„Tiere töten in der Zeit veganer Hipster – das musst du erklären!“

Von Davidsights @Schlaraffenwelt

Es ist kurz nach 12 auf Ludwig Maurers Hof im Bayerischen Wald. Der Nebel hat sich für ein paar Minuten verzogen und der Mann mit dem roten Rauschebart und der Rockchef-Mütze winkt 10 Foodblogger hinter sich her, in Richtung Stall. Dann sagt er einen bemerkenswerten Satz: „Wenn du in der veganen Hipster-Zeit Tiere tötest, dann musst du das erklären und zeigen. Wir bieten dafür eine Bühne.“ Ludwig „Lucki“ Maurer wird diesen Worten im Laufe des Tages Nachdruck verleihen. Im Rahmen des Projekts #Farmlife von AEG legt Maurer die gesamte Wertschöpfungskette von hochwertigen Fleischprodukten offen, mit all ihren schönen und weniger schönen (aber umso bedeutsameren) Seiten.

Dass ein „bewusster Umgang mit Fleisch“ wichtig ist, habe ich mittlerweile mehr als verinnerlicht. Oft genug habe ich diese Formulierung nun schon gehört. Da hilft es, dass Lucki Maurer seine eigenen Worte findet, um diesen Gedanken zu untermauern. Dazu erzählt er gerne eine Episode von einem Zahnarzt-Besuch. Dort im Wartezimmer habe er einmal in einem Autosport-Heft von der Übergabe des Bugatti Veyron an gut betuchte Käufer gelesen. Eine Übergabe, die aufgrund des Werts des Autos exklusiver wohl nicht ausfallen könnte. Maurer: „Dieses Auto kaufst du nicht einfach, du musst es begreifen – und genau so ist es bei gutem Fleisch.“

Ludwig Maurer züchtet Wagyus, die High-End-Version edlen Rindfleischs. Der Bugatti in der Fleischtheke, wenn man so will. Doch es geht dem Rinderzüchter nicht nur darum, den Preis für sein Rindfleisch zu rechtfertigen. Seine Philosophie greift tiefer: Wer Fleisch als Edel-Produkt begreift und wertschätzt, wird dem Lebewesen hinter dem Produkt mit mehr Respekt entgegentreten. Respekt reicht in seinen Augen allerdings über die artgerechte Haltung hinaus. Respekt bedeutet, dass vom kostbaren Tier, in das man viel Zeit und Liebe investiert hat, am Ende möglichst wenig übrig bleibt. Verarbeitung von Nase bis Schwanz (Nose-to-Tail) ist die Philosophie, die Maurer und sein Team antreibt. In seiner Kochschule und Erlebniszentrale, dem STOI, bringt der diesen wertschätzenden Blick auf Fleisch und Fleischproduktion an den Mann und die Frau. Das darf dann auch mal etwas radikaler sein.

Als wir zurück in die Küche kommen, hängen dort bereits zwei tote Kaninchen am Haken. Sie sind noch warm, so frisch sind sie. Ob Wagyu-Rind oder Kaninchen spielt bei Nose-to-Tail keine Rolle. Es geht darum mit vollem Bewusstsein ein Tier vom Naturzustand in ein Lebensmittel zu verwandeln und Kaninchen sind da einfach handlicher. Wenige Minuten später legen die ersten Blogger ihre Berührungsängste ab und beginnen den Kaninchen das Fell über die Ohren zu ziehen. Ich bin wieder einmal verblüfft wie schnell sich das Tier in meinem Kopf von einem Lebewesen in ein Konsumprodukt verwandelt. Und doch verändert sich der Blick auf die Kaninchenkeulen, die wir im Anschluss zubereiten, auf monumentale Art und Weise, weil ich sie Minuten zuvor noch am Skelett des Tiers gesehen habe.

Vom Kaninchen wird am Ende des Tages tatsächlich fast nichts mehr übrig bleiben. Schlegel, Rücken, Keulen und Leber bereiten wir Blogger in fünf Gängen zu, während die Karkassen des Tiers den gesamten Nachmittag über zu einem Kaninchenfond der Extraklasse herankochen. Aus den Fleischabfällen und Abschnitten produzieren wir am Abend unsere eigene Kaninchenwurst, individuell gewürzt und haltbar gemacht im Dampfgarer. Im Showroom nebenan liegen Gürtel aus Wagyu-Leder und Messer mir Wagyu-Horn-Griff. Lucki Maurer lebt seine Philosophie mit voller Konsequenz und mit großem Erfolg.

Was kann der Mensch einem Tier zurückgeben, das er aus Genussgründen tötet (töten lässt)? Diese Frage stelle ich mir immer öfter und Menschen wie Lucki Maurer helfen mir dabei, Antworten darauf zu finden. Eine Antwort steckt bereits in der Frage: Töten aus Genuss-Motiven? Dann sollte man das Fleisch auch wirklich genießen. Genuss bei der Auswahl, Genuss bei der Zubereitung, Genuss beim Essen, Genuss durch möglichst vielfältige Verwertung. Wenn bei Verzehr und Verarbeitung intensive und schöne Momente entstehen, die in Erinnerung bleiben und dafür sorgen, dass man nie wieder ein Tier aus schlechter Haltung essen will, dann ist das Tier auf dem Teller nicht ohne Sinn gestorben. Ein weites Erlebnis, das mich in meiner Meinung bestärkt, dass jeder, der gerne Fleisch isst, einmal ein Tier geschlachtet haben sollte.

Teil des Programms auf Luckis Hof war auch die von AEG produzierte Dokumentation „Tasteology“ – vier spektakuläre Folgen über den perfekten Geschmack. Mit Experten wie Hervé This, Satchiko Nakahigashi UND Ludwig Maurer. Mehr als sehenswert, besonders für Fans von Formaten wie Chef’s Table!




Danke an AEG und Ludwig Maurer, für diesen extrem intensiven und lehrreichen Tag!