Schon am Anfang unseres Lebens sind die Bedürfnisse da. Sie werden befriedigt oder auch nicht, sie entstehen aufs Neue, andere Bedürfnisse kommen hinzu, sie verändern sich und sie verändern uns. Alles – wirklich alles! –, was wir denken, fühlen und tun, hängt mit einem Bedürfnis zusammen. Stricken, handwerken, schlafen, joggen, streiten, schmeicheln, schimpfen, streicheln, reden, sich lieben, sich prügeln, arbeiten, lesen, grübeln, erfinden, heranziehen, wegstoßen, bauen, niederreißen … Alles dient dazu, Bedürfnisse zu befriedigen. Grund genug, sie uns heute einmal genauer anzusehen.
Es gibt verschiedene Wege, sich über die eigenen Bedürfnisse klar zu werden. Du kannst Dein jeweiliges Bedürfnis aus Deinem Urteil, Deinem Gefühl oder Deinem Verhalten schließen oder es direkt erkennen.
Möglichkeit 1 – Vom Gefühl zum Bedürfnis
Immer, wenn Du ein Gefühl wahrnimmst, hat das mit einem Bedürfnis zu tun. Gefühle sind die Signale dafür, ob Bedürfnisse erfüllt sind oder nicht. Ist ein Bedürfnis erfüllt, signalisiert es das über ein angenehmes Gefühl. Ist ein Bedürfnis nicht erfüllt, signalisiert es das über ein unangenehmes Gefühl. Manchmal ist es recht einfach, das Bedürfnis hinter dem Gefühl zu erkennen:
Gefühl Bedürfnis
Alleinsein, Einsamkeit Kontakt, Freundschaft, Nähe, Vertrautheit, Wertschätzung, Verständnis, Beachtung, Annahme, Austausch, Unterstützung, wichtig und kostbar für jemanden sein, Zugehörigkeit, Gemeinschaft, Liebe, warmes Nest, Fürsorge
Druck, Erschöpfung, Stress, Überlastung, Abgespanntheit Entspannung, Leichtigkeit, Unterstützung, Entlastung, Gesundheit, Balance
Weitere Beispiele findest Du in der Liste Vom Gefühl zum Bedürfnis (PDF, 2 Seiten).
Bei vielen anderen Gefühlen verhält sich die Sache weniger eindeutig. So kannst Du gereizt sein,
- weil etwas nicht funktioniert (Wirksamkeit),
- weil Du Dich verletzlich fühlst (Schutz),
- weil Du unglücklich verliebt bist (Annahme, Liebe),
- weil Du nicht gut geschlafen hast (Erholung),
- weil Du Raum für Dich brauchst (Freiheit),
- weil der Blutzuckerspiegel zu niedrig ist (Nahrung),
- weil Du etwas selbst entscheiden möchtest (Autonomie) etc.
Möglichkeit 2 – Vom Verhalten zum Bedürfnis
Alles Verhalten ist darauf ausgerichtet, Bedürfnisse zu erfüllen. Selbst tragischstes Verhalten dient letztlich dem Ziel, das eigene Leben zu verschönern. Ob das so wirklich gelingt, ist eine andere Sache. Die spannende Frage ist, welches Bedürfnis durch Dein Verhalten oder Deinen Verhaltensimpuls eigentlich befriedigt werden soll.
- Welches Bedürfnis versuchst Du Dir mit Deinem Verhalten zu erfüllen?
- Wenn Du tun würdest, wonach es Dich drängt: Was wäre dann?
- Welches Bedürfnis wäre Deiner Hoffnung nach erfüllt?
Nachfolgend findest Du etliche Anregungen, Deine derzeit wichtigsten Bedürfnisse zu erkennen.
Deine wichtigsten Bedürfnisse
Möchtest Du Deine persönliche Bedürfnis-Hitliste kennenlernen? Dann lohnt es sich, über folgende Fragen nachzudenken:
- Wie würdest Du den Satz „Ich möchte ein Leben, in dem … stattfindet“ vervollständigen?
Wie führst Du die Sätze „Meine Vision für mein Leben ist …“ oder „Ich sehne mich danach, dass mein Leben so aussieht: …“ weiter? - Erinnere Dich an Situationen in Deinem Leben, in denen Du sehr glücklich warst.
Was hat Dich so glücklich gemacht?
Mit welchen Bedürfnissen hatte das zu tun? - In welchen Situationen warst Du in letzter Zeit sehr unglücklich oder frustriert?
Worum ging es dabei? - Worüber regst Du Dich auf?
Was magst Du überhaupt nicht?
Auf welche Bedürfnisse weist das hin? - Welches Verhalten legst Du immer wieder an den Tag, obwohl Du es nicht magst und es Dich selber stört?
Welche Bedürfnisse erfüllst Du Dir damit?
Warum stört Dich dieses Verhalten?
Welche Bedürfnisse erfüllst Du Dir damit nicht? - Worum gingen die letzten drei größeren Auseinandersetzungen/Krisen/ Verletzungen in Deinem Leben?
Um welches Thema ging es?
Welche Bedürfnisse stecken dahinter? - Warum hast Du Deine Partnerin oder Deinen Partner gewählt?
Welche Bedürfnisse erfüllt Deine Partnerschaft? - Welche Bedürfnisse werden in Deinen Freundschaften gelebt?
- Welche Urteile kommen häufig in Dir auf?
Welche Bedürfnisse melden sich dadurch? - Wofür machst Du Menschen sehr gerne Komplimente?
Welche Deiner Bedürfnisse sind erfüllt? - Mit wem vergleichst Du Dich immer wieder?
Auf welche Bedürfnisse weisen Deine Vergleiche Dich hin? - Vervollständige den Satz „Ich mag keine Menschen, die …“.
Welche Bedürfnisse stecken hinter Deinem Urteil? - Welche Feindbilder hast Du?
Auf welche Bedürfnisse und Werte weisen diese hin? - Welches Urteil, das jemand über Dich fällen könnte, fürchtest Du am meisten?
Welches Deiner Bedürfnisse würde davon berührt? - Welches Urteil wurde über Dich in der Vergangenheit gefällt, das Dich heute noch schmerzt?
Welches Bedürfnis blieb unerfüllt? - Wofür gibst Du Dein Geld schwerpunktmäßig aus (Urlaub, Hobbys, Kleidung, Altersvorsorge, Spenden, Fortbildungen, Gesundheit, Essen …)? Was sagt Dir das über Deine Werte? (Nutze hierzu auch das Arbeitsblatt Finanzen.)
- Womit verbringst Du schwerpunktmäßig Deine Zeit und worum kreisen Deine Gedanken?
Welche Bedürfnisse versuchst Du Dir damit zu erfüllen?
Du kennst ja schon das ABC der Werte. Heute habe ich für Dich das ABC der Bedürfnisse (PDF, 1 Seite), das Du Dir gerne herunterladen kannst. Es kann Dir dabei helfen, die obigen Fragen eindeutiger zu beantworten.