Tomas Bannerhed – Die Raben

Tomas Bannerhed – Die Raben

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Klas liebt Vögel. Stundenlang kann er sich mit ihnen befassen, sei es lesend, durch sein Fernglas schauend, oder einfach nur lauschend und im Moor stehend. Das Moor ist seine Heimat: in den 1970er Jahren wächst Klas in Småland auf, auf dem Hof seines Vaters, der schon vom Groß- und vom Urgroßvater beackert wurde. Dass Klas sehr gute Noten in der Schule erzielt, ist dem Vater nicht wichtig. Dass der Junge sich scheinbar konstant bewusst vor harter körperlicher Arbeit drückt, um Schulaufgaben zu machen oder irgendwelche Vögel zu beobachten, ist dem Vater ein Dorn im Auge. Und dabei, so findet Klas auf seinen Streifzügen durch den Wald und in Gesprächen in der Bibliothek heraus, muss sein Vater ihm in vielerlei Hinsicht einmal ganz ähnlich gewesen sein: der Klassenbeste im Kopfrechnen und ein Träumer und Streuner, der auf einer einsamen, kaum zugänglichen Lichtung seine Initialen hinterlassen hat. Doch diese Zeiten sind lange vorbei.
Das liegt nicht nur an der zweifellos harten Arbeit, die der Vater in den Hof hat stecken müssen. Der Mann verfällt auch mit jedem Tag mehr dem Wahnsinn. Von der Vorstellung besessen, dass die Arbeit auf dem Hof nie zur Ruhe kommt, dass sie sich im Gegenteil täglich höher häuft, wird er der Familie gegenüber aufbrausend und unberechenbar. Aus dem ehelichen Schlafzimmer zieht er in den Heizungskeller; nachts glüht die Familie in sengender Hitze, weil der Vater zwanghaft prüfen muss, ob die Systeme noch funktionieren. Als er nicht mehr genutzte Geräte verschrotten will um so mehr Ordnung auf dem Hof zu schaffen, beginnt der Vater bereits nach kurzer Zeit, mehr und mehr Schrott aus der Umgebung zu sammeln und ihn lediglich aufzutürmen. Den wachsenden Schrotthaufen empfindet Klas als Symbol des väterlichen Wahnsinns und dementsprechend verhasst ist ihm das Gebilde.
Geschürt wird sein Unbehagen noch durch die Furcht, vielleicht selbst vom Wahnsinn gezeichnet zu sein; schließlich war auch der Großvater schon bekannt dafür gewesen. Klas sorgt sich - er nässt ins Bett, eine Tatsache, die er versucht, vor allen geheim zu halten, und nachts schnürt ihm die Angst vor einem schwarzen Auge an der Decke über seinem Bett die Kehle zu. Hin und her gerissen zwischen Wut, Mitleid und grenzenloser Panik, versucht Klas eigentlich nur, sein Ding zu machen und dabei doch der still leidenden Mutter zu helfen. Doch als die langen Sommerferien anbrechen und er sich nicht mehr täglich vom Hof und in die Schule flüchten kann, beginnt für ihn eine schwierige Zeit. Meistens versucht er, sich davonzumachen und neben den familiären Krisen zeichnet Tomas Bannerhed auch ein umfassendes Bild einer Jugend auf dem schwedischen Moor in den 70er Jahren. 
Bannerhed verwebt gekonnt Familienepisoden mit Klas' Bestreben, Anschluss bei dem Nachbarsjungen zu finden, obwohl er den eigentlich nicht sehr helle findet, und seinen ersten zarten Versuchen, einem Mädchen zu gefallen. Jede Figur, so begrenzt ihr Anteil an der Geschichte auch sein mag, ist glaubwürdig und gut durchdacht. Einige Charaktere verleihen der jeweiligen Szene Komik ohne sie ins Alberne zu ziehen und erlauben so ein gewisses Durchatmen bevor Klas nach Haus zurückkehrt und auf seinen Vater trifft. Dieser gekonnte Balance-Akt macht Die Raben zu einem langsamen, hochtraurigen und sehr lesenswerten Coming-of-Age-Roman, der bis zum Schluss nicht langweilig wird. 
Lieblingssatz: "Du musst dich selbst an den Haaren herausziehen, kein anderer wird es für dich tun."
Ich danke dem btb-Verlag für die Bereitstellung des Rezensions-Exemplars.

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