Nur zehn Jahrzehnte später taugt das Desaster allerdings schon zum Spektakelum: Theatermacher kochen "Das letzte Gericht" nach, auf dass ihr Publikum "geschmackvoll untergehen" möge. Fernsehsender werben mit "Ihre Reise endet, wo unsere beginnt". Empathie wie nie allerorten, Mitgefühl und tiefe Trauer angesichts der Leiden der Opfer und der schrecken, die ihre Familien erdulden mussten. "Läbbe geht weiter", steht über den Jubiläumsfeiern der Jahrhundertkatastrophe, deren unmittelbar Beteiligte verglichen mit Opfern anderer Katastrophen nur einen Tod zweiter Klasse vorzuweisen haben.
Wie viel schlimmer ist es doch aus derzeitiger Sicht, in weniger weit zurückliegenden Unglücksfällen gestorben zu sein. Doch die Zei, die vergeht und nie stillsteht, macht Hoffnung auf noch viel mehr noch viel größere Kunst: Warum nicht auch mal das letzte Kantinenessen der "Deepwater Horizon" als Operette wiederaufführen? Wieso nicht mal ein Musical zur Tragödie in der Eishalle von Bad Reichenhall, in dem Kati Witt den Todesengel tanzt? Oder Hurrikan Katrina, a capella nachgesungen von einem Chor missbrauchter Kinder?
Wer kocht das letzte Gericht nach, das die Toten der "Costa Concordia" im Magen hatten, als sie gezwungen wurden, Salzwasser nachzutrinken? Wessen Reise beginnt, wo die der Feuerwehrleute von Fukushima endet?