© Paramount Pictures Germany GmbH / Jack Reacher (Tom Cruise, rechts) scheut nicht den Faustkampf.
Als Geheimagent in der „Mission: Impossible“-Reihe ist Tom Cruise nur wenig leise, sprengt mit allen Regeln des Bombastkinos seine Tarnung immer wieder in die Luft. Nun ist er als ehemaliger Militärpolizist unterwegs und hält sich geschmeidig mit der Action zurück, darf den schlagkräftigen Schnüffler in der Lee Child Romanverfilmung „Jack Reacher“ mimen. Beruhend auf dem Titel „One Shot“, in Deutschland als „Sniper“ veröffentlicht, ist es der neunte Band der insgesamt inzwischen 17 Bücher umfassenden Serie. Der letzte Teil – „A Wanted Man“ – ist jüngst am 11. September 2012 in den USA erschienen. Kritiker tadelten den Film bereits im Vorfeld für die Wahl des Hauptdarstellers, kann dieser doch visuell nicht mit der Größe des Roman-Reachers mithalten (1,96m gegen die 1,70m von Tom Cruise). Child selbst soll aber gesagt haben, dass die Körpergröße Jack Reachers nur eine Metapher für eine unaufhaltsame Wucht von einem Mann wäre und Cruise dies auf seine ganz eigene Art verkörpern würde.
Und das macht er zumindest in den Szenen, in denen er seine Fäuste spielen lassen darf. Grund hierfür ist ein Massaker auf den Straßen einer Kleinstadt in Indiana. Fünf Menschen werden kaltblütig erschossen und alle Beweise sprechen ohne Zweifel gegen den ehemaligen Armee-Scharfschützen James Barr (Joseph Sikora). Doch während des Verhörs, bei dem er ein Geständnis unterzeichnen soll, schreibt er die Worte „Holt Jack Reacher“ auf das Papier. Doch Jack Reacher holt man nicht, man wird von ihm gefunden. So staunen Staatsanwalt Rodin (Richard Jenkins) und Detective Emerson (David Oyelowo) nicht schlecht, als der zynische und unberechenbare Ex-Ermittler des Militärs auf einmal bei ihnen auf der Matte steht. Er ermittelt gemeinsam mit der Anwältin Helen Rodin (Rosamund Pike), Tochter des Staatsanwalts, und deckt dabei schon bald ein größeres Komplott auf, bei dem der ehemalige sowjetische Gefangene „The Zec“ (Werner Herzog) seine Finger im Spiel hat.
Jack Reacher (Tom Cruise) mit Anwältin Helen Rodin (Rosamund Pike)
Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Freut man sich etwa nicht auf Tom Cruise, sondern auf den deutschen Regisseur, der hier in der Bösewicht-Rolle auftaucht, so genügt es, etwa fünf Minuten des Films zu sehen. Damit hat es sich dann auch schon mit dem Auftritt Herzogs. Dafür sind es schöne Minuten, in denen der Filmemacher mit Glasauge als Monster erscheint, das sich in der Kriegsgefangenschaft einst selbst die Finger abnagte um zu überleben. Seinen gescheiterten Helfeshelfern bietet er eine Chance nach einem vermasselten Job dann doch noch ihr Leben zu erhalten, wenn sie sich ebenfalls auf diese Art ihrer Finger entledigen. Doch immer wieder beendet der Kopfschuss dieses Schauspiel, sehr zur Enttäuschung für The Zec, der darin Schwäche erkennt. Auch sonst bleibt für die Nebenfiguren, gespielt von Rosamund Pike, Richard Jenkins oder Robert Duvall nur wenig Zeit, denn Tom Cruise steht hier – mal wieder – voll im Fokus. Der Superstar möchte die Leinwand beherrschen und darf das auch, immerhin wird das schon im Vorspann deutlich gemacht: A Tom Cruise Production.
Dieser spielt sich unterhaltsam durch die Handlung, ist dabei selbst das vorantreibende Mittel. Jack Reacher hält die Antwort zu jeder Frage parat, er löst jedes Rätsel, behält jede Kleinigkeit in seinem scheinbar tadellosen Gedächtnis. Das strengt dann zeitweise durchaus an, wenn der Plot sich nur fortentwickelt, weil Tom Cruise es so möchte. Ein wenig mehr Zurückhaltung hätte ihm an dieser Stelle sicherlich nicht weh getan. Darüber hinaus darf man sich aber über einen Darsteller freuen, der sich relativ actionarm durch die Geschichte spielt, nur stellenweise einige Adrenalinschübe verteilt. Viel eher kann er als Inkarnation eines modernen Sherlock Holmes gesehen werden: er sieht, kombiniert, schlägt dann aber auch schon mal zu. Und an Benedict Cumberbatch kommt er damit noch lange nicht heran.
Werner Herzog ist The Zec
„Jack Reacher“ bietet trotzdem klassische Agentenelemente: Ein Mord der aufgedeckt werden soll, ein Ermittler der zur Zielscheibe des gegnerischen Lagers wird und aufkommendes Misstrauen in den eigenen Reihen. Denn sowohl Detective Emerson als auch Staatsanwalt Rodin erscheinen Reacher wie zwielichtige Gestalten, die trotz ihrer jeweiligen Positionen nicht unbedingt eine reine Weste vorzuweisen haben müssen. Die Action beschränkt sich auf Kleinigkeiten: Eine Kneipenschlägerei, eine Autoverfolgung, ein Überfall mit Baseball-Schlägern – da hat Tom Cruise schon ärgere Notsituationen überstanden. Aber jegliche Explosion wäre hier auch deplatziert, würde die Ruhe im wahrsten Sinne des Wortes sprengen, mit der Regisseur Christopher McQuarrie („The Way of the Gun“) – auch für die Drehbuchumsetzung verantwortlich – hier Lee Childs Romanfigur zum Leben erweckt hat.
Das darf McQuarrie dann bei seinem vermutlich nächsten Projekt austesten, wird er doch als Regisseur für „Mission: Impossible 5“ gehandelt, wo er dann mit reichlich Tammtamm und erneut Tom Cruise drehen darf. Hier aber bekommt man als Zuschauer erst einmal einen soliden Aufklärungsthriller geboten, bei dem der Fokus eben stark auf Tom Cruise liegt, die Hintergründe, die Bösen, die Motive eher im Hintergrund gelassen werden. Es macht dennoch Spaß Herrn Cruise beim anstrengungslosen kombinieren zuzusehen.
Denis Sasse
“Jack Reacher“
Originaltitel: Jack Reacher
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 130 Minuten
Regie: Christopher McQuarrie
Darsteller: Tom Cruise, Rosamund Pike, Richard Jenkins, David Oyelowo, Werner Herzog, Jai Courtney, Joseph Sikora, Robert Duvall, Alexia Fast
Deutschlandstart: 3. Januar 2013
Offizielle Homepage: jackreacher.de