Thomas Hoepker gehört zu den bedeutendsten Reportagefotografen der letzten Jahrzehnte. Einen Großteil seines Lebens hat er in den USA zugebracht, für die wichtigsten Magazine der Welt fotografiert und war nicht zuletzt Präsident von Magnum, einer der bedeutendsten Bildagenturen. Noch bis zum 28. November zeigt die Berliner Galerie Johanna Breede Photokunst Ausschnitte aus dem Werk Hoepkers.
Ausstellungsbeschreibung
Die Welt ist verstellt. Das, was man gemeinhin Wirklichkeit nennt, ist bei genauer Betrachtung nur ein Wirrwarr aus Zeichen. Verloren sind längst die Eindeutigkeiten. Verschwunden sind klare Botschaften. Dallas, Texas; 1963: Hinter einer belebten Straße liegt das Geschäftshaus eines alten Pfandverleihers. Die heruntergekommene Fassade ist übersät mit Schriften und Zeichen. Es ist ein Tohuwabohu aus Buchstaben. Eine Aussage verstellt hier die andere. Ein Schild überlagert das nächste. Und je mehr man von dem Chaos entziffern wird, je weniger wird man von all dem verstehen.
Vielleicht hat dieses vieldeutige Geschäftshaus damals nur darauf gewartet, von einem klaren Auge gesehen zu werden. Einem Auge, wie es der damals 27jährigen Thomas Hoepker hatte. Für eine Reportage für das Magazin „Kristall“ hatte sich Hoepker auf die Suche nach dem Amerika jenseits von Time Square und Mullholland Drive gemacht. Einem Amerika, wie es Jahre zuvor bereits Robert Frank gezeigt hatte: Brüchig, verschachtelt und mehrdeutig. Irgendwann auf seiner Reise war Hoepker dann auf „Honest Joe’s“ Pfandhaus gestoßen. Und aus dem Chaos der Zeichen hat er eines seiner bis heute charakteristischsten Bilder geformt. Hermetisch und hintergründig. Mehrdeutig, wie zuvor bereits seine Aufnahmen von Reklameschildern am Highway von Reno oder von einer riesigen Werbetafel über einer Reifenhandlung in Houston.
Bis heute ist die Welt der Zeichen eines der zentralen Themen im Werk des gebürtigen Münchners. Mal zeigt Hoepker jene geheimnisvollen Codierungen, die sich mittels Reklamen, Alltagsgegenständen oder Kunstwerken in die urbane Wirklichkeit eingeschrieben haben; mal jene, die er mit seinen Bildern selbst kreiert hat. Denn Thomas Hoepker ist einer der letzten großen Ikonen-Macher. Seine Aufnahmen für Magazine wie Twen, stern oder GEO haben über gut sechs Jahrzehnte hinweg Geschichte geschrieben: Andy Warhol hinter transparenter Folie, Mohammed Ali beim Friseur, die grauen Stadtlandschaften von Ost-Berlin. Kaum ein anderer Photoreporter seiner Generation hat bis heute ein derart gutes Auge für jenen geheimnisvollen Moment bewiesen, in dem sich das Weltgeschehen hinter kleinen, nebulösen Geschichten versteckt. Vielleicht ist Hoepker mit diesem Talent sogar eine der letzten Ikonen der Photographie gelungen: Als am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die New Yorker „Twin Tower“ stürzten, da schoss er eine Aufnahme, die um die Welt ging: Eine düstere Rauchwolke über einem spätsommerlichen Hudson-River. Das Ende der 90er Jahre. Ein Abschied von Hedonismus und Sorglosigkeit.
Diese und zahlreiche andere Photographien des einstigen Präsidenten von „Magnum Photos“ sind nun in einer Einzelausstellung in der Galerie Johanna Breede PHOTOKUNST zu sehen. 30 Aufnahmen, die einen Kreis schließen. Denn nach vielbeachteten Ausstellungen zum Werk Stefan Moses, Robert Lebecks oder Max Schelers ist es für die Galerie nur konsequent, mit Thomas Hoepker auch einen der letzten großen Photoreporter der Illustrierten „stern“ auszustellen. Reporter, die mit ihrer ganz eigenen Handschrift ein Stück der verstellten Wirklichkeit gezeigt haben. Einer Wirklichkeit voller Zeichen, Mysterien und Geheimnisse. Vielleicht war diese auch damals schon nicht mehr decodierbar. Aber wie „Honest Joe’s“ Pfandhaus hat sie gewartet – harrend dem Auge, das sie sieht. (Text: Ralf Hanselle)
Wann und wo
12. September bis 28. November 2015
Johanna Breede PHOTOKUNST
Fasanenstraße 69
10719 Berlin