Amhranai meint: Ich habe dieses Buch im Rahmen eines Uni-Seminares, das von Germanisten und Musikwissenschaftlern zusammen besucht wird, gelesen. Gewählt habe ich das Seminar in erster Linie,wei ich die Beschreibung des Buches (das mir zuvor noch nie in die Finger gekommen ist), die stark auf die Musik im zwanzigsten Jahrhundert abzielt, interessant fand und mich damit auseinandersetzen wollte. Ich suchte: einen Roman über einen fiktiven Künstler, der sich mit dem beschäftigt, was auch mich enorm interessiert, nämlich mit der Musik. Ich fand: einen komplizierten 700-Seiten-Wälzer mit der Geschichte eines Mannes, der seine Seele an den Teufel verkauft, um musikalisch erfolgreicher zu sein, obwohl er letztlich daran zugrunde geht; erzählt von seinem besten Freund, der -obgleich er nur bei einer begrenzten Anzahl von Szenen tatsächlich anwesend war- über alles Bescheid weiß und den Leser als allwissender Erzähler, der gelegentlich vom Thema abschweift, mit den Höhen und Tiefen des Lebens seines besten Freundes konfrontiert. Eingerahmt wird diese Geschichte von umfassender Musiktheorie über verschiedene Ansätze des zwanzigsten Jahrhunderts, die sogar mir manchmal zu komplex waren (nun habe ich auch keine Musikwissenschaft studiert, sondern interessiere mich “nur” privat dafür), und historischen Bezügen, wie dem zu dem Faust-Stoff. Wenn es einen umfangreichen Roman gibt, den ich im vergangenen Jahr gelesen habe, dann ist es dieser hier.
Zeitbloms Schilderungen geben Rätsel auf. Er schreibt die Geschichte seines Freundes Adrian Leverkühn Jahre nach seinem Tod auf und berichtet dabei so detailliert über Ereignisse aus ihrer gemeinsamen Jugend wie über Dinge, die vor kurzer Zeit geschehen sind. Dabei mimt er stets den allwissenden Erzähler, was in einigen Situationen authentisch erscheint, manchmal aber schlichtweg nicht überzeugen kann. Nicht nur müsste man über ein phänomenales Gedächtnis verfügen, um sich Unterhaltungen über Belanglosigkeiten wortwörtlich über Jahrzehnte hinweg zu merken, auch ist er bei einigen Geschehnissen ganz einfach nicht zugegen, wodurch sich dem Leser die Frage stellt, wie er zu diesen Berichten stammt. Allein die Erzählerperspektive hat in unserem Seminar (was aktuell läuft, sodass ich theoretisch jede Woche meine Erkenntnisse hier ergänzen könnte
Man könnte ganze Abhandlungen über diesen Roman verfassen, dies war nur ein kleiner Einblick in den Umfang und den Aufbau dieses Werkes. Wer sich damit befassen möchte, sei gewarnt vor der Menge an Musiktheorie, aber auch vor der Komplexität des Inhaltes. Dennoch ist Doktor Faustus meiner Meinung nach ein interessantes Buch, das es wert ist, gelesen zu werden. Man braucht nur eben einiges an Zeit und gute Nerven dafür.