Tokyo und seine tausend Gesichter

Während unserer Japan-Rundreise letztes Jahr verbrachten wir 14 Tage in Tōkyō. Obwohl fast jeder Tag mit Aktivitäten vollgestopft war, konnten wir wahrscheinlich nur einen Bruchteil dessen erleben, was die Metropole zu bieten hat.

Mit ihren über 9 Millionen Einwohnern ist die Stadt nicht nur überwältigend riesig, sondern für uns aus der „Kleinstadt“ Hannover vor allem auch verwirrend. Ich muss sagen, dass die Stadt mich während meines gesamten Aufenthalts verwirrt hat. Und sogar jetzt beim Rekapitulieren unserer Erlebnisse habe ich das Gefühl, Tōkyō nur unzureichend zu kennen.

Tokyo – die verwirrende Großstadt, die keine ist

Vielleicht mag das auch daran liegen, dass es rein administrativ gar keine Stadt Tōkyō gibt. Denn die einstige Stadt Tokyo wurde 1943 aufgelöst. An ihrer Stelle stehen jetzt die 23 Bezirke Tōkyōs, die jeweils eigenständig sind. So kommt es auch, dass Tōkyō nicht wie eine Stadt funktioniert, wie wir es aus Europa gewöhnt sind. Jeder der 23 Bezirke ist quasi eine eigene Stadt mit eigenen Besonderheiten und wiederum verschiedenen Stadtteilen. Es gibt in Tōkyō nicht die eine Innenstadt oder die eine Fußgängerzone, es gibt gefühlte Hundert!

Wir verbrachten die ersten zwei Wochen unserer insgesamt zwei Monate langen Japan-Rundreise in Tōkyō. Wir waren also teilweise noch recht benebelt vom Jetlag. Außerdem war gerade noch alles so fremd und neu für uns, wir mussten uns in das Land erstmal hineinfinden. Irgendwann hatten wir uns an den Rhythmus der Sprache gewöhnt, an die für uns nichtssagenden Schriftzeichen und an die vielen weiteren Andersheiten von Japan und seinen Bewohnern. Doch während unserer Anfangszeit in Tōkyō hatten wir das noch nicht.

Und auch die enorme Größe von Tokyo ist nicht zu unterschätzen. Wir sind immer gerne zu Fuß in einer Stadt unterwegs, da wir so das Gefühl haben, sie besser für uns erschließen und entdecken zu können. Aber in Tōkyō ist das schlicht nicht machbar. Alleine von unserer als zentrumsnah gepriesenen Unterkunft haben wir mit der U-Bahn eine Dreiviertelstunde bis in die zentralen Bezirke gebraucht. Wenn wir in der Stadt Fahrten mit der U-Bahn sparen wollten und dachten „die eine Station können wir auch laufen“, waren wir auch mal eine halbe Stunde unterwegs.

Das alles machte unseren Aufenthalt in Tōkyō nicht weniger verwirrend.

Doch obwohl wir es nie richtig geschafft haben, Tōkyō als Ganzes zu erfassen, konnten wir sehr viele Eindrücke aus den verschiedenen Bezirken und Stadtteilen mitnehmen.

Das schrille Tokyo: Shibuya 渋谷区

Shibuya ist das Tōkyō, wie wir es uns vorgestellt haben: Bunt, schrill, laut und voll. Die Shibuya-Kreuzung direkt vor dem Bahnhof gilt als die größte Kreuzung der Welt. Während einer Grünphase bekommen die vielen Fußgänger aus allen Richtungen gleichzeitig grün und wuseln so kreuz und quer über die Straße.

Direkt hinter der Shibuya-Kreuzung beginnt die Fußgängerzone, die die Kreuzung in Punkto Wuseligkeit nochmals toppt. Hier befinden sich 10-stöckige Läden von gefühlt sämtlichen Modeketten der Welt. Aus jedem Laden dröhnt ein anderer J-Pop-Mix quer über die ganze Straße. An den Hochhäusern hängen Leinwände, auf denen weitere Songs inklusive Video gezeigt werden. Lastwagen mit zusätzlichen Werbe-Leinwänden fahren durch die Straßen. In Shibuya habe ich gelernt, was Reizüberflutung wirklich bedeutet; nicht nur für das Kleinkind, sondern auch für uns Eltern.

(In meinem Beitrag zu musikalischen Reiseerinnerungen habe ich ein Video verlinkt, wie sich ein Fußmarsch durch Shibuya ungefähr anhört.)

Shibuya kann aber auch ruhiger.

An der Station Harajuku liegt der Yoyogi-Park, der fast vollständig aus Wald besteht. Inmitten des Yoyogi kōen befindet sich der Meiji-jingū, einer der größten und wichtigsten Schreine Tokyos.

Die Shibuya-Kreuzung aus dem Bahnhof Shibuya aus gesehen

Die Shibuya-Kreuzung aus dem Bahnhof Shibuya aus gesehen

Tokyo und seine tausend Gesichter

Tradition und Moderne schließen sich in Tōkyō nicht aus – der Eingang zum Yoyogi Park

im Yoyogi-Park

im Yoyogi-Park

Meiji-jingū

Meiji-jingū

Das formelle Tokyo: Shinjuku 新宿区

In Shinjuku befindet sich der Verwaltungssitz der Präfektur Tokyo.

In ganz Tokyo stehen zwar generell viele Hochhäuser, doch in Shinkuju ist dies nochmal besonders auffällig. Hier ist die höchste Hochhausdichte Japans.

Besonders spannend fanden wir das Rathaus mit seinen Aussichtsetagen. Im Nord- und im Südturm befindet sich die kostenlose Aussichtsetage jeweils im 45. Stock und bietet einen tollen Blick auf das Hochhäusermeer in Shinjuku. Bei klarer Sicht lässt sich sogar der Fuji erahnen.

Ein weiteres Highlight ist der Bahnhof Shinjuku. Der Bahnhof in Shinjuku ist der größte Bahnhof in Japan und eine Meisterleisung an Verwirrung. Ich habe eine Dreiviertelstunde gebraucht, bis ich den richtigen Ausgang gefunden habe. Die unterirdischen Wege erstrecken sich teilweise kilometerweit. Im Bahnhof integriert sind außerdem gleich mehrere Kaufhäuser mit ihren riesigen Lebensmittelabteilungen.

Rathaus Shinjuku

Rathaus Shinjuku

Die Wolkenkratzer von Shinjuku. Der Mode Gakuen Cocoon Tower (Mitte) beinhaltet u. A. eine Modeschule.

Die Wolkenkratzer von Shinjuku. Der Mode Gakuen Cocoon Tower (Mitte) beinhaltet u. A. eine Modeschule.

Der Blick aus dem Rathaus Shinjuku

Blick aus dem Rathaus Shinjuku auf das unendliche Tōkyō

Das grüne Tokyo: Ueno 上野

Ein wunderbare Oase mitten in der Stadt ist der Stadtteil Ueno im Bezirk Taitō. Ein Großteil des Stadtteils besteht aus dem Ueno Park. Dort befinden sich verschiedene Kunstmuseen und auch die Universität der Künste.  Aber auch ohne die Museen zu besuchen, konnten wir den künstlerischen Flair im Ueno-Park erleben. Auf der Hauptallee, die durch den Park führt, ist viel los. Wir sahen einen Clownakrobaten und wurden wenige Meter weiter von einem Karikaturenzeichner angesprochen, der uns ein Bild von uns schenkte.

Auch der älteste Zoo Japans, der Ueno Zoo, liegt mitten im Ueno Park. Der Zoo beherbergt für seine recht kleine Grundfläche eine erstaunliche Anzahl an verschiedenen (exotischen) Tierarten, so dass teilweise einzelne Tiere in kleinen Käfigen in Häusern untergebracht sind.

Ein Teil des Sees Shinobazu gehört noch zum Zoo. Der restliche Teil des Sees lädt aber zum Entspannen und Verweilen ein. Im weitläufigen Gebiet des Ueno Zoos konnten wir wunderbar die hektische Großstadt um uns herum vergessen.

Hauptallee im Ueno Park

Hauptallee im Ueno Park

Ausblick auf die Allee im Ueno Park

Ausblick auf die Allee im Ueno Park

Gebäude im Ueno Park

Gebäude im Ueno Park

das kaiserliche Tokyo: Chiyoda 千代田区

Der Tennō (der Kaiser von Japan) wohnt im Kōkyo im Bezirk Chiyoda. Der Kaiserliche Palast befindet sich in der Nähe des Bahnhofs Tōkyō inmitten einer Hochhauslandschaft aus Büros, Banken und Ämtern. Der Palast ist an sich kaum zu sehen, denn er steht inmitten einer weitläufigen Parkanlage, die für Besucher weitgehend gesperrt ist.

So wanderten wir einmal komplett um den Graben, der das Gelände des Kōkyo abgrenzt, ab und konnten immer wieder neue Anblicke auf das kaiserliche Domizil erhaschen.

Öffentlich zugänglich sind jedoch die Östlichen Gärten, die wir besuchten. Es war unser erster richtiger Tag in Tokyo. Die Umrundung des Geländes und der anschließende Besuch der Östlichen Gärten waren ein guter Einstieg in die japanische Kultur. Die Östlichen Gärten bestehen aus verschiedenen Teilen. Eine weiträumige Rasenfläche, gefolgt von einer Wiese mit kleinen Obstbäumchen. Ein Stück weiter kam ein kurzer Waldabschnitt. Und natürlich mangelte es in den Gärten nicht an typisch japanischen Gebäuden.

Die Niju-bashi Brücke mit dem Kōkyo im HIntergrund

Die Niju-bashi Brücke mit dem Kōkyo im HIntergrund

EIn Teil des Grabens um den Kaiserlichen Palast

Ein Teil des Grabens um den Kaiserlichen Palast

... und noch mehr Graben um den Kaiserlichen Palast

… und noch mehr Graben um den Kaiserlichen Palast

Gebäude in den Östlichen Gärten

Gebäude in den Östlichen Gärten

das künstliche Tokyo: Odaiba お台場

Odaiba ist eine künstliche Insel, die zum Bezirk Minato gehört.

In Odaiba entdeckten wir das VenusFort, ein riesiges Shopping Center im italienischen Stil. Das VenusFort ist komplett einem Sommerabend in einer italienischen Altstadt nachempfunden: Schummerige Sonnenuntergangs-Beleuchtung, Piazzas mit Springbrunnen und romantische italienische Musik. Die Shops sehen aus wie kleine venezianische Häuser mit Balkonen. Hach, wir fühlten uns sofort nach Europa zurückversetzt.

Aber auch viele andere Bauwerke in Odaiba und Minato sind „abgeguckt“. Auf Obaiba haben wir die Freiheitsstatue gesehen. Die Rainbow Bridge, die Obaiba mit mit Tokyo verbindet, ähnelt der Golden Gate Bridge sehr. Und auch der Tokyo Tower in Minato sieht aus wie der Eiffelturm in rot-weiß – ist aber 10 Meter höher.

Blick auf Minato, irgendwo auf dem Weg nach Odaiba

Blick auf Tōkyō, irgendwo auf dem Weg nach Odaiba

Von außen nicht so spektakulär wie von innen: Der VenusFort mit dem Riesenrad

Von Außen nicht so spektakulär wie von Innen: Der VenusFort mit dem Riesenrad

Blick auf die Rainbow Bridge von Odaiba

Blick auf die Rainbow Bridge von Odaiba

Die japnische Antwort auf Freiheitsstatue und Golden Gate Bridge

Die japnische Antwort auf Freiheitsstatue und Golden Gate Bridge

Einmal Eiffelturm rot-weiß, bitte! Der Tōkyō Tower

Einmal Eiffelturm rot-weiß, bitte! Der Tōkyō Tower

der Shopping-Tempel: Asakusa 浅草

Im strömenden Regen erkundeten wir den Stadtteil Asakusa im Bezirk Taitō. Die Hauptattraktion von Asakusa ist der Sensō-ji, der bedeutendste buddhistische Tempel Tōkyōs. Zum Sensō-ji führt eine Fußgängerzone, die von kleinen Souvenir-Ständen gesäumt ist. Wir liefen diese lange Meile entlang, und gelangten direkt zum Tempel und zum Asakusa Schrein, der etwas abseits steht.

Generell scheint Shopping wichtig für die Japaner zu sein. Nicht nur in Tōkyō, sondern überall im Land sahen wir Shoppingstraßen vor wichtigen Tempeln, Schreinen oder sonstigen Sehenswürdigkeiten.

Wie ein Besuch im Sensō-ji genau abläuft, ist nicht ganz klar. Da der Regen immer stärker wurde, haben wir uns damit begnügt, das Innenleben des Tempels zu betrachten.

Eine weitere Shopping-Straße in Asakusa ist die Kappabashi. Auf dieser Straße befinden sich allerdings keine Modeketten oder Shoppingmalls. Hier gibt es alles rund ums Essen. Von normalem Küchenbedarf über Messerläden mit den größten und schärfsten Messern, die ich je gesehen habe, bis zum Plastikessen, wie es in Restaurants ausgestellt wird, ist alles vertreten. Mein Freund als Hobbykoch hätte wohl am Liebsten die halbe Straße leer gekauft.

Sensō-ji im Regen

Sensō-ji im Regen

Tokyo – mein Fazit

Tōkyō ist eine Stadt mit vielen Gesichtern. In zwei Wochen konnten wir einige Eindrücke aus der Stadt gewinnen, dennoch ist unser Bild von Tōkyō weiterhin unvollständig. Wer alle Facetten der Stadt in Ruhe erkunden möchte, sollte sich wahrscheinlich mindestens einen Monat Zeit nehmen.

So vielfältig wie die Stadt ist, sind auch die Impressionen, die die Besucher aus ihr mitnehmen.

Trotz der anfänglichen Verwirrtheit haben wir uns in Tōkyō sehr wohl gefühlt. Die Stadt ist auch mit einem Kleinkind im Schlepptau gut zu bewältigen.

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Mit dieser Stadt mit T nehme ich an dem Bloggerprojekt Stadt, Land, Fluss – die XXL-Runde von Sabine teil.

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