Theater als Schrei(n) ¶

Theater als Schrei(n) ¶
Am Tag des Theaters, an dem viele kleine Bühnen ein volles Haus erwarteten, tut der pandemiebedingte Vorhang besonders weh.

Heute wäre an den Theatern weltweit in allen Sprachen der Erde wieder vor den Vorstellungen, Aufführungen und Events die diesjährige Botschaft des internationalen Theaterinstituts vorgelesen worden; das ist schade... wer verkündet denn nun die frohe Botschaft? - Ich stelle mir das Schauspiel in dauerhaften, koronalen Krisen wie diesen vor; ob dann nur noch die Logen der Großen besetzt werden dürfen und die Mimen wahrhaftig vor leeren Rängen spielen würden? Ob die Balkonkultur der letzten Tage sich zu einer neuen Form des Theaters entwickeln wird und ob man dann Balkon-Gage bekäme? Geht der Trend zum #DigiDrama? Und welche Stücke, ja, welche Spiele?

Der Betrübnis und Selbstquarantäne zum Trotz mache ich mich unbeirrt auf, wie in jedem Jahr, beim Theater unten ums Eck vorbeizuschauen; diesmal wegen der „Einschränkung von Lieferungen nicht-lebenswichtiger Waren" ohne Original-Rose wie sonst; heuer faltete ich eine Origami-Rose für #GardaVonDerRobe. Es ist dunkel drinnen von weitem, draußen geschlossene Türen vorab, ein Zettel hängt zwar dran: „Wegen Ausgangssperre geschlossen." - ein Symbol der wirtschaftlichen Lage von KKU, Kleinkunstunternehmen, denke ich zynisch. Doch die Tore bleiben fest verschlossen; ich rüttele dran wie ein Süchtiger, der ins Casino will, wie ein zutiefst gläubiger Mensch, der Einlass verlangt und Trost suchend vor den Portalen seiner Kirche steht. Um Theaterasyl flehend!

Ich halte die Hand ans Schaufenster, um besser reinblicken zu können, im Halbdunkel das traurige Bild der leeren Garderobe im Foyer wie ungeliebt verlassen, auf dem Tresen steht noch ein ausgeschlürftes Cocktailglas hoffnungslos; ich denke an Edward Hopper und die restlos hochgestuhlten Sitze, im Zuschauerraum wohl auch alles Hochgeklappte. Dabei mag ich eigentlich trostlose Plätze, menschenleere Orte; doch nicht im Theater, nicht am Begegnungsort von Intellekt und Körper, nicht beim Aufeinandertreffen von Geist und Zeitgeist, nicht in den Heiligen vier Wänden, in gesegneten Hallen, in begnadeten Sälen und nicht auf geweihten Brettern! - Nicht bei den „Vorboten sozialen Wandels"...

Aus dem Augenwinkel erblicken meine Augen eine Schrift und wie üblicherweise beginnen sie wie von selbst, das geschriebene Wort zu entziffern, erst nur in Sprachfetzen: „Theatermachen kann eine heilige Kunst sein, ... Theater erhebt die Schauspielkunst auf eine höhere, spirituelle Ebene ... Theater vermag ein Schrein zu werden, und der Schrein ein Theaterraum." - Garda hat also wie zu Luthers Zeiten die diesjährige vom pakistanischen Dramatiker Shahid Nadeem verfasste Theater-Botschaft im Schaufenster angenagelt. Dass ich das erst jetzt sehe... ; wie wunderbar von ihr... : ich lese weiter...

"In einer Welt, in der Bigotterie, Hass und Gewalt wieder auf dem Vormarsch sind, und unser Planet immer tiefer in eine Klimakatastrophe stürzt, müssen wir unsere spirituelle Kraft wieder auffrischen. Wir müssen gegen die Gleichgültigkeit, Lethargie, den Pessimismus, die Gier und Rücksichtslosigkeit gegenüber unserer Welt und unserem Planeten ankämpfen. Theater spielt eine Rolle, eine edle Rolle, indem es die Menschheit stärkt und antreibt, sich aus dem Abgrund, in den sie sinkt, zu erheben. Es vermag die Bühne und den Spielort zu etwas Heiligem zu machen."

...dann beginne ich von vorn, die ganze Botschaft bewusst lesend.

Am ersten #WeltTheaterTag, an dem ich #GardaVonDerRobe wegen der #CoronaKrise nicht sah, legte ich ihr die Rose aus Falzpapier vor den Künstlereingang, blickte beim Davongehen zurück ins Schaufenster wie zu einem Altar und dachte: „Amen, Bruder!"

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