöhnen und Ächtzen wie in Tomb Raider; fast kein Moment vergeht, in dem man nicht konstant der Erschöpfung Crofts bei jeder noch so kleinen Handlung lautstark beiwohnen muss – was bei der 12-15 Stunden umfassenden Kampagne doch nerven kann.
Tomb Raider ist in seinem Grundkonzept eine Mischung aus Versatzstücken anderer Genrevertreter, was an sich kein Indikator für ein Misslingen des Endproduktes darstellt – aber auch nicht unbedingt zu großen Begeisterungssprüngen verleitet. Natürlich ist die Einbindung verschiedenster – vor allem das Gameplay betreffender – Elemente nicht automatisch ein Grund zu klagen: Die Orientierung an hervorragend funktionierenden Spielprinzipien zeugt teilweise sogar von der Vernunft der Gamedesigner, sich von Erfolgskonzepten leiten zu lassen, verweist aber auch auf deren mangelnde Inspiration oder Offenheit Neuem gegenüber.
Ein wenig Far Cry 3 hier (das Jagen, Setting und große Teile der Story, hier zur Kritik), ein wenig Arkham City da (die Stealth-Methodik, zur Kritik), darüber eine übermäßige Prise Uncharted (die cineastische Präsentation samt Feuergefechten und Kletter-Einlagen) sowie ein etwas halbherziger, fast unnötiger Multiplayermodus – und schon ist eine erfolgversprechende Spielschablone für ein Triple-A-Action-Adventure fertiggestellt. Aber wie jüngst etwa Sleeping Dogs (zur Kritik) gezeigt hat, kann eine solche Videospiel-Melange, auch wenn eigenständige Idee spärlich gesät sind, überaus gut funktionieren; im Falle des Tomb Raider-Reboots bzw. -Prequels ist dies glücklicherweise auch in fast allen Belangen der Fall.
Update zur PS4-Version (Tomb Raider: Definitive Edition):
Nicht einmal ein Jahr ist es her, dass Tomb Raider auf den Markt gekommen ist. Doch im Zuge des Releases der Next-Gen Konsolen wird auch hier nun eine verbesserte Version angeboten. Gehen die Erweiterungen der Definitive Edition über ein Update der Grafik hinaus?
Die wohl größten grafischen Veränderungen der Definitive Edition gegenüber der PC-Version stellen die leichte Umgestaltung von Laras Gesicht und die Beleuchtung dar. Croft glänzt dieses Mal mit größeren Augen und veränderten Kieferkonturen, darüber hinaus verfügt sie über mehr Gesichtsausdrücke und Animationen. Auch die im Vorfeld viel angepriesene Haarpracht hat es durch den Release der Definitive Edition endlich auch auf Konsolen geschafft. Die verbesserte Beleuchtung macht sich vor allem in leicht unter Wasser stehenden Höhlen bemerkbar: Licht wird stärker von nassen Oberflächen reflektiert und die Fackel von Lara flackert realistischer und erzeugt mehr Rauch.
Von den grafischen Verbesserungen abgesehen, findet man in der Definitive Edition dasselbe Spiel vor. Inkludiert sind alle DLCs – mehr Outfits, Karten für den Multiplayer-Modus und eine weitere Tomb zum Erkunden. Die PS4-Version bietet Remote-Play, macht Gebrauch von dem Licht und dem Speaker des Controllers, darüber hinaus kann der Spieler nun per Sprachkommando Waffen wechseln, pausieren oder die Karte aufrufen.
Einige Next-Gen Merkmale:
• Verbesserte Grafik
(Texturen 4x höher aufgelöst, Shader und Beleuchtung überarbeitet, 1080p-Auflösung)
• Mehr Gesichtsanimationen, neues Modell von Lara
• Voice Control
• Enthält alle DLC-Inhalte
• Enthält digitale Versionen des Dark Horse-Comicbuchs und des Artbooks
Unser Fazit:
Die Definitive Edition bietet im Großen und Ganzen dasselbe Spielerlebnis wie schon vor einem Jahr. Jene Erweiterungen, die über eine Veränderung der Grafik hinausgehen, werden von den meisten Spielern wahrscheinlich nicht oder nur selten genützt werden. Wer das Spiel noch nicht besitzt, ist mit der Tomb Raider: Definitive Edition gut versorgt, ansonsten sollte man wohl auf eine Preissenkung warten oder sein Geld in den nächsten Teil der Serie investieren. (Anna Pigl)
Plattform: PS3 (Version getestet), Xbox 360, PS4 (Version getestet), Xbox One, PC, Spieler: 1, 2-10 (online),
Altersfreigabe (PEGI): 18 , Release: 05.03.2013, 31.01.2014 (PS3, Xbox One), www.tombraider.com
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Über den Autor
Christoph Stachowetz Aufgabenbereich selbst definiert als: Chief of Operations. Findet “Niemand ist so uninteressant wie ein Mensch ohne Interesse” (Browne) interessant.