Tomatenliebe

Stimme der Vernunft: “Dieses Jahr säst du nicht wieder zu viel an. Du weisst ja noch, wie das letztes Jahr war…”

Ich: “Versprochen. Diesmal halte ich mich zurück. Nur ein paar Samen von jeder Sorte.”

Stimme der Vernunft: “Wie viele Sorten hast du denn?”

Ich: “Hmmmm, lass mich nachdenken. Da wären mal die ‘Gelbe von Thun’, ‘Legend’, ‘San Marzano’, ‘Purpurkalebasse’, ‘Auriga’, ‘Saucey’, Baselbieter Röteli’…”

Stimme der Vernunft: “Und das willst du alles ansäen?”

Ich: “Halt, nicht so schnell, ich bin noch nicht fertig. Ich habe noch ‘Weisse Ochsenherz’, ‘Milchperle’, ‘Tigrella’, Shipped Roman’, wobei ich bei der nicht sicher bin, ob die noch keimt. Dann noch die ‘birnenförmige Gelbe’, aber die kann ich erst Ende Monat ansäen und dann noch…”

Stimme der Vernunft: “Wenn ich richtig mitgezählt habe, sind wir jetzt bei zwölf Sorten und so, wie ich dich kenne, hast du mir noch einige verschwiegen. Nehmen wir mal an, es gibt pro Sorte eine Pflanze, dann wäre dein Garten bereits voll. Du hast aber bereits sehr viel mehr als bloss einen Samen pro Sorte angesät.”

Ich: “Wer ist denn so blöd, nur einen einzigen Samen zu säen? Man weiss ja nie, ob daraus auch etwas wird. Aber mach dir keine Sorgen: Ich ziehe dann nur die Schönsten und Stärksten an. Die anderen schmeisse ich weg.”

Stimme der Vernunft (seufzt tief und schüttelt den Kopf): “Wir werden dann ja sehen…”

Eine Woche später, die Keimlinge sind prächtig gediehen

Ich: “So, ich fange mal an mit Pikieren…”

Stimme der Vernunft: “Denk dran: Nicht mehr Setzlinge, als dein Garten fassen kann…”

Ich: “Einige mehr müssen es schon sein. Für den Fall, dass etwas abserbelt.”

Stimme der Vernunft: “Okay, drei pro Sorte. Mehr nicht.”

Ich: “Ich werd’s versuchen.”

Ich mache mich an die Arbeit, die Stimme der Vernunft beobachtet mich schweigend. Ich fange mit der “Gelben von Thun” an.

Ich: “Oh, du bist aber schön geraten. Dich nehme ich. Hmmm, du siehst auch nicht schlecht aus. Und dich nehme ich auch. Ach, du Armes, du bist so klein und zart. Dir muss ich unbedingt eine Chance geben. Ich kann dich doch nicht einfach dem Komposthaufen überlassen. Und du, mein Kleines, du möchtest doch sicher auch…”

Stimme der Vernunft: “Das sind aber schon mehr als drei. Und wie war das nochmals mit ‘nur die Schönsten und Stärksten’?”

Ich: “Aber ich kann doch nicht so sein. Schau dir mal das hier an. So hübsch und zart. Komm, meine Süsse, da ist noch ein freier Platz in der Pikierschale…Oh, und du, du bist ja ganz toll gewachsen…”

Zehn Minuten später haben 24 Keimlinge der “Gelben von Thun” einen festen Platz in der Pikierschale ergattert und ich mache mich mit der “Legend” zu schaffen. 

Stimme der Vernunft: “Und was hast du jetzt mit diesen 24 potentiellen ‘Gelben von Thun’ vor?”

Ich: “Na ja, alle werden wohl nicht überleben…”

Stimme der Vernunft: “Bei der Pflege, die du den Kleinen angedeihen lässt, wird ganz bestimmt mehr als die Hälfte überleben. Und was soll mit denen geschehen?”

Ich: “Also, mindestens zwei kommen in meinen Garten, dann verschenke ich vielleicht noch einige und für die anderen muss ich halt noch etwas Platz schaffen…Vielleicht muss dann auch das eine oder andere Pflänzchen sein Leben lassen.”

Stimme der Vernunft: “Oh ja, ich sehe dich schon vor mir, wie du unter Tränen eines deiner kostbaren Pflänzchen zum Komposthaufen trägst. Wo du es schon nicht übers Herz bringst, einen Keimling zu töten…”

Ich: “Vielleicht finde ich bis Mitte Mai noch einen Weg, meinen Garten zu vergrössern. Dann findet bestimmt jedes Pflänzchen seinen Platz.”

Stimme der Vernunft: “Klingt nicht allzu vernünftig…”

Ich: “Die Vernunft ist ja auch nicht mein Business sondern deines. Und überhaupt, wer kann denn schon Vernunft walten lassen, wenn es um Tomatenpflanzen geht?”

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