Thomas Mann und der verschwundene Koffer. Lebens-Lagen #33: 30. April

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Von seiner Schulzeit bis wenige Wochen vor seinem Tode hat Thomas Mann (1875 – 1955) Tagebuch geführt. So wird zumindest angenommen, denn von den Heften vor 1933 sind nur diejenigen aus 1918-21 erhalten. Wie wichtig Mann seine Tagebücher wahren bezeugt eine prominente Episode, in deren Mittelpunkt ein verlorener Koffer steht:

In den ersten Wochen seines Schweizer Exils im Frühjahr 1933 erteilt Thomas Mann seinem Sohn Golo den Auftrag, ihm aus München zurückgelassene Geschäftspapiere, Manuskriptseiten und die Tagebuchhefte nachzusenden. Explizit erwähnt er, dass die Tagebücher nicht geöffnet werden dürfen.

Golo Mann bepackte sogleich einen Koffer mit dem angeforderten Material und vertraute ihn dem Chauffeur der Familie an, dass dieser ihn der Post übergebe. Der Chauffeur jedoch war inzwischen zum Nationalsozialisten konvertiert und lieferte das Gepäckstück bei der politischen Polizei ab, die es wohl durchsucht hat. Erst Wochen später – am 19.05. – erreicht der Koffer, lediglich um einige Verlagsverträge beraubt, Thomas Mann, der sich nun im französischen Bandol aufhält.

In der bangen Zeit des Wartens davor befiel Mann die Angst, seine Dokumente könnten in falsche Hände gelangt sein.
Am 30. April 1933 notierte er deshalb in sein Tagebuch:

“Die Recherchen nach dem offenkundig feindlich beseitigten Handkoffer gehen (…) weiter. (…) Meine Befürchtungen gelten jetzt in erster Linie u. fast ausschliesslich diesem Anschlage gegen die Geheimnisse meines Lebens. Sie sind schwer und tief. Furchtbares, ja Tötliches kann geschehen.” 1


1. Zitat und Informationen aus: Julia Schöll. Joseph im Exil: zur Identitätskonstruktion in Thomas Manns Exil-Tagebüchern und -Briefen sowie im Roman Joseph und seine Brüder. Königshausen & Neumann 2004.

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