Tollkühne Männer in fliegende Kisten (1)

Erstellt am 23. April 2011 von Andramas

Dass sich der preußische Adler in die Potsdamer Lüfte erheben könne, befand Siebzehnhundertnochwas ein gewisser Melchior Bauer aus Lehnitzsch bei Altenburg in Thüringen.

Zuvor lebte Melchior Bauer  sehr fromm und verbrachte viel freie Zeit mit dem Studium der Bibel. Aus dort geschriebenen Texten schloss er, dass es des Menschen Bestimmung sei, Herrscher über die drei Elemente Erde, Wasser und Luft zu sein.

“… Solten denn die dummen Flügen, Mücken, und Heuschrecken, einen ewigen Vorzug, vor vernünftigen Menschen und Kindern Gottes haben? Sind denn die Menschen nicht so viel werth, als die Raben, Gänse, Schwane, und Störche? Solten denn mit Gottes Hülfe, dem Menschen solche Dinge nicht auch möchlich seyn, so wohl als über das Wasser zu fahren? Denn gleich wie uns Gott Instrumente gegeben hat, über das Wasser zu fahren, also kan er uns auch Instrumente geben, in der Luft zu gehen… “

Der Erfinder wandte sich eines Tages an den preußischen König Friedrich den II. und bat ihn, auf den Bergen um das Bornstedter Feld Gleitversuche mit einer selbstkonstruierten Flugmaschine unternehmen zu dürfen. Was der Preußische Geheime Kriegsrat mit einer grob gehaltenen Absage quittierte.

Heute können wir wissen, dass Bauers Konstruktion (zusammen mit den um 1716 vom schwedischen Gelehrten Emanuel Swedenborg entworfenen Gleitflugzeug) zu den wenigen sehr beachtenswerten Flugzeug-Projekten des 18. Jahrhunderts gehört, in denen – und das war seinerzeit neu – starre Tragflächen für die Auftriebsbildung vorgeschlagen sind.

So entwickelte Melchior Bauer, der im Übrigen keinerlei Vorbildung in Konstruktionsfragen besaß, schon 125 Jahre vor Otto Lilienthal Techniken, die heute zu Grundkomponente moderner Flugzeuge sind. In Gestalt starrer V-förmige Flügel.

Melchior Bauer vereinte in seiner Konstruktion als erster Mensch das Drachen- mit dem Motorenprinzip.

Später, 1767, schickte er eine Handschrift auch noch an Graf Heinrich XI. von Reuß-Greiz, der aber weder das Skript zurücksandte noch dessen Eingang registrierte. So verschwand Bauers Schrift in den Greizer Archiven und kam – seltenes Glück! – 1921 im Archiv des Oberen Schlosses von Greiz zufällig zum Vorschein.

Melchior Bauer – enttäuscht von Adel und Herrlichkeit – verließ 1770 seinen Heimatort Lehnitzsch mit unbekanntem Ziel. Vielleicht gelang es ihm tatsächlich einen Sponsor zu finden – wir wissen es nicht.

Wahrscheinlich ist er bereits gestorben, wie viele seiner Zeitgenossen auch.


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