Tom Cribb (2)

Von Betker

10.12.1810 trafen Cribb und Molineaux in Shenington Hollow, Oxfordshire das erste Mal aufeinander. In Molineauxs Ecke stand Bill Richmond, der 1805 nur knapp gegen Cribb verloren hatte. Die Boxfans und wohl auch Cribb erwarteten einen Kampf, der nicht lange dauern sollte. Aber hier hatten sie den US-Amerikaner unterschätzt. Dieser war ein starker und intelligenter Boxer. Es kam zu einer Ringschlacht, in der beide Boxer viele schwere und harte Treffer nehmen mussten. In der 19ten Runde entstand eine Pattsituation, die in einen Tumult mündete. Molineaux und Cribb hielten sich gegenseitig in einem Ringergriff, was zu jener Zeit, den Regeln entsprach. Keiner von beiden konnte den anderen schlagen und keiner sich konnte sich aus dem Griff des anderen befreien.
Der Ringrichter war mit der Situation überfordert – auch damals gab es schlechte Ringrichter. Er konnte sich nicht dazu durchringen, die beiden Kämpfer zu trennen. Die unzufriedenen Zuschauer drückten in den Ring hinein. Dabei verletzte Molineaux sich die linke Hand. Später gab es noch einen Disput darüber, ob Cribb sich rechtzeitig nach einer Rundenpause von 30 Sekunden wieder zum Kampf gestellt hatte. Wenn ein Boxer sich damals nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeit zum Kampf stellte, hatte er verloren. Aber auch hier zeigte sich der Ringrichter als nicht souverän. Nach der 34ten Runde wollte Molineaux nicht mehr antreten, aber sein Sekundant Richmond überredeten ihn, sich wieder zu stellen. In Runde 35 ging er dann KO. Cribb wurde durch diesen Sieg zum englischen Meister, was gleich bedeutend mit Weltmeister war. – Offiziell gab es noch keine Weltmeisterschaft und auch keine britischen Meisterschaften. Denn offiziell war auch das Boxen, was noch mit bloßer Faust gemacht wurde, verboten.
1811 trat Cribb wieder gegen Molineaux an. Der Kampf fand in Thistleton Gap in Lancashire vor einer großen Menschenmenge statt. Diesmal unterschätzte Cribb seinen Gegner nicht. Er war sogar vorher nach Schottland gereist, um sich neun Wochen auf den Kampf vorzubereiten. Das gute Leben in London hatte ihn fett und kurzatmig gemacht. Er begann mit langen Spaziergängen und steigerte dann sein Pensum. Er verzichtete auch auf Alkohol, was ihm besonders schwer gefallen sein soll. Sichtbar leichter und austrainierter trat er an. 15.000 Zuschauer waren gekommen, um das zweite Aufeinandertreffen der beiden großen Boxer zu sehen. Der Kampf war, für damalige Zeit sehr kurz – dafür aber brutal. Molineaux dominierte die ersten Runden. Cribb blutete aus Nase und Mund und seine Augen waren geschwollen. Danach verlegte er sich darauf, zum Körper zu gehen. In der neunten Runde traf er Molineaux mit einer Linken am Kiefer, die diesen brach und den Amerikaner zu Boden schickte. Molineaux schaffte es nicht früh genug wieder hoch zu kommen, doch Cribb erlaubte es, dass der Kampf weiter geführt wurde. In der 11. Runde ging Molineaux endgültig KO.
Nach dem Kampf trennten sich die Wege von Molineaux und seinem Trainer Bill Richmond. Molineaux starb bereits 1815 mit 34 Jahren in bitterer Armut an Leberzirrhose.
Cribb bestritt in den folgenden Jahren sowohl einige Kämpfe als auch Schaukämpfe. Gerade die Schaukämpfe fanden vor den „Reichen und Schönen” der Zeit statt. Viele Adlige waren Förderer des Boxsports in England. Am 19.07.1821 wurde George IV in Westminster Abbey zum König gekrönt. 18 der führenden Boxer der Zeit waren durch den König ausgesucht worden, als Diener und Pagen dabei zu sein. Unter ihnen befand sich auch Tom Cribb.
1822 zog sich Cribb vom Boxsport zück. Er wurde erst Kohlenhändler. Danach machte er einen Pub, dass „Kings Arms”, auf, den er aber bald schon wieder aufgab. Später, nämlich 1820, eröffnete er das „Union Arms“, dass heutige „Tom Cribb“. Das Union Arms, oder auch „Cribbs´s Parlour“ genannt, wurde ein Treffpunkt für Boxer und Aristokraten. Die Gegend rund um den Pub, war eine Hochburg des Boxens im 19ten Jahrhundert. Die Wände der Gaststätte waren, im Geschmack der Zeit, dicht mit vielen Bildern behängt, vorwiegend Portraits und Szenen aus dem Sport.
Cribb gab 1838/39 den Pub, wohl aufgrund finanzieller Probleme, auf und zog zu einem seiner Söhne, William Frederick Cribb. Er starb am 11.05.1848 mit 68 Jahren. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: “The actions still there but the steams all gone.” Er wurde auf dem Friedhof von St. Mary`s Church in Woolwich, in den Dockland von London beigesetzt. Zu seinen Ehren wurde ein großer steinerner Löwe aufgestellt, der auch heute noch zu sehen ist.
Cribb war einer von Englands gefeiertsten Champions. Er war es, der das das Boxen im Rückwärtsgang, das „milling on the retreat“ zu einer akzeptierten Kampfform machte. Einige behaupten sogar, dass er der Erfinder des Trainingslagers ist. Er wurde 1991 in die International Boxing Hall of Fame aufgenommen.
Das „Tom Cribb“ ist ein ausgesprochen angenehmer und ruhiger Pub. Hier kann man bei einem schönen Pinte Ale überlegen, ob man nicht am nächsten Tag in die National Portrait Gallery geht, um sich dort das sehr schöne Molineaux Portrait von George MacDonald Fraser anzusehen.
© Uwe Betker