Von Stefan Sasse
Von 1999 bis 2006 lief in sieben Staffeln die Serie "The West Wing" auf dem amerikanischen Sender NBC. Die Serie bildet, leicht dramatisiert, den Alltag von "senior staff" im Westflügel des Weißen Hauses nach. Darunter fallen der Chief of Staff, sein Stellvertreter, der Director of Communications und sein Stellvertreter sowie einige untergeordnete Rollen. Sie dienen im Weißen Haus des fiktiven Präsidenten Josiah Bartlet, eines liberalen Demokraten. Markenzeichen der Serie sind vor allem die schnellen, pointierten, intelligenten und witzigen Dialoge sowie das Befassen mit politischen Problemen, die an der Realität angelehnt sind. Wer "The West Wing" gesehen hat besitzt einen sehr guten Einblick darin, wie das US-Politiksystem funktioniert, besonders, wie es hinter den Kulissen funktioniert. Da die Charaktere allesamt Liberale aus Überzeugung sind, in einer Reinheit wie man sie in der Realität wohl nur selten findet, haben manche Kritiker die Serie als "liberalen Porno" bezeichnet, da sie eine idealtypische demokratische Präsidentschaft darstellt. Zu einem gewissen Teil trifft dieser Vorwurf zwar zu; er konstituiert allerdings eher eine Stärke der Serie als eine Schwäche.
Eine kohärente Geschichte, wie sie etwa Battlestar Galactica oder Caprica anbieten, hat The West Wing nicht wirklich im Angebot. Obwohl einige Themen später wieder aufgegriffen werden - etwa die Beziehung zwischen der Präsidententochter und dem Personal Aide Charly - steht jede Folge doch relativ unabhängig unter einem bestimmten Topos. Mal geht es darum, dass ein bestimmtes Gesetz durch den Kongress gebracht werden soll, mal muss ein potenzieller Skandal abgewehrt werden, mal auf eine terroristische Attacke reagiert oder einfach nur irgendein Feiertag begangen werden. Exemplarisch werden dem Zuschauer dabei die jeweils tangierten Bereiche des US-Politiksystems nahe gebracht.
Das ist es, wo die Kritik des "liberalen Pornos" ein wenig zu kurz fällt. Denn obwohl die Charaktere von einem recht firmen Wertesystem aus operieren, machen weder sie es sich noch die Serie es dem Zuschauer leicht. Stets gibt es irgendjemand, der dagegen argumentiert. Stets wird auch die Gegenseite beleuchtet. Häufig - und hier darf man getrost Unrealismus vorwerfen - suchen die Protagonisten gezielt andere Meinungen, stellen gar Hardliner-Republikaner ein, um eine andere Sicht der Dinge zu bekommen. Man wehrt sich gegen die Verflachung des politischen Niveaus. Es gibt Strahlmomente, in denen diese liberalen Werte mit voller Wucht zur Geltung kommen und man sich der tristen Realität für die bessere Welt entgegenstellt. Das ist umso überzeugender, als auch die Charaktere im Pragmatismus des Alltags verloren gehen, ihre Linie sich aufweicht und nicht erkennbar wird. Irgendwann fragt sich Toby Ziegler, der Director of Communications, was von den hehren Hoffnungen eigentlich blieb und beklagt bitterlich die Tendenz des Präsidenten, stets zur Mitte zu tendieren und den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Oftmals scheitern die Charaktere auch und müssen mit diesem Scheitern leben. Das macht die Geschehnisse erst glaubhaft. Echte Erfolge sind selten, aber dafür umso befriedigender.
Perfekt ist die Serie nicht. Sie hat ihre Fehler, besonders in der praktisch nicht vorhandenen Charakterentwicklung. Das ist definitiv nicht Sorkins Stärke, weswegen die Charaktere erst nach seinem Weggang in der vierten Staffel an Gesicht gewinnen. Wirklich mit ihnen leiden oder mitfiebern kann man nicht; man gewinnt seinen Spaß eher aus den issues und Dialogen als an den Persönlichkeiten. Das ist umso merkwürdiger, als dass alle Grundlagen gegeben sind und spätere Schreiber darauf auch aufbauen; die Charaktere sind eigentlich interessant. Konsequenzen haben ihre Erlebnisse in den ersten Staffeln leider trotzdem nicht; Nebencharaktere, die für Plots von großer Bedeutung waren - etwa Sam Seaborns Freundin, die gleichzeitig Prostituierte ist - verschwinden irgendwann und werden nie wieder erwähnt. Dieses Problem ist erst am Ende überwunden.
Davon aber sollte sich niemand den Spaß verderben lassen. Es kann an dieser Stelle nur eine unbedingte Empfehlung ausgesprochen werden, sich "The West Wing" zuzulegen. Bislang gibt es zwar die erste Staffel auf Deutsch, aber jemals eine Komplettsynchronisation vorliegen wird ist eher fraglich. Die Komplettbox der englischen Staffeln ist relativ günstig über Amazon zu beziehen (siehe Link) und das verwendete Englisch, obgleich oftmals schnell gesprochen insgesamt sehr gut verständlich, besonders wenn man Untertitel heranzieht. Wegen der Sprache sollte man sich keinesfalls von der Sendung abhalten lassen. The West Wing ist eine reiche, belohnende Erfahrung für jeden, der sich darauf einlässt. Ich habe die Serie bereits zwei Mal vollständig angesehen und freue mich bereits auf den dritten Durchgang.
Amazon-Kauflinks:
Erste Staffel Deutsch
Komplettbox Englisch
Erste Staffel Englisch
Bildnachweise:
Sheen - US Navy (gemeinfrei)
Von 1999 bis 2006 lief in sieben Staffeln die Serie "The West Wing" auf dem amerikanischen Sender NBC. Die Serie bildet, leicht dramatisiert, den Alltag von "senior staff" im Westflügel des Weißen Hauses nach. Darunter fallen der Chief of Staff, sein Stellvertreter, der Director of Communications und sein Stellvertreter sowie einige untergeordnete Rollen. Sie dienen im Weißen Haus des fiktiven Präsidenten Josiah Bartlet, eines liberalen Demokraten. Markenzeichen der Serie sind vor allem die schnellen, pointierten, intelligenten und witzigen Dialoge sowie das Befassen mit politischen Problemen, die an der Realität angelehnt sind. Wer "The West Wing" gesehen hat besitzt einen sehr guten Einblick darin, wie das US-Politiksystem funktioniert, besonders, wie es hinter den Kulissen funktioniert. Da die Charaktere allesamt Liberale aus Überzeugung sind, in einer Reinheit wie man sie in der Realität wohl nur selten findet, haben manche Kritiker die Serie als "liberalen Porno" bezeichnet, da sie eine idealtypische demokratische Präsidentschaft darstellt. Zu einem gewissen Teil trifft dieser Vorwurf zwar zu; er konstituiert allerdings eher eine Stärke der Serie als eine Schwäche.
Eine kohärente Geschichte, wie sie etwa Battlestar Galactica oder Caprica anbieten, hat The West Wing nicht wirklich im Angebot. Obwohl einige Themen später wieder aufgegriffen werden - etwa die Beziehung zwischen der Präsidententochter und dem Personal Aide Charly - steht jede Folge doch relativ unabhängig unter einem bestimmten Topos. Mal geht es darum, dass ein bestimmtes Gesetz durch den Kongress gebracht werden soll, mal muss ein potenzieller Skandal abgewehrt werden, mal auf eine terroristische Attacke reagiert oder einfach nur irgendein Feiertag begangen werden. Exemplarisch werden dem Zuschauer dabei die jeweils tangierten Bereiche des US-Politiksystems nahe gebracht.
Martin Sheen als Präsident Bartlet
Dass dieses recht verkopfte, eher theoretische Konzept über sieben Staffeln tragen konnte hat hauptsächlich mit den Charakteren und der Schreibe des Seriengründers Aaron Sorkin (The Social Network) zu tun. Die Dialoge der Serie sind großartig, witzig, geistreich und unterhalten vortrefflich. Sorkins Schreibe schafft es, den Umgangston und spezifischen Duktus der Staffer glaubhaft zu transportieren. Man fühlt sich tatsächlich wie im Weißen Haus und glaubt den Darstellern ihre Rollen. Zum anderen sind die jeweiligen Plotaufhänger exzellent gewählt. Die Fälle, die zu lösen sind, sprechen eine ungeheure Bandbreite an und vermixen zumeist ein handfestes politisches Problem mit einem gesellschaftlichen, moralischen oder ethischen Problem. Wenn etwa Terroristen einen Anschlag verüben, geht die Antwortfindung weit über die reine politische Dimension hinaus. Stets muss auch die Frage der Angemessenheit von Aktionen bedacht sein und ihrer generellen Zulässigkeit. Denn Charaktere wie Situationen sind stets ambivalent.Das ist es, wo die Kritik des "liberalen Pornos" ein wenig zu kurz fällt. Denn obwohl die Charaktere von einem recht firmen Wertesystem aus operieren, machen weder sie es sich noch die Serie es dem Zuschauer leicht. Stets gibt es irgendjemand, der dagegen argumentiert. Stets wird auch die Gegenseite beleuchtet. Häufig - und hier darf man getrost Unrealismus vorwerfen - suchen die Protagonisten gezielt andere Meinungen, stellen gar Hardliner-Republikaner ein, um eine andere Sicht der Dinge zu bekommen. Man wehrt sich gegen die Verflachung des politischen Niveaus. Es gibt Strahlmomente, in denen diese liberalen Werte mit voller Wucht zur Geltung kommen und man sich der tristen Realität für die bessere Welt entgegenstellt. Das ist umso überzeugender, als auch die Charaktere im Pragmatismus des Alltags verloren gehen, ihre Linie sich aufweicht und nicht erkennbar wird. Irgendwann fragt sich Toby Ziegler, der Director of Communications, was von den hehren Hoffnungen eigentlich blieb und beklagt bitterlich die Tendenz des Präsidenten, stets zur Mitte zu tendieren und den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Oftmals scheitern die Charaktere auch und müssen mit diesem Scheitern leben. Das macht die Geschehnisse erst glaubhaft. Echte Erfolge sind selten, aber dafür umso befriedigender.
Perfekt ist die Serie nicht. Sie hat ihre Fehler, besonders in der praktisch nicht vorhandenen Charakterentwicklung. Das ist definitiv nicht Sorkins Stärke, weswegen die Charaktere erst nach seinem Weggang in der vierten Staffel an Gesicht gewinnen. Wirklich mit ihnen leiden oder mitfiebern kann man nicht; man gewinnt seinen Spaß eher aus den issues und Dialogen als an den Persönlichkeiten. Das ist umso merkwürdiger, als dass alle Grundlagen gegeben sind und spätere Schreiber darauf auch aufbauen; die Charaktere sind eigentlich interessant. Konsequenzen haben ihre Erlebnisse in den ersten Staffeln leider trotzdem nicht; Nebencharaktere, die für Plots von großer Bedeutung waren - etwa Sam Seaborns Freundin, die gleichzeitig Prostituierte ist - verschwinden irgendwann und werden nie wieder erwähnt. Dieses Problem ist erst am Ende überwunden.
Davon aber sollte sich niemand den Spaß verderben lassen. Es kann an dieser Stelle nur eine unbedingte Empfehlung ausgesprochen werden, sich "The West Wing" zuzulegen. Bislang gibt es zwar die erste Staffel auf Deutsch, aber jemals eine Komplettsynchronisation vorliegen wird ist eher fraglich. Die Komplettbox der englischen Staffeln ist relativ günstig über Amazon zu beziehen (siehe Link) und das verwendete Englisch, obgleich oftmals schnell gesprochen insgesamt sehr gut verständlich, besonders wenn man Untertitel heranzieht. Wegen der Sprache sollte man sich keinesfalls von der Sendung abhalten lassen. The West Wing ist eine reiche, belohnende Erfahrung für jeden, der sich darauf einlässt. Ich habe die Serie bereits zwei Mal vollständig angesehen und freue mich bereits auf den dritten Durchgang.
Amazon-Kauflinks:
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Erste Staffel Englisch
Bildnachweise:
Sheen - US Navy (gemeinfrei)