Während Stefan Liebich bei einer Veranstaltung anlässlich des 20. Jubiläums der Städtepartnerschaften unseres Bezirks mit der polnischen Stadt Kolberg und der israelischen Stadt Ashkelon zu Gast war, hatte ich die einmalige Gelegenheit, ihn zu vertreten und „Die gesamte jüdische Bibel in einer Stunde“ kennenzulernen.
Viele Veranstaltungen der Jüdischen Festtage finden in der Synagoge in der Rykestraße statt. Diese aber in Mitte. In Kooperation mit der Werkstatt der Kulturen gelang es der Heinrich-Böll-Stiftung, den australischen Gelehrten David Solomon zu gewinnen. Schon vor zwei Jahren füllte dieser Lehrer jeden verfügbaren Platz mit seinem außergewöhnlichen Vortragsstil, der weiß Gott nichts mit klassischem Frontalunterricht zu tun hat.
An diesem Abend bot David Solomon einen umfassenden Überblick über den gesamten Tanach (Thora, Nevi’im, Schriften). Jedes Buch wird mit seinen Hauptthemen im historischen Kontext dargestellt.
Soweit – so trocken. Aber dann wurden wir verzaubert von dem Charisma dieses Mannes und der Aktualität dieses doch sehr alten Themas. Wie ein verbaler Tornado riss er uns mit durch die Jahrhunderte. „Bewaffnet“ mit zwei Eddings tigerte er ohne Punkt und Komma und ohne Boxenstopp an den mit Papier bespannten Wänden des Saales entlang und illustrierte grafisch die Zeitabläufe oder eher naiv Tempeldarstellungen.
Natürlich kannten wir alle das Alte Testament. Ob auch alle wie ich nach den Enkeln Abrahams den Faden – wer mit wem und warum – verloren haben, weiß ich nicht. Aber die politischen, religiösen und kulturellen Zusammenhänge mit der brisanten Aktualität der Gegenwart, waren mir noch nie so klar. Höchst intellektuell ohne dass wir Normalos alt aussahen. Höchst unterhaltsam ohne eine Minute albern zu sein. Witzig ohne Schenkel klopfen. Brisant, aktuell und kritisch ohne zu moralisieren oder Schuldzuweisungen.
Dieser Abend war ein einzigartiges Plädoyer für Völkerverständigung, Toleranz und vor allem Menschlichkeit!
Wenn ich gewusst hätte, dass das alles in englisch-hebräisch mit Simultanübersetzung per Kopfhörer ablaufen würde. Plus der sportlichen Betätigung ihm permanent mit Kopf und Körper folgen zu wollen, wer weiß… DENNOCH, wenn er demnächst das Jerusalemer Telefonbuch auf Hebräisch vorlesen sollte, ich bin dabei, ganz vorne!