Titicacasee Tour – Puno und die schwimmenden Inseln der Uros

Von Southtraveler

Puno ist hässlich. Staubig, zugebaut und ohne sehenswerte Point-of-views. Es ist die Durchgangsstation für nach Bolivien reisende Backpacker und diverse andere Exkursionen rund um den sagenumwobenen Titicacasee.

Ich erreiche Puno spät Abends von Chivay aus mit dem Bus. Einige Tage zuvor habe ich mir bereits ein Hostel gebucht, welches eine  gute Bewertung bei Booking.com aufwies und obendrein noch preislich meinen Vorstellungen entsprach. Mein erster Eindruck von Puno. Ein Potpourri des Chaos. Gefühlt 80 Prozent der Stadt besteht aus unfertigen unverputzten Häusern, bei denen die langen Eisenstangen wie ein Wald von Antennen gen Himmel ragen.

Wie kann man an einem solch schönen Fleckchen Erde eine solch hässliche Stadt hinbauen?

Der Verkehr in Puno ist Perutypisch am Rande der Anarchie und heute, am Freitag Abend, scheinen alle mitten durch die Stadt fahren zu wollen. Ein Knäuel aus Autos, Bussen, Rickshaws, dreirädrigen Mopedtaxis und bemitleidenswerten Verkehrspolizisten. Wild umherlaufende Menschen und stinkende Abgase vermischen sich mit den orientierungslos scheinenden Straßenhunden. Dazu kommt: Der Peruaner hupt immer, wenn es irgendwie stockt, was den ohnehin hohen Lautstärkepegel merklich anhebt.

Ich frage meinen Taxifahrer nach einem guten Ort zum Abendessen, denn die lange Busfahrt verwandelt harmlose Busreisende wie mich in hungrige Bestien mit kurzem Geduldsfaden. „En esta calle son muchos restaurantes!“

Cool, danke für den Tipp. Ich habe das Gefühl, an der bevölkertsten Ecke in ganz Puno aus dem Taxi zu steigen. Hinter uns das obligatorische Hupkonzert, denn Taxifahrer fahren zum Halten nicht etwa an die Seite. Nein, nicht in Südamerika. Dort wird einfach gestoppt, wo der Gast es möchte. Und wenn es mitten auf einer vielbefahrenen Hauptstrasse ist. Who cares!

Ich hieve mein Backpack aus dem Auto und mache mich auf die Suche nach einem ansprechendem Restaurant in der Fußgängerzone von Puno. Prompt bildet sich eine Traube übereifriger Restaurantpromoter um mich.

Ich bin überfordert. Und genervt. „No, gracias“ stammelnd, während ich 3 Menükarten in meinem Gesicht habe. „Comida Tipica, Señor!“ Klar, so sieht die vor billigem Käse triefende Teigplatte auf dem verblassten Foto auch aus. Noooo, GRACIAS! Ich werde bestimmter. Oft hilft – bzw. versteht das Gegenüber – in solchen Momenten nur die harte Schiene.

Letztlich finde ich ohne fremde Hilfe doch noch ein kleines Restaurant mit etwas unaufdringlicherem Service. Frisch gestärkt von leckerem Quinoa Salat geht´s nun zu meiner Unterkunft. Dort angekommen stelle ich mit Entsetzen fest, wie sehr Bilder aus dem Internet und die Realität voneinander entfernt sind. Meilenweit nämlich. Ich frage mich, woher die guten Bewertungen kommen sollen. Entweder waren die Gäste blind oder alles gefaket. Was soll´s, ist ja nur für eine Nacht.

Ich checke ein und nehme mein Nachtquartier unter die Lupe. Ein dunkler Raum. Eine traurig aussehende Glühbirne ohne schmückendes Beiwerk hängt an einem vergilbten Kabel von der Decke herab. Die Leuchtkraft gleicht einem Teelicht.

Im Bad erreicht der Einfallsreichtum in Punkto Elektroinstallation seinen Höhepunkt. Dürftig mit kaum mehr klebendem (Klebe)band befestigte Steckdosen hängen an Kabeln aus der mit Schimmel befleckten Wand. Abenteuerlich auch die Dusche. Ein Elektrischer Duschkopf (Das Wasser wird direkt oben am Kopf erhitzt und sieht aus wie ein dickes Geschwür), oftmals Standard in den Andenstaaten, heißt mich willkommen.

Creepy sieht dieses Teil aus, denn auch hier wieder unzählige offene Kabelstränge. Wasser und Strom, habe ich von kleinauf gelernt, sind keine wirklich gesunde Kombination. Ok, duschen in der Suicide Shower fällt definitiv flach.

Mit nicht mehr ganz so freshem Körperaroma lege ich mich ins Bett. Autsch, die erste Feder bohrt sich in meinen ohnehin schon von der langen Busfahrt lädierten Rücken. Die Unterlage (Von Matratze möchte ich nicht sprechen) hat Härtegrad Holzbrett. Normalerweise würde ich jetzt auschecken, doch wir haben fast 1. Zu spät, um anderweitig zu suchen. Shit!

Der nächste Morgen empfängt mich mit Sonnenschein. Richtig freuen kann ich mich noch nicht darüber, denn die Nacht war wirklich Horror mit dürftigen 3 Stunden Schlaf und längeren Wachphasen dank fehlender Polsterung. Auf Nachfrage bekomme ich wenigstens doch noch meine langersehnte Dusche in einem anderen Bad. Auch elektrisch, aber zum Glück mit besserer Verkabelung (siehe Bild – das ist die „gute“ Version ;)

Ich mache mich auf den Weg an den Hafen, zum Ufer des Titicasees, denn ich möchte heute zu den schwimmenden Inseln der Uros. Eigentlich sind die „echten“ Uros seit über 50 Jahren ausgestorben, doch die Nachfahren der Aymara und Quechua Indianer hüten bis heute die auf dem See liegenden Inseln.

Natürlich spielt auch hier der Tourismus eine tragende Rolle und das Ganze hat sich, unschwer an der Vielzahl der wartenden Boote erkennbar, zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Die Tour zu den Uros habe ich bereits bei meiner Ankunft im Busterminal von Puno gebucht.

Ich werde von  Rodrigo, unserem Guide, in Empfang genommen. „Boote fahren ist gut und schön auf Lago de Titicaca“ grinst er und freut sich sichtlich, mir ein paar Brocken Deutsch zu präsentieren. Er ist Anfang 50 und seit seiner Kindheit am und auf dem See zuhause.

Mein chilenischer Freund und ich sind neben einer 4-köpfigen brasilianischen Familie die einzigen Passagiere an diesem Morgen und so haben wir auf dem Boot reichlich Platz. Ich nehme die Position auf dem Dach ein und habe einen sensationellen Rundblick über die Bucht von Puno und den riesigen, vor uns liegenden See. Vorbei an der Halbinsel Esteves, wo sich ein Luxus Resort für besser betuchte Reisende befindet, geht es durch die seitlich mit Schilf bewachsenen Wasserstrassen.

Mit zehn bis zwölf Grad ist der Titicacasee kaum zum Baden geeignet. Aber für Bootausflüge mit wundersamen Inselerlebnissen umso mehr.

„Titi“ heißt Puma, erzählt Rodrigo und „caca“ bedeutet grauer Felsen in der Sprache der Aymara Indianer. Grau ist an diesem Tag nichts. Ich erlebe den Titicacasee in strahlendem blau. Er ist der höchstgelegene schiffbare See der Welt, 13-mal größer als der Bodensee, 165 Kilometer lang und 60 Kilometer breit.

Wir passieren die ersten Schilfgrasinseln, die hier zwischen der Bucht von Puno und der Halbinsel Capachica liegen. Kleine Fischerboote kreuzen leise tuckernd unseren Weg. 2 traditionell bunt gekleidete Frauen ernten Gras mit einer Machete und bündeln es zu tragbaren Paketen. Ich fühle mich wie eine andere Zeit zurückversetzt.

Rodrigo, unser wandelndes Titicaca Lexikon erzählt derweil, das die Inseln den Uros einen guten Schutz vor den anrückenden Inka baten, die sich an den Ufern des Sees niederließen und andere an Land lebende Völker ihrem Reich unterordneten. Man nannte das Volk hier früher Kot-Suns, die „Seemenschen“.

Wir kommen an. Kaum dem Boot entstiegen werden wir von den Damen der Insel mit Gesang empfangen. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie erinnern mich die etwas fülligeren Damen an Shetland Ponys – klein und kompakt. Ich frage mich, wie oft am Tag sie wohl die gleichen Lieder für die Touristen singen müssen. Vor uns sind bereits sorgfältig die Souvenirs aufgebaut. Meine Gedanken schwanken zwischen Tradition und Touristenspektakel…

Am Ufer ein gelber Grasteppich. Es läuft sich weich auf diesen schwimmenden Inseln, die durch Steine im Boden verankert sind.

Auf fest verschnürten Schilfbündeln liegt nochmal eine dicke Schicht Totora, das alle paar Monate erneuert werden muss – sonst gehen sie unter. Eine mühselige Arbeit. Rodrigo berichtet uns, das vielen Nachkommen diese Arbeit mittlerweile zu schwer ist und so viele Inseln einfach vom See verschluckt werden.

Es wird uns gezeigt, wie das Schilfgras mit der Machete bearbeitet wird, es sogar essbar ist und viel Kraft geben soll, was eine der Frauen mir durch Zeigen auf ihren Bizeps demonstriert. So konnten sie damals auch ohne Ackerbau überleben und waren nicht genötigt das Festland zu betreten. Ich nehme nur ein kleines Stück, denn ich habe festgestellt, das auch der hier anfallende Müll einfach in See geschüttet wird. Auf Magenprobleme kann ich verzichten.

Wir lernen noch mehr. Zum Beispiel, das noch knapp 2000 Menschen unter dem Namen Uros auf den 40 Eilanden leben. Sie fangen Fische mit Netzen, Vögel mit Steinschleudern, verzieren kunstvolle Holzschnitzereien, weben aufwendige Gewänder und Decken, schneiden das bis zu drei Meter hohe Totora Schilfgras und bauen ihre Inseln und Hütten daraus. Und natürlich die dekorativen Boote, die sogenannten Balsas.

„Mercedes Benz“, lachen sie und zeigen auf Ihr Balsaboot, was eine Ähnlichkeit mit chinesischen Drachenbooten aufweist.

Kurz darauf werde ich ohne große Erklärung an die Hand genommen und darf in den Mercedes Benz (ohne Stern;) einsteigen.

Einen Motor sucht man vergebens. Wohl ein älteres Modell, scherze ich, während eine der Urofrauen uns mit nur einem Paddel bewaffnet über den See navigiert. Da ist sie wieder, die Kraft des Totora. Sie hat Ihre kleine Tochter dabei, die waghalsig ohne besondere Aufsicht am Rand des Bootes herumklettert. Aber die Kleine scheint Übung zu haben und bleibt trocken.

Man zeigt uns die Schulinsel und auf einer der Hauptinseln, übersät mit Souvenierbuden, essen wir frische Forelle vom Grill. Anschließend kehren wir auf „unsere“ Insel zurück. Es ist nett hier, trotzdem darf man nicht vergessen, das alles für Touristen inszeniert ist, worunter die Authentzität natürlich leidet. Jedoch bekommt man einen kleinen Einblick in das Leben von damals.

Unsere Tour endet, ein letzter Abschiedsgesang wird angestimmt und wir besteigen wieder das motorisierte Boot in Richtung Puno.
Der Stadt, in der ich nach diesem schönen Erlebnis auf dem Titicacasee nicht noch eine Horrornacht verbringen möchte.


 Hinkommen

Nach Puno kommst du am einfachsten mit dem Bus (Tickets gibts bei Busportal.pe) von Arequipa oder Cusco aus. Eine Alternative ist der Touristenbus 4M, der von Chivay im Valle del Colca abfährt und auf dem Weg einige sehenswerte Orte abklappert. (Kosten 50 US$)

Fliegen ist von Lima nach Juliaca, 50 Km von Puno entfernt, möglich. Wegen des großen Höhenunterschiedes aber nicht zu empfehlen. Die Höhenkrankheit lässt sonst schneller grüßen, als man hola sagen kann.


 Unterkunft

Ihr habt oben meine Horrornacht mitbekommen. Ich war allerdings nach meiner Reise in Bolivien nochmal eine Nacht in Puno und kann nun guten Gewissens das Hotel Pacha Confort empfehlen. (ca. 20 € / DZ)


Hast du auch schon eine Titicacasee Tour gemacht? Oder eventuell auch schonmal eine schlechte Erfahrung mit Hostels gehabt? Dann freue ich mich auf deinen Kommentar.

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