TOC Wege zur Bewertung von Managemententscheidungen [2]

Von Juergenkanz @JuergenKanz
In meinem letzten Beitrag [3] hatte ich meinen Leserinnen und Lesern abschließend eine Frage gestellt:

Handelt es sich hier um eine Verbesserung
für das gesamte Unternehmen? 

Um diese Frage unter Berücksichtigung der globalen Kennzahlen (T, I & OE) zwecks einer finanziellen Wirksamkeitsanalyse von geplanten Vorschlägen beantworten zu können, sind für jeden Vorschlag fünf Fragen zu beantworten:

  1. Was hält das Unternehmen davon ab, mehr Durchsatz (T) zu erzeugen?
  2. Wird sich der gesamte Durchsatz (T) des Unternehmens verändern? 
  3. Werden sich die Betriebskosten (OE) des Unternehmens verändern? 
  4. Wird sich die Höhe der Investitionen (I) des Unternehmens verändern?
  5. Was ist der reale wirtschaftliche Effekt nach Umsetzung des Vorschlags?
Beantworten wir nun die 5 Fragen für das Szenario 1 aus dem letzten Beitrag [3]:

1. Was hält das Unternehmen davon ab, mehr Durchsatz (T) zu erzeugen?
  • Bitte beachten: Diese Frage wird üblicherweise in Umgebungen in denen es nur um Kostensenkung geht, erst gar nicht gestellt!
  • Der strategische Kontrollpunkt im Prozess ist die Arbeitstation 102. Das Unternehmen könnte 4.622 Stück/Jahr produzieren (124.800 min / 27 min). Der Bedarf liegt jedoch bei lediglich 3.500 Stück im Jahr.
  • Es wird unter Beibehaltung aller anderen Parameter kein zusätzlicher Durchsatz (T) erzeugt.  
 2. Wird sich der gesamte Durchsatz (T) des Unternehmens verändern? 
  • Nein, der Vorschlag des Mitarbeiters hat keinen Einfluss auf die Verkaufsmenge, noch den Verkaufserlös oder die Total Variablen Kosten (TVC).
 3. Werden sich die Betriebskosten (OE) des Unternehmens verändern?
  • Hat sich die Anzahl der Mitarbeiter reduziert ?
  • Hat sich der Overhead (indirekte Kosten) verändert ?
  • Nein, folglich bleiben die Betriebskosten (OE) auf ihrem bisherigen Niveau.
4. Wird sich die Höhe der Investitionen (I) des Unternehmens verändern?
  •  Ja, das Investment steigt um 5.000 €.
5. Was ist der reale wirtschaftliche Effekt nach Umsetzung des Vorschlags?

Abbildung 9: wirtschaftlicher Effekt der Umsetzung

Wir müssen feststellen, dass die Prozessoptimierung mit einhergehender Selbstkostenreduzierung zu keinen positiven Effekten bei den globalen Kennzahlen geführt hat.
SZENARIO 2
  • Alles bleibt wie im ursprünglichen Szenario 1, jedoch produziert unsere Firma jetzt an der Kapazitätsgrenze mit 4.992 Stück (siehe Arbeitsstation 102: 124.800 min / 25 min / Stück).
  • Unser Mitarbeiter macht den gleichen Optimierungsvorschlag. 
Szenario 2 - die 5 Fragen
1. Was hält das Unternehmen davon ab, mehr Durchsatz (T) zu erzeugen?
  • Der strategische Kontrollpunkt (Kapazitätsbegrenzte Ressource, engl. Capacity Constrained Resource, CCR) ist Arbeitsstation 102.
  • Der Vorschlag des Mitarbeiters erhöht die erforderliche Prozesszeit an der Arbeitsstation 102 von 25 Minuten auf 27 Minuten.
  • Das Unternehmen kann jetzt nur noch 4.622 Stück/Jahr (124.800 min / 27 min an Station 102) produzieren, obwohl der jährliche Bedarf 4.922 Stück beträgt.
2. Wird sich der gesamte Durchsatz (T) des Unternehmens verändern?

Abbildung 10: Veränderung des Durchsatzes bei Umsetzung des Vorschlags


  • Die Umsetzung des Optimierungsvorschlags wird somit zu einer Reduzierung des Durchsatzes im Beispiel führen.
3. Werden sich die Betriebskosten (OE) des Unternehmens verändern? 
  • Nein, keine Veränderungen.
 4. Wird sich die Höhe der Investitionen (I) des Unternehmens verändern?
  •  Ja, das Investment steigt um 5.000 €.
5. Was ist der reale wirtschaftliche Effekt nach Umsetzung des Vorschlags?

 

Abbildung 11: wirtschaftlicher Effekt nach Umsetzung des Vorschlags

Wir müssen auch für das Szenario 2 feststellen, dass die Prozessoptimierung mit einhergehender Selbstkostenreduzierung zu keinen positiven Effekten bei den globalen Kennzahlen geführt hat. Im Gegenteil, der Cash Flow als Maßzahl für die Liquidität des Unternehmens nimmt signifikant ab. 
SZENARIO 3
  • Alles bleibt wie im ursprünglichen Szenario 1.
  • Allerdings liegt der jährliche Bedarf in diesem Szenario bei 6.000 Stück.
  • Unser Unternehmen kann ohne Veränderungen nicht mehr als die bekannten 4.922 Stück pro Jahr produzieren.
  • Unser Mitarbeiter macht einen ähnlichen Vorschlag wie zuvor, jedoch erhöht er dieses Mal die gesamte Prozesszeit um 3 Minuten!
  • Er verschiebt Bearbeitungsschritte von Arbeitsstation 102 zu 101 und reduziert damit an Station 102 die Prozesszeit um 2 Minuten.
  • Die Optimierung der Betriebsausstattung führt im ersten Ansatz zu einer Prozesszeitreduzierung von 5 Minuten an 101, allerdings benötigt er an Arbeitsstation 101 gut 10 Minuten, um dort den 2min-Bearbeitungsschritt von 102 zu bewältigen.

Abbildung 12: Vergleich von ursprünglicher zu vorgeschlagener Prozesszeit im Szenario 3


Daraus ergeben sich folgende Kostenbetrachtungen:

Abbildung 13: Selbstkosten nach Umsetzung des Vorschlags im Szenario 3

Abbildung 14: Selbstkostenvergleich


Die Verlängerung der gesamten Prozesszeit (Produktionszeit) führt erwartungsgemäß zu höheren Selbstkosten.
Szenario 3 - die 5 Fragen
1. Was hält das Unternehmen davon ab, mehr Durchsatz (T) zu erzeugen?
  • Die Arbeitsstation 102 begrenzt die Fähigkeit des Unternehmens den Marktbedarf zu decken.
2. Wird sich der gesamte Durchsatz (T) des Unternehmens verändern?

Abbildung 15: Veränderung des Durchsatzes bei Umsetzung des Vorschlags in Szenario 3

3. Werden sich die Betriebskosten (OE) des Unternehmens verändern? 
  • Nein, keine Veränderungen.
 4. Wird sich die Höhe der Investitionen (I) des Unternehmens verändern?
  •  Ja, das Investment steigt um 5.000 €.
5. Was ist der reale wirtschaftliche Effekt nach Umsetzung des Vorschlags?
 

Abbildung 16: wirtschaftlicher Effekt nach Umsetzung des Vorschlags


Lessons Learned
Die gezeigten Beispiele sollten Ihnen die Bedeutung der Durchsatzrechnung (engl. Throughput Accounting) der TOC - Theory of Constraints aufzeigen.
Lokale Entscheidungen auf Abteilungsebene können einen signifikanten Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben, allerdings bedarf es anderer Bewertungsgrößen als den traditionellen Kennzahlen
  • Net Profit (NP),
  • Cash Flow (CF) und,
  • Return on Investment (ROI),
um die Effekte zu erkennen und die richtigen Entscheidungen im Management zu treffen. Ich empfehle Ihnen daher die Durchsatzrechnung der TOC anzuwenden.

Im nächsten Blog geht es deshalb um andere Engpassarten als den hier verwendeten, und wie diese identifiziert werden können.

Übrigens, die beiden letzten Posts zu "TOC Wege zur Bewertung von Managemententscheidungen" gibt es auch als PDF-Datei zum Download auf meiner Homepage [4].Dadurch haben Sie die Möglichkeit meiner Ausführungen mit Ihrem Controller zu diskutieren. Die Erfahrung lehrt, dass Controller die Durchsatzrechnung befürworten.

Ihr

Jürgen Kanz

www.juergen-kanz.de


Quellen:
[1] Theory of Constraints - Ein DO-IT-YOURSELF Baukasten für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) - PRODUKTION, Athavale, Rajeev; Kanz, Jürgen; Leanpub, 2012 

[2] Das Ziel: Ein Roman über Prozessoptimierung, Goldratt, Eliyahu; Cox, Jeff; Campus Verlag 
[3] Wege zur Bewertung von Managemententscheidungen [1], http://juergenkanz.blogspot.de/2013/07/wege-zur-bewertung-von.html
[4] Wege zur Bewertung von Managemententscheidungen, http://www.juergen-kanz.de/download/TOC Wege zur Bewertung von Managemententscheidungen.pdf