Kurz vor Weihnachten, während Kälte und Schnee Boston fest im Griff haben, bekommen es Rizzoli & Isles mit zwei aufsehenerregenden und kniffligen Fällen zu tun.
In einem Kloster wurde eine Nonne umgebracht, eine andere lebensbedrohlich verletzt. Zur gleichen Zeit wird eine weitere Leiche in einem verlassenen Haus gefunden. Ihr wurden nicht nur Hände und Füße entfernt, sondern auch das Gesicht abgezogen. Maura Isles steht vor einem Rätsel und versucht herauszufinden, warum die Frau so entstellt wurde. Doch damit nicht genug, auch das Privatleben der beiden, sehr verschiedenen Frauen, steht vollkommen Kopf. Während Jane mit ihren Gefühlen für FBI Agent Dean umzugehen versucht, taucht vor Mauras Haustür nach drei Jahren Funkstille, ihr Exmann wieder auf.
Besonders Maura, die in "Die Chirurgin" gar nicht und in "Der Meister" nur nebensächlich auf der Buchbühne erschienen ist, wird hier nun endlich mehr in den Fokus gerückt und bekommt mehr als nur einen Namen, sie bekommt ein Gesicht und wird somit zur weiteren Identifikationsmöglichkeit für den Leser. Da mir Jane als Figur bisher zwar gefallen hat, mich aber nicht ganz abholen konnte, war ich umso überraschter, wie sehr mir hingegen Maura als Figur zusagt. Die stilsichere, immer makellos aussehende Frau, die ganz für die Toten lebt und scheinbar kühl wirkt, hat auch eine versteckte, sehr weiche und gefühlvolle Seite, die durch das Einbringen ihres Exmannes in die Geschichte sehr gut herausgearbeitet wird. Da die Abschnitte über Maura den meisten Platz des Schmökers für sich einnehmen, ist sie der eigentliche Star in diesem Band.
Obwohl Jane hier folglich nur sehr wenig eingebracht wird, ist es der Autorin aber trotzdem auf sehr überzeugende Weise gelungen, diese, jeweils sehr kurzen und knappen Kapitel über sie, mit viel Inhalt und Aussage zu füllen. So lernen wir hier ihre Familie genauer kennen und entdecken, dass auch Rizzoli eine sehr zerbrechliche Seite hat - was ihr Sympathiepunkte sichern kann. Insgesamt wirken die beiden Hauptcharaktere auf den ersten Blick sehr gleich, alsbald merkt man aber, dass sie durch ganz eigene Gedanken und Wünsche umgetrieben werden, mit denen sie auf sehr unterschiedlichen Weisen umzugehen versuchen. Während Jane durchweg versucht auf Distanz zu bleiben und ihre Gefühle zu verbergen, ist Maura ein sehr offener und warmherziger Charakter. So kommt es wohl schließlich auch dazu, dass sich die beiden Frauen in "Todsünde" erstmals aufeinander zu bewegen und sich die Züge einer Vertrautheit herauskristalisieren, die hoffentlich in den Folgebänden noch genauer ausgearbeitet wird. So bekommt man hier erstmals einen Ausblick auf Rizzoli und Isles als Team - dieser Ausblick macht Lust auf mehr.
Inhaltlich haben die beiden geschilderten Mordfälle definitv Potential mitgebracht. Dieses Potential konnte jedoch nicht ganz ausgeschöpft werden. Wurde in "Die Chirurgin" und "Der Meister" der Spannungsbogen noch durch die Gedanken- und Handlungsausschnitte des Täters geschürt, hat man hier, bis zu den letzten Seiten überhaupt keine Chance ein Bild oder auch eine Ahnung über ihn zu entwickeln. Dabei ist es gerade auch dieser Faktor, der einen Thriller oder auch einen Krimi für mich ausmacht: Die Chance, neben den Ermittlern zu stehen und aktiv mit rätseln und -raten zu können, wer oder was sich hinter diesen grausamen Morden verbirgt. Diese Chance wird in "Todsünde" leider nicht geboten, weshalb das Ende viel zu schnell kommt und schwer annehmbar ist.
Aber das wohl größte Manko hier, ist der Klappentext, denn dieser hat ausgerechnet die letzte vorhandene, eingebaute Spannung von Tess Gerittsen, bereits im Keim erstickt. All die schockierenden und überraschenden Autopsieergebnisse, über die jeweiligen Leichen, welche die Handlung in ganz entscheidende Richtungen lenken, werden in der Inhaltsbeschreibung bereits aufgegriffen, weshalb man bis weit über die Hälfte des Werkes hinaus, nichts Neues oder auch Interessantes erfahren kann. Deshalb: Bitte, lest euch diesen Klappentext nicht durch und lasst euch einfach von der Geschichte überraschen, denn gerade dann, entdeckt ihr das sehr gründlich und sauber gespannte Spannungsnetz der Autorin, welches vielleicht nicht so brutal und reißerisch ist, wie noch in Band Nummer eins und zwei, aber definitiv für den ein oder anderen Aha-Moment sorgen kann.
Insgesamt hat man mit "Todsünde" einen soliden dritten Band der Rizzoli und Isles - Reihe zwischen den Fingern, der besonders durch seine Charakter lebendig und für den Leser interessant wird. Diesmal in der Hauptrolle: die facettenreiche und gefühlvolle Maura Isles, die nur dafür zu leben scheint, den Toten ihr Recht auf Gerechtigkeit zu gewähren und die nun endlich, genau wie Jane, zur Hauptfigur der Geschichte herausgearbeitet wird. Die Story an sich ist im Großen und Ganzen mit Potential versehen, jedoch fehlt es dem Werk an den meisten Stellen an Spannung, was in Großteilen auch dem zu ausführlichen Klappentext geschuldet ist. Hätte es mir nicht so viel Spaß bereitet, Maura und auch Jane bei den Ermittlungen zu begleiten, hätte das Werk definitiv schlechter abgeschnitten. Fans der Figuren, werden hier auf ihre Kosten kommen, Thrillerliebhaber hingegen, müssen in diesem Schmöker ihre Geduld schulen.
persönlich, mäßig spannend, insgesamt solide
Blanvalet | Taschenbuch | Mai 2006 | 416 Seiten | € 9,99 | "The Sinner" |
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