Tindersticks
„The Waiting Room“
(City Slang)
Den Tindersticks nähert man sich ja immer mit einer gewissen Zurückhaltung, einem Sicherheitsabstand – Stuart Staples hat trotz der meistenteils (und mittlerweile) sehr zarten Kompositionen nichts von einem weltverlorenen, melancholischen Brummbär an sich, dem man mit der Hand tröstend über den Kopf streichen möchte. Schon seit dem sagenhaften Debüt aus dem Jahr 1993 haftet der Band und seinem Gesang immer auch etwas unterschwellig Bedrohliches, mühsam im Zaum Gehaltenes an, das nur selten zum Ausbruch gelangt und deswegen zur Vorsicht rät. Von diesem Flackern, dieser Spannung ist auch nach knapp einem Viertel Jahrhundert nichts verloren gegangen und gerade dieses neue, mittlerweile zehnte Album beweist, mit wieviel Inspiration und künstlerischem Anspruch die Engländer noch immer zu Werke gehen. Nach einigen Nebenprojekten, Auftragsarbeiten und Filmscores haben die fünf nun selbst zum Mittel der multimedialen Präsentation gegriffen und man tut gut daran, sich nicht nur auf die akustische, sondern auch die visuelle Umsetzung ihrer Stücke einzulassen. Elf Videoclips, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Clemont-Ferrand Kurzfilmfestival und verantwortet u.a. von Suzanne Osborne, Pierre Vinour, Claire Denis, Gabraz und Sara Não Tem Nome, Richard Dumas und Stuart Staples selbst, begleiten die Platte, helfen beim Verständnis und/oder wecken neue Assoziationen.
So könnte man die Autofahrt im Fast-Forward-Modus zum wunderbaren „Were We Once Lovers“ auch als rastlose Ungläubigkeit interpretieren, eine Art Trauerarbeit also, die nicht weiß, wohin mit sich, Betäubung durch Geschwindigkeit. Auf den jazzigen Funk von „Help Youself“ folgt der zu Herzen gehende last waltz von „Hey, Lucinda“, ein Duett mit der 2010 verstorbenen Musikerin und Freundin Lhasa De Sela, das durch die Bebilderung mit kleinstädtischer Ereignislosigkeit noch mehr Nachdruck erhält, weil es die Unabänderlichkeit unseres Lebens bestens illustriert. Ob antikes Hochzeitsglück („How He Entered“), wirre Amokfahrt („Second-Chance Man“) oder das verlorene Treiben eines Körpers im Wasser (“The Waiting Room”) – immer fügen die Bilder den ohnehin beeindruckenden Tönen neue Blickwinkel und Gedankenanstöße hinzu.
Besonders eindrucksvoll gelingt diese doppelte Stimulation der Sinne bei „We Are Dreamers!“, ein Stück, das ungewohnt dronig und düster brodelt und mit der Stimme der Savages-Frontfrau Jehnny Beth noch eine dramatische Überhöhung erfährt. Im Bild kreisen dazu riesenhafte Trucks durch eine karge Minenlandschaft, einzig begleitet von einer hilflos umherwandernden Frau mit Schaufel – wer möchte, kann Staples‘ barmenden Gesang „This is not earth, this is not earth, we are dreamers!“ als Klage über die Verwundung unseres Planeten, übersetzt in Sinnbilder von Vergeblichkeit und zerstörerischer Übermacht deuten. Ein Aspekt, der kurz darauf im Schlußstück „Like Only Lovers Can“ nochmals aufgenommen wird, hier werden ausgestopfte, traurig dreinblickende Vögel mit sonnig glänzenden Wolkenformationen überblendet, die Trauer ist da fast mit den Händen zu greifen. Gewiss keine fröhliche Platte also, gleichwohl aber so fesselnd wie vielschichtig. Nach „The Something Rain“ ist den Tindersticks erneut ein Werk von großer Tiefe, bemerkenswertem Facettenreichtum und anhaltender Irritation gelungen – die Bewunderung bleibt somit, die Unruhe aber auch. http://www.tindersticks.co.uk/
13.02. Berlin, Volksbühne
14.02. Berlin, Volksbühne
07.03. Zürich, Kaufleuten
09.03. Wien, Konzerthaus
11.03. München, Kammerspiele
12.03. Stuttgart, Im Wizemann
13.03. Köln, Gloria
14.03. Hamburg, Kampnagel
„The Waiting Room“
(City Slang)
Den Tindersticks nähert man sich ja immer mit einer gewissen Zurückhaltung, einem Sicherheitsabstand – Stuart Staples hat trotz der meistenteils (und mittlerweile) sehr zarten Kompositionen nichts von einem weltverlorenen, melancholischen Brummbär an sich, dem man mit der Hand tröstend über den Kopf streichen möchte. Schon seit dem sagenhaften Debüt aus dem Jahr 1993 haftet der Band und seinem Gesang immer auch etwas unterschwellig Bedrohliches, mühsam im Zaum Gehaltenes an, das nur selten zum Ausbruch gelangt und deswegen zur Vorsicht rät. Von diesem Flackern, dieser Spannung ist auch nach knapp einem Viertel Jahrhundert nichts verloren gegangen und gerade dieses neue, mittlerweile zehnte Album beweist, mit wieviel Inspiration und künstlerischem Anspruch die Engländer noch immer zu Werke gehen. Nach einigen Nebenprojekten, Auftragsarbeiten und Filmscores haben die fünf nun selbst zum Mittel der multimedialen Präsentation gegriffen und man tut gut daran, sich nicht nur auf die akustische, sondern auch die visuelle Umsetzung ihrer Stücke einzulassen. Elf Videoclips, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Clemont-Ferrand Kurzfilmfestival und verantwortet u.a. von Suzanne Osborne, Pierre Vinour, Claire Denis, Gabraz und Sara Não Tem Nome, Richard Dumas und Stuart Staples selbst, begleiten die Platte, helfen beim Verständnis und/oder wecken neue Assoziationen.
So könnte man die Autofahrt im Fast-Forward-Modus zum wunderbaren „Were We Once Lovers“ auch als rastlose Ungläubigkeit interpretieren, eine Art Trauerarbeit also, die nicht weiß, wohin mit sich, Betäubung durch Geschwindigkeit. Auf den jazzigen Funk von „Help Youself“ folgt der zu Herzen gehende last waltz von „Hey, Lucinda“, ein Duett mit der 2010 verstorbenen Musikerin und Freundin Lhasa De Sela, das durch die Bebilderung mit kleinstädtischer Ereignislosigkeit noch mehr Nachdruck erhält, weil es die Unabänderlichkeit unseres Lebens bestens illustriert. Ob antikes Hochzeitsglück („How He Entered“), wirre Amokfahrt („Second-Chance Man“) oder das verlorene Treiben eines Körpers im Wasser (“The Waiting Room”) – immer fügen die Bilder den ohnehin beeindruckenden Tönen neue Blickwinkel und Gedankenanstöße hinzu.
Besonders eindrucksvoll gelingt diese doppelte Stimulation der Sinne bei „We Are Dreamers!“, ein Stück, das ungewohnt dronig und düster brodelt und mit der Stimme der Savages-Frontfrau Jehnny Beth noch eine dramatische Überhöhung erfährt. Im Bild kreisen dazu riesenhafte Trucks durch eine karge Minenlandschaft, einzig begleitet von einer hilflos umherwandernden Frau mit Schaufel – wer möchte, kann Staples‘ barmenden Gesang „This is not earth, this is not earth, we are dreamers!“ als Klage über die Verwundung unseres Planeten, übersetzt in Sinnbilder von Vergeblichkeit und zerstörerischer Übermacht deuten. Ein Aspekt, der kurz darauf im Schlußstück „Like Only Lovers Can“ nochmals aufgenommen wird, hier werden ausgestopfte, traurig dreinblickende Vögel mit sonnig glänzenden Wolkenformationen überblendet, die Trauer ist da fast mit den Händen zu greifen. Gewiss keine fröhliche Platte also, gleichwohl aber so fesselnd wie vielschichtig. Nach „The Something Rain“ ist den Tindersticks erneut ein Werk von großer Tiefe, bemerkenswertem Facettenreichtum und anhaltender Irritation gelungen – die Bewunderung bleibt somit, die Unruhe aber auch. http://www.tindersticks.co.uk/
13.02. Berlin, Volksbühne
14.02. Berlin, Volksbühne
07.03. Zürich, Kaufleuten
09.03. Wien, Konzerthaus
11.03. München, Kammerspiele
12.03. Stuttgart, Im Wizemann
13.03. Köln, Gloria
14.03. Hamburg, Kampnagel