Das erste Mal in Thailand. Ankunft in Bangkok, damals noch am Don Muang Flughafen, und mit dem Taxi ins Hotel. Der Fahrer bemerkte schon bald: „Ah, ihr erstes Mal in Thailand“.
Beeindruckend, nicht nur beim ersten Mal in Thailand: die Skyline von Bangkok.
War ja auch nicht schwierig zu erkennen. Neugierig wie ich alles, was an uns vorbei rauschte, bestaunte. Im Hotel angekommen. Check in. Die Dame an der Rezeption wünschte mir für meinen ersten Aufenthalt in Thailand viel Vergnügen. Ich hatte in meinen Pass den einen oder anderen Stempel, aber noch keinen von Thailand. Ich dachte: gut kombiniert und in einen freundlichen Wunsch umgesetzt.Abends im Restaurant. Klar bestellte ich etwas Thailändisches. Bestimmt stellte der Kellner fest, dass ich das Essen wohl nur wenig scharf möchte. Ebenfalls klar bestellte ich normal scharf. Auch klar, ich bereute es bereits beim ersten Bissen.Und es begleitete mich während meines gesamten Aufenthaltes. Die Verkäuferin im Einkaufszentrum, der Lift Boy im Hotel, der Kontrolleur im Sky Train. Alle stellten sie fest: „Ah, ihr erstes Mal in Thailand.“Ein paar Besuche später wechselte die Frage zu „Sind sie geschäftlich hier?“ Die Bestimmtheit des Kellners änderte sich nicht, nur das ich seine Feststellung bejahte. Reise ich heute nach Thailand, lautet die Frage „Leben sie hier oder kommen sie öfter für länger?“ Die Kellnerin im Restaurant fragt, auch wenn ich auf englisch bestelle: „Ped? Ped nid noi, ka?“ (Scharf? Oder nur ein Bisschen?) Offensichtlich habe ich mein Verhalten geändert.
Pla Kapong Nueng Manao: Ped Maak - Fisch in Zitronensauce schön scharf mit viel Chili und Knoblauch.
Tiefer sehen. Keine übernatürliche Begabung. Eine von Generation zu Generation weitergegebene, seit Geburt geübte tiefe Aufmerksamkeit auf sein gegenüber, das Beachten von kleinen Gesten, feinen Regungen. Man erfährt Dinge, die nie ausgesprochen werden müssen.In Thailand gehen die Menschen behutsam miteinander um und achten sehr darauf, dass jede Frau und jeder Mann zu jeder Zeit das Gesicht bewahren kann. Ist stets freundlich und zuvorkommend.Niemand verliert gerne sein Gesicht
In LOS, dem Land of Smiles, ist das ganz, ganz wichtig, die wichtigste Verhaltensregel. In einem Land, in dem das Kollektiv eine weit aus grössere Bedeutung als das Individuum hat, in dem die Lehre Buddha von über 92% der Bevölkerung als Glaube verstanden und gelebt wird - und wohl noch ein paar Umstände mehr - wird dieses Verhalten seit Generationen vorgelebt und vermittelt.Buddha lehrt, dass alle Dinge „Leiden“ sind. Ich verstehe das so: Der Mensch begehrt von Natur aus. Nach Nahrung, Wärme, Schutz. Hat er dies, begehrt er nach mehr. Wie im Lied von Hans Dampf. Was er hat, will er nicht. Was er will, hat er nicht.
Nun lehrt Buddha, einfach gesagt, dass Menschen, die nicht mehr Begehren und sich von allen Zwängen befreit haben, Glückseligkeit erreichen. Das erreicht man unter anderem, indem man richtig sieht, richtig hört, richtig fühlt, richtig spricht.Wird dieser Glaube in einer Gesellschaft gelebt, bemühen sich alle, das eigene wie auch das Gesicht des anderen zu wahren. Richtig hören und richtig fühlen bedingt das Gegenüber richtig wahrnehmen und situativ richtig agieren. Kritik oder Belehrungen sind, wenn überhaupt, im Masse anzubringen.Sprechen mit Lächeln
Wer das selbst versucht, wird merken, wie schwierig das ist. Nun kommt das Lächeln als Sprache ins Spiel. Das erleichtert ungemein. Der Kassier gibt zu wenig heraus. Man schaut ihn an, lächelt, schaut zum Geld, wieder zu ihm, und lächelt wieder. Weil er richtig fühlt und sieht, bemerkt er den Fehler und gibt den richtigen Betrag mit einer Entschuldigung.Statt der Kellnerin zu erklären, dass zu einem Rotwein ein Rotweinglas und keine Plastikbecher gehören, trinkt man den Wein lächelnd aus dem Plastikbecher. Wo zu Rotwein Plastikbecher serviert werden, ist es eher unüblich, dass Wein bestellt wird. Man hat das entweder billigend in Kauf genommen oder eben nicht richtig gesehen. Som namm na, selber Schuld. Sagte ich meinen Freunden am Tisch.
Wahrscheinlich von uns animiert, bestellten die Gäste am Nachbartisch ebenfalls eine Flasche Wein. Und erhielten Weingläser dazu. Die netten Kommentare meiner Freunde führten zu fröhlichem Gelächter und bewegte die Kellnerin, uns umgehend ebenfalls Weingläser zu bringen. Die Stimmung konnte nicht besser sein. An diesem Abend schauten wir etwas tiefer als üblich - in die Weingläser.Wenn man denkt, man habe es begriffen, kommt es vielleicht doch anders. Die Sprache des Lächelns muss gelernt sein. Wann ist einfach, einfach immer - und vor allem dann, wenn es einem eigentlich vergangen ist. Lächelt man trotzdem ist, es nur noch halb so schlimm. Das hilft wirklich, wenigstens mir.Markt in Thailand: Lächeln ist eine Sprache, welche die Ware noch frischer macht.
Unser wichtigstes freundliches Signal ist das Lächeln. Mit dieser angeborenen Verhaltensweise sind wir in der Lage, uns mit völlig Unbekannten anzufreunden. Ein Lächeln entwaffnet. Erst kürzlich las ich von einem amerikanischen Sergeanten, der sich plötzlich zwei Vietcong Soldaten gegenüber befand. Sein Gewehr versagte, und da lächelte er, was seine Gegner hemmte. Misstrauen und Angst liessen den angebahnten Kontakt jedoch sofort wieder ersterben. Der Amerikaner lud durch und tötete seine Gegner. (Aus aus dem Buch Liebe und Hass von Irenäus Eibl-Eibesfeldt)