Tip Top

Tip-Top-©-2013-Viennale

Veröffentlicht am 5. November 2013 | von Martina Brenner

Summary: Unterhaltsame, absurde Geschichte, verliert sich in der Absurdität der Nebenhandlung und der Neurosen der Polizistinnen

Komödie

In einer Vorstadt von Lille wird ein Polizeispitzel umgebracht. Hilfe aus Paris eilt in Person von Esther Lafarge (Isabelle Huppert) und Sally Marinelli (Sandrine Kiberlain) heran – ein ganz spezielles Duo.

Die beiden Polizistinnen, die in den grauen Norden Frankreichs reisen, um den hiesigen männlichen Beamten bei diesem komplizierten Fall zur Seite zu stehen, haben so ihre Neurosen: Esther liebt es von ihrem Mann geschlagen zu werden (und umgekehrt), wovon sie auch regelmäßig entstellt im Dienst erscheint; Sally wiederum wurde jüngst strafversetzt, weil sie „ungebührliches Verhalten“ an den Tag gelegt hatte – sie beobachtet gerne andere beim Sex.

Die Polizisten (man könnte meinen sie seien Karikaturen von einfältigen Ordnungshütern) wirken ein wenig überfordert, fast eingeschüchtert vom resoluten Auftreten Esthers und zeigen sich über die weibliche Hilfe aus Paris wenig erfreut. Nach und nach gerät die Kriminalgeschichte in den Hintergrund, die Szenenfolgen werden kürzer und verwirrender, die Charaktere der beiden Frauen und des Chefermittlers rücken in den Vordergrund – doch das nicht zum Nachteil des Films.

Esther und Sally, das ungleiches Duo, von Huppert und Marinelli mit viel Körpereinsatz toll dargestellt – die eine resolut, scharfzüngig und kalt, die andere schüchtern und zurückhaltend. Täglich trägt Esther ihr strenges türkises Kostüm, das ihrem imposanten Auftreten einen gewissen Touch verleiht. Neben ihrer Ermittlungsarbeit frönt sie ihren Sadomaso-Gewohnheiten, für die sie kräftig trainiert und die sie zudem auch ungeniert ausübt.

An ihrer Seite die hagere Blondine Sally, die wie eine unbeholfene Außenseiterin eines amerikanischen High-School-Filmes wirkt: übergroße Brillen, lange schlabbrige Strickpullover und einen erschrockenen, beinahe dämlichen Blick. Sie beweist sich als überaus anpassungsfähig und ist von Esther sichtlich begeistert – bis sie zum Schluss (das gleiche Kostüm tragend) sich in den sexuellen Praktiken Esthers versucht. Als dritte tragende Figur fungiert der Komiker Francois Dumiens als Robert Mendes – die Karikatur eines Kriminalkommissars: Anzüglich, tollpatschig, unbeholfen sowie Tag und Nacht im Dienst.

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Doch der Film ist nicht bloß eine schwarze Komödie, die mit Klischees spielt – das Verhalten von Männern und Frauen im Polizeidienst, die Rivalität der Hauptstadt – sondern auch in gewissem Maße eine Milieustudie der algerischen Gemeinde in diesem französisches Vorort. Dass die Lebensqualität hier nicht besonders hoch ist, zeigt der Regisseur anhand einer absurden Tour in einem Touristenbus und in diversen Kamerafahrten vorbei an tristen, heruntergekommenen Wohnblocks. Ein See ist gewissermaßen das offizielle Zentrum der Stadt, der Picknick-Treffpunkt der Community – in der Nacht stolpert man hier über Leichen.

Zweifellos hat Regisseur Bozon eine Unzahl an Themen und Ideen in Tip Top einfließen lassen, vielleicht aber auch ein wenig zu viele. Was anfangs wie ein ernster Kriminalfilm wirkt, wird bald zu einer absurden, aber durchaus witzigen Komödie, in der sich die Hauptdarstellerinnen in ihren Performances beständig steigern und sichtlich Freude daran haben – und Spaß hat letztlich auch das Publikum, auch wenn die eigentliche Kriminalgeschichte dabei auf der Strecke bleibt.

Regie: Serge Bozon
Drehbuch: Serge Bozon, Axelle Ropert, Odilie Barski, nach einer Vorlage von Bill James
Darsteller: Isabelle Huppert, Sandrine Kiberlain, Francois Damiens, Karole Rocher, Aymen Saidi
Laufzeit: 106 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale V’ 13

Tags:3.5 von 5Film-FestivalFrancois DamiensIsabelle HuppertKomödieRomanverfilmungSandrine KiberlainSerge BozonThrillerViennaleViennale V'13

Über den Autor

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Martina Brenner Aufgabenbereich selbst definiert als: Kinoerlebnissesammlerin. Findet es schön, dass “die Kamera etwas sieht, was das menschliche Auge durch den Gewohnheitsblick nicht wahrnimmt. Das ist Kino.” (Alexander Kluge).


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