Doch bei Zwanziger brennt das Hemd. Zweimal veranstaltete der kleinwüchsige Großfunktionär eine WM im eigenen Land, nie gelang es seinen Mannschaften dabei, einen Titel zu holen. Zweimal erklärte er, wegen all des Ärgers zurücktreten zu wollen. Niemand war ihm dankbar genug. Selbst als er den Abschied von hannovers Torwart Robert Enke zu einem Medienspektakel von Michal-Jackson-Totenfeier-Dimensionen machte, kritisierte das noch mancher.
Überschattet wurden herausragende Qualifikations- und Freundschaftsspiel-Triumphe von unerwünschten Einblicken ins innerste Seelenleben des Verbandes: Schiedsrichter und Spieler wurden offenbar über Jahre hinweg massenhaft bestochen, um Spielergebnisse zu manipulieren. Zwischen Unparteiischen entspannen sich erotische Kabale, sexuelle Abhängigkeitsverhältnisse wurden öffentlich. Gerichtssäle waren der Platz, auf dem um Deutschlands Fussball gespielt wurde. Zwanziger selbst sah sich als "Demagoge" verleumdet und mit Zitaten konfrontiert, die er im Nachhinein nie gesagt haben wollte. Er war unbequem. Weil er klagte. Und mahnte. Und klagte. Und verlor.
Schließlich, und das muss Theo Zwanziger am meisten gewurmt haben, wurde auch noch klar, dass das Bild der heilen Fußballwelt, das sein Verband, die Deutsche Fußball-Liga und die ihnen als Vertragspartner verpflichteten Medienhäuser mit viel Geld und modernster Technik gezeichnet hatten, eine Fata Morgana ist. Nein, Gewalt am Spielfeldrand und vor dem Stadion gibt es nicht nur im unterklassigen Fußballosten. Nein, es hat nichts gebracht, die Traditionsvereine der ehemaligen DDR in einem über 20 Jahre währenden Prozess dorthin zu schicken, wo sie herkamen, und wieder eine rein westdeutsche 1. Liga zu betreiben.
Auch der Schritt, die Nationalmannschaft wieder durchweg mit Spielern aus den alten Ländern zu besetzen, um endlich wieder irgendeinen Titel zu holen, fruchtete nicht. Fahrlässigerweise war übersehen worden, dass Toni Kroos im Städtchen Greifswald/DDR geboren wurde - und rein statistisch betrachtet ist das Auflaufen eines Ostdeutschen im Nationalmannschaftsdress bei einer EM oder WM das Todesurteil für jede Titelambition einer deutschen Equipe.
Theo Zwanziger hat nicht hören wollen auf gute Ratschläge, die es durchaus gab. Er wollte lieber selbst welche geben. Je nachdem, wen sie betrafen, fielen sie unterschiedlich aus bis zur Gegensätzlichkeit. Hinweise darauf, dass nur eines richtig sein könne, ließ er seine Anwälte beantworten. Gegen Kostennote.
Ein solcher Mann, das ist klar, geht niemals so ganz, auch nicht im dritten Anlauf. Wie in gutgeführten Monarchien und ehrlichen Volksdemokratien üblich, sucht der Amtsinhaber seinen Nachfolger auch beim DFB selbst aus. "Ich bin seit einigen Monaten diesbezüglich mit einer Persönlichkeit im Gespräch, die ich für sehr geeignet halte", ließ Zwanziger die staatliche Danachrichtenagentur dpa wissen. Der "Spiegel" will inzwischen wissen, dass es um einen "Mister X" gehe, "der aus der Finanzwelt kommen soll". Dort hatte Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, gerade überraschend sein Amt zur Verfügung gestellt - offenbar wohl, um an die Spitze des DFB zu wechseln. Genau der richtige Mann, um Zwanzigers Fußballkonzept umzusetzen: "Sport ist nicht nur Kommerz, Sport ist auch Wirtschaft".