Tom Fontana: Er lässt die Borgias morden und huren

Tom Fontana: Er lässt die Borgias morden und huren

Der vierte Teil der Serie Borgia endete spektakulär: mit einer angedeuteten Vergewaltigungsszene.  Papst-Sohn Cesare wird von den verfeindeten Colonna festgehalten, ihm wird die Hose heruntergerissen und schließlich Gewalt angetan. 4,59 Millionen Zuschauer sahen zu. Das ist zwar immer noch eine ordentliche Einschaltquote, aber deutlich weniger als zum Auftakt der Serie, als 6,21 Millionen Zuschauer einschalteten. News.de sprach mit dem Drehbuchautor Tom Fontana.

Was hat Sie als Amerikaner für diese europäische Geschichte der Borgia begeistert?

Tom Fontana: Die Trennung zwischen Amerika und Europa verschwimmt ja. Durch das Internet gibt es eine globale Community, durch die Wirtschaftskrise haben wir einen globalen Schmerz. Ich glaube, das ist eine ähnliche Situation wie damals in der Zeit der Borgia. Nur dass die globale Community und das globale Unternehmen die katholische Kirche war. Wenn du ein Problem hast, guckst du meist wie andere, vielleicht auch in einer anderen Zeit, ihre Probleme gelöst haben. Das ist der Grund, warum ich mich für Borgia interessiere.

Sex, Gewalt und Bigotterie: War’s früher wirklich so brutal?

Fontana: Das Meiste in Borgia ist historisch korrekt. Ich habe 300 Bücher über die Sippe gelesen. Das ist so ähnlich wie bei der Serie Oz, die ich gemacht habe und die sich an echten Geschehnissen in Gefängnissen orientiert. Wenn man die Ereignisse verdichtet und in Dramaform zeigt, scheint das, was passiert, unmöglich zu sein. Aber nein, so war es tatsächlich.

Für Oz haben Sie viele Auszeichnungen bekommen, unter anderem drei Emmys. Was macht gutes Fernsehen aus?

Fontana: Gutes Fernsehen ist ehrliches Fernsehen. Es versucht, die Wahrheit über eine Situation zu schildern, es reflektiert die Zeit, in der wir leben. Für eine Fernsehserie ist es wichtig, ein Thema zu haben, das dir einen Grund gibt, diese Sendung anzuschauen. Besonders wichtig sind starke Charaktere. Die Handlung ist zweitrangig. Es gibt nur so und so viele mögliche Handlungen, aber eine unendliche Zahl an menschlichen Individuen.

Haben Sie an John Doman gedacht, als Sie Rodrigo Borgia entwickelt haben?

Fontana: Nein, denn so schreibe ich eigentlich nicht. Es ist gefährlich, wenn du da sitzt und sagst: «Ich schreibe diese Figur für Jack Nicholson.» Du hast eine Chance von eins zu einer Milliarde, ihn dann später in deinem Film zu haben. Es macht die Figur weniger originell, wenn du immer schon weißt, wie ein Schauspieler das spielen würde. Eigentlich wollten wir für Rodrigo Borgia einen Europäer casten. Es war allerdings keiner dabei, den wir absolut unersetzbar fanden. In Gesprächen mit den Produzenten bin ich dann auf John Doman gekommen und alle sagten: «Ah, der von The Wire»- und waren begeistert.

Kannten Sie den deutschen Regisseur Oliver Hirschbiegel, der bei den ersten beiden Folgen Regie geführt hat, vorher?

Fontana: Ich kannte ihn vorher nicht. Wir haben uns zum Abendessen in Paris getroffen und sofort großartig verstanden. Wir haben über das Drehbuch, die Sets, das Casting gesprochen und hatten sofort einen guten Draht zueinander. Ich hatte schon Der Untergang gesehen und er kannte Oz. Wir waren voneinander begeistert. Das ist besser, als wenn nur einer denkt: Mann, ist der Typ großartig (lacht).

Ist die Serie so geworden, wie Sie sie sich vorgestellt haben?

Fontana: Lassen Sie es mich so formulieren: Ich bin Katholik, von Jesuiten erzogen, pingelig und vom Sternzeichen Jungfrau – für mich ist es unmöglich, Perfektion zu erreichen. Ich denke immer, dass etwas besser sein könnte, alles bleibt irgendwie unfertig. Wenn ich mir Serien anschaue, die ich vor 20 Jahren gemacht habe, denke ich: «Ah, ich weiß jetzt, wie ich das besser machen könnte!» Ich finde, bei Borgia haben wir eine außergewöhnliche Schauspielerriege, talentiert, mutig, alle haben wirklich alles gegeben. Oliver und die anderen Regisseure waren großartig. Also ja, die Serie ist so gut geworden, wie ich es mir erhofft habe, aber sie könnte dennoch besser sein. (lacht)

Könnte es eine zweite und dritte Staffel von Borgia geben?

Fontana: Oder auch eine vierte und fünfte. Das Gute an einem historischen Stoff ist doch, dass es die Geschichte schon gibt. Es gibt so viel wunderbares Material, aus dem wir definitiv eine zweite und dritte Staffel machen können. Das ist aber wie immer von den Einschaltquoten abhängig.

Sie haben die Serie auch in die USA verkauft. Wäre es auch möglich, Borgia in Hollywood zu drehen?

Fontana: Nein, wir haben in Prag gedreht und es waren so viele großartige Europäer in die Entstehung dieser Serie involviert. Kostüme, Perücke und Make up wurden von Italienern gemacht Das Set von Deutschen gebaut. Wenn die Show gut ist, dann hat das auf jeden Fall mit der gemeinschaftlichen Anstrengung verschiedenster Länder zu tun. Wenn wir es nach Hollywood bringen, würde es abflachen. Und ganz neben bei kann ich Hollywood nicht leiden. Ich lebe in New York.

Aber Sie haben schon in Hollywood gearbeitet.

Fontana: Ja, ich habe sechs Jahre lang immer wieder mal in Hollywood gelebt und meine erste TV-Serie St. Elsewhere dort gedreht.

In Deutschland war sie als Chefarzt Dr. Westphall bekannt.

Fontana: Es wurde auch eine deutsche Version gemacht. Die hieß Schwarzwaldklinik und basierte teilweise auf St. Elsewhere. Ich habe nie Geld dafür gekriegt. (lacht)

Was ist denn so schlecht an Hollywood?

Fontana: Es kann leicht passieren, dass du dort ausgenutzt wirst. Oder hineingezogen wirst in diesen Lifestyle, wo es wichtig ist, welches Auto du fährst und in welcher Nachbarschaft du wohnst, wo deine Kinder zur Schule gehen. Alles wird wichtiger als das Wesentliche: gemeinschaftlich zu arbeiten. Das ist eine schlimme Verallgemeinerung, aber für mich stimmte sie. Ich wurde jemand, der ich nicht sein wollte. Sie gaben mir all dieses Geld und die Auszeichnungen, also habe ich irgendwann auch gedacht: «Ich muss brillant sein». Dann habe ich realisiert, dass ich mich davon nicht definieren lassen darf.

Sie haben 300 Bücher über die Borgia gelesen. Gab es bei der Vorbereitung der Serie auch andere Themen, über die Sie sich unterhalten konnten?

Fontana: (lacht laut) Ja, meine nächste Show spielt in New York während des Bürgerkriegs. Jetzt rede ich ständig über den Bürgerkrieg. (lacht weiter) Wir haben jetzt eine richtige Bandbreite an Themen. Das 15. oder das 18. Jahrhundert.

Aber ist Ihre Frau von so was genervt?

Fontana: Unglücklicherweise bin ich jetzt geschieden. Sie hat es nicht mehr ausgehalten. (lacht)

Filmen Sie jetzt nur noch historische Stoffe?

Fontana: Nein, aber ich liebe dieses historische Zeug. Wenn du eine Szene schreibst, die in der Jetztzeit spielt und eine Figur ist wütend auf die andere, holen sie ihre Blackberrys raus und schreiben sich das in einer Nachricht. Das ist eine schreckliche Szene. Früher bei den Borgia musste man auf ein Pferd steigen, durch die Stadt reiten, an der Tür klopfen und schreien. Das war einfach viel dramatischer. Ich schreibe liebendgern Drehbücher, in denen keine Technologie vorkommt.

Tom Fontana (60) ist einer der bekanntesten Autoren für Fernsehserien in den USA. Aus seiner Feder stammen unter anderem die Serien Homicide: Life in the Street, The Jury oder St. Elsewhere. Für die Gefängnisserie Oz bekam er allein drei Emmy-Awards, Tom Fontana besitzt keinen Computer und schreibt alle Drehbücher per Hand.

Die Teile 5 und 6 der Serie Borgia werden am Mittwoch, 26. Oktober 2011, und am Donnerstag, 27. Oktober 2011, jeweils ab 20.15 Uhr im ZDF gezeigt.

Wer die Teile 1 bis 4 verpasst hat, wird in unserer Bilderstrecke über die bisherige Handlung informiert.

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