Tierliebe und Tierprodukte essen, geht das?

Von Cordula

Manche sagen, von Tierliebe zu sprechen und gleichzeitig Tierprodukte zu essen sei ein Widerspruch. So sei vegan zu leben die einzig wahre Konsequenz. Denn, nur wer auf sämtliche Tierprodukte verzichtet, gleicht sein Handeln an seine ethische Überzeugung an. Alles andere bezeichnet man viel eher als Kognitive Dissonanz. Man findet Tierquälerei zwar schlimm, blendet diese Umstände, wenn man Fleisch, Milchprodukte oder Eier isst aber aus.
Wem also wirklich Tierwohl am Herzen liegt, der ist konsequent und macht keine Kompromisse.

Kann man also wirklich nicht tierlieb sein und gleichzeitig Tierprodukte essen?

Ich persönlich bin der Meinung, dass man durch extreme Parolen niemanden erreicht. Im Gegenteil. Genau das ist es, was ein negatives Licht auf Veganer als Gruppe wirft.
Das typische Klischee Veganer seien Moralapostel und solche, die nichts Besseres zu tun haben, als anderen ständig ein schlechtes Gewissen einzureden.
Oftmals, wenn ich dieses Klischee zu hören bekomme, musste ich früher mit den Augen rollen. Denn ich konnte es ab einem gewissen Punkt nicht mehr hören. Da ist man im Alltag genau das ganze Gegenteil davon. Man hat zwar seine Meinung, hegt aber nicht die Intention diese jedem auf die Nase zu binden, bekommt man trotzdem immer wieder Vorträge zu hören man solle doch bitte toleranter sein, leben und leben lassen und was nicht alles. So klingt das dann oftmals fast so als gäbe es nur diesen einen Typus Veganer. Den Klischee-Veganer sozusagen.

Heute lächle ich darüber.

Die Mehrzahl der Menschen, die mir begegnet und mit mir über das Thema spricht, äußert, dass sie Tierquälerei nicht in Ordnung finden und wollen, dass es den Tieren gut geht.
Folglich äußert jeder Mitgefühl. Mitgefühl für das Tier. Vom Herzen her findet es wohl niemand in Ordnung unnötig Tiere zu quälen. Das macht sich auch im Alltag bemerkbar.
Geht es um Hunde und Katzen, so ist die Tierliebe direkt sichtbar.

Ich für mich persönlich finde mittlerweile es gibt keine eindeutige Antwort auf diese Frage.
Manche Veganer würden nun direkt sagen, dass es ein absoluter Widerspruch ist, wenn man doch Tierprodukte isst und gleichzeitig sein Haustier streichelt. Oder sich über Hundeschlachtung in Yulin aufregt, aber gleichzeitig hier Fleisch isst.
Hierbei kommen dann Begriffe wie Karnismus, kognitive Dissonanz und Speziesismus ins Spiel.

Eine kurze Erklärung was die einzelnen Begriffe bedeuten:

Karnismus(Englisch Carnism) beschreibt gemäß der Psychologin und Veganaktivistin Melanie Joy eine Ideologie, wonach das Essen bestimmter Tiere als ethisch vertretbar und angemessen betrachtet wird.

Kognitive Dissonanz – bezeichnet in der Sozialpsychologie einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand. Er entsteht dadurch, dass ein Mensch mehrere Kognitionen hat (Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten), die nicht miteinander vereinbar sind.
Oder kurz: Die eigene Meinung und das eigene Handeln in Bezug auf ein Thema stimmen nicht überein. Und dadurch entsteht ein unangenehmes Gefühl.

SpeziesismusAnschauung, nach der der Mensch allen anderen Arten überlegen und daher berechtigt sei, deren Vertreter nach seinem Gutdünken zu behandeln.

Mitunter Teil meiner Entscheidung vegan zu leben war eben dieser Widerspruch. Denn mir erschien es ab einem gewissen Punkt unlogisch zwischen Tierspezies zu differenzieren. Und das sehe ich für mich selbst auch heute noch so. (Nutztiere vs. Haustiere, beides sind in erster Linie erst einmal Tiere.) Dennoch bin ich auch der Meinung, dass sich beides nicht ausschließt. Ein Herz für Tiere zu haben und Tierprodukte zu essen.
Dass wir als Menschen Tierquälerei für falsch halten, in diesem Punkt sind wir wohl alle moralisch gesehen derselben Meinung. Der Unterschied liegt letzten Endes dann wohl in der subjektiven Einschätzung was man als Leid empfindet und was nicht.
So wird in der Thematik manch einer sagen man sollte lediglich die Bedingungen ändern, unter welchen Tiere heute gehalten werden. Also an der gesetzlichen Lage für Verbesserung sorgen. Ein wieder anderer wird einen Mittelweg beschreiten und sagen, er isst kein Fleisch und keinen Fisch mehr. Und wieder ein anderer wird sagen, jedes Tierprodukt ist mit Leid verbunden und sich daher einer pflanzlichen Lebensweise zuwenden.
Genauso geht es mir auch. Jedes Tierprodukt ist mit Leid verbunden. Egal ob Milch, Eier, Honig, Fleisch oder Fisch. Es wäre eine Illusion zu denken das Gegenteil sei der Fall.
Das ist die heutige Realität. Leider. Doch es nutzt auch nichts sich als Mensch vor dieser Realität zu verschließen.
Für Eier werden männliche Küken am Tag ihrer Geburt getötet. Für Milch werden Kühe jedes Jahr künstlich befruchtet, das Kalb wird kurze Zeit nach der Geburt von seiner Mutter getrennt und beide landen nach kurzer Zeitspanne beim Schlachter.
Für Fisch werden die Weltmeere nahezu leer gefischt. Und zu Fleisch werden Tiere gemästet und haben teilweise keinen Raum sich mal umzudrehen (Beispiel Schweinemast und Hühnermast).

Auch wenn ich selbst diese Umstände schlimm finde, so kann ich mir das aber auch nicht schön reden. Durch Kapitalismus und das Ziel immer weiter zu expandieren, gehen Bauern hierzulande bankrott, während die Intensivtierhaltung immer weiter expandiert. So mittlerweile auch im asiatischen Raum, wo die Menschen immer mehr Fleisch essen.

Ich werde mit der Aufzählung dieser Sachverhalte so einigen wohl nichts Neues erzählen. Und manch einem anderen wird all das wohl noch nicht bewusst sein.
Doch es geht hierbei in Sachen Tierliebe wie ich finde auch nicht um Vorträge.

Vielmehr ist der springende Punkt der:

Wir alle haben ein Herz für Tiere. Das ist es was uns als Menschen in der Thematik verbindet. Egal wie wir leben oder wie wir essen. Und das ist es auf das wir unseren Fokus legen sollten, wie ich finde.

Durch endlose Diskussionen warum wir Fleisch essen sollten oder dass Vitamin B12 nur in Tierprodukten enthalten ist oder dass Pflanzen doch auch Gefühle haben oder dass doch jeder vegan leben sollte; durch all diese verbalen Kämpfe verschwenden wir doch nur unsere Energie und auch Zeit. Vor allem dann, wenn wir uns doch weitestgehend einig sind, dass die Bedingungen unter denen Tiere heute gehalten werden verbesserungswürdig sind.

Wäre es da der Tierliebe wegen nicht sinnvoller daran zu arbeiten eine gemeinsame Basis zu finden? Einander mehr zuzuhören? Uns Wissen anzueignen, um dadurch etwas zu bewegen?

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