Theaterschließung: Tod im zweiten Aufzug

Theaterschließung: Tod im zweiten AufzugEin Stück aus dem Tollhaus, das da in Halle, der selbsternannten Kulturstadt an der Saale, aufgeführt wird. Die Premiere fand vor zwei Jahren statt, als die Rathausspitze ankündigte, wegen notwendiger Einsparungen im Haushalt eines der derzeit noch drei Theater schließen zu müssen. Die Wahl sei, so hieß es, aus naheliegenden Gründen auf das Kinder- und Jugendtheater Thalia gefallen: Es ist die kleinste Bühne, sie hat die wenigsten Mitarbeiter, den geringsten Etat und sie spielt nicht wie das Opernhaus einen 2,5 Millionen Euro teuren "Ring" an drei Tagen im Jahr. Sondern streitbare Stücke mit Original-Fussball-Ultras oder Rockopern mit Hausmitteln.
Ein Proteststurm fegte durch die Stadt, die Menschen, die von ihrer Regierung alles Mögliche erwarten und in der Regel auch alles gebotene sprachlos schlucken, muckten auf. Protestresolutionen wurden verfasst, Parteien gerieten in Angst, vor der anstehenden Landtagswahl an Zustimmung zu verlieren. Schließlich wurde die Schließung abgesagt - mit der einzigen Bedingung, dass sich sämtliche Mitarbeiter aller drei Bühnen bereiterklären müssten, einen Haustarifvertrag abzuschließen, in dem sie einem Gehaltsverzicht zustimmen.
Der Vertrag kam zustande. Er gilt bis zum Jahr 2016. Aber die Uhren im Rathaus gehen anders: Trotz bestehender Verträge hat der Aufsichtsrat der städtischen Theatergesellschaftnun erneut die sofortige Schließung des Thalia-Theater beschlossen. Durch absehbare Mehrausgaben aufgrund der anstehenden Tariferhöhungen in Höhe von 300.00 Euro reichten die vereinbarten Sparbeiträge der Mitarbeiter nicht aus, das Theater wie vereinbart zu erhalten. Das Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters solle "seine Arbeit unter Nutzung der anderen Spielstätten der GmbH bestmöglich fortführen", heißt es offiziell. Ein veränderter Spielplan werde in den nächsten Wochen erarbeitet.
Seht ihr, Bürger, so wird das gemacht. Schon bei Abschluss des Haustarifvertrages hatten Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass zwischen 2011 und 2016 mehrere Jahre mit automatischen Tariferhöhungen liegen. Doch die Stadt pokerte im Wissen darum, dass die kommenden Steigerungen bei den Gehaltszahlungen schnell zu neuen Finanzlöchern führen würden. Die dann erneut eine Möglichkeit eröffnet, die ungeliebte Kinderbühne zuzumachen.
Die Rechnung scheint aufzugehen. Wo letztens noch Protest laut wurde, herrscht jetzt konsterniertes Schweigen. Es gibt keine öffentlich wahrnehmbare Kritik, keinen Widerstand, kein lautes Hohngelächter über die gleichzeitig mit der Schließungsankündigung verbreitete Nachricht, dass der 70-jährige Theater-GmbH-Chef Rolf Stiska für seine erfolgreiche Arbeit eine Vertragsverlängerung um weitere vier Jahre erhält. Der Tod kommt in diesem Stück im zweiten Aufzug. Lautlos, als würden die Bürger nichts anderes als solche Trickserei, solchen Verrat von ihren gewählten Volksvertretern erwarten.

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