The Weekend Watch List: Paranormal Activity
6HorrorEin Mann. Eine Kamera. Ein Film. Paranormal Activity. Ein Mann und seine Kamera kämpfen gegen das Abnorme. So oder so ähnlich könnte man Oren Pelis, Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion, Verbindung eines mitreißenden Konzepts mit einer originellen Idee beschreiben.
Die Ausführung jener Verbindung lässt jedoch etwas zu wünschen übrig. Zum einen sind es obligatorische Logikfehler, die störend und staunend ins Auge springen, kommt man doch nicht umhin die Intelligenz und Handlungsfähigkeit der Protagonisten zu hinterfragen. Mehr als einmal wird man als direkt ins Geschehen hineingezogener Zuschauer vor die unbefriedigende Tatsache gestellt, dass die Figuren bar jeglicher Glaubwürdigkeit agieren. Was jedoch nichts damit zu tun hat, dass sie es mit einem paranormalen Phänomen zu tun haben, sondern dass sie es nicht mal zustande bringen die einfachsten Schlussfolgerungen zu ziehen, wie z.B. die Tür zu schließen oder Hilfe zu holen. Stattdessen versucht vor allem der Mann auf typische Klempnermanier alleine mit dem Problem fertig zu werden. Frei nach dem Motto: Das Wasserrohr ist zwar kaputt, aber ich habe einen Werkzeuggürtel, also brauche ich keinen Klempner. Wenn man allerdings bei mehr als der Hälfte der Werkzeuge nicht mal deren Namen weiß, stellt es einem vor ein gewisses, wohnungsüberflutendes Problem.
Aber als wäre das noch nicht schlimm genug, fehlt es Paranormal Activity zum anderen auch an einer notwendigen Konsequenz. Es ergibt einfach keinen Sinn, warum der Mann auch die alltäglichsten und somit für die eigentliche Handlung unnötigsten Szenen aufnimmt. Warum ist es wichtig, die beiden beim fernsehen oder Zähne putzen zu beobachten? Mit emotionaler Bindung an die Figuren hat dies nur bedingt zu tun, viel mehr damit die notwendige Zeitspanne eines Kinofilms zu erreichen. Die emotionale Bindung wird in einem Film mit diesem Konzept nicht über die Figuren, sondern über die Kamera an sich etabliert. Der Schrecken ergibt sich gerade aus der dokumentarischen Qualität und damit verbundenen Machtlosigkeit des Zuschauers. Die Angst ergibt sich daraus, dass man angeblich reale Szenen hilflos miterlebt, in denen sich die Protagonisten unausweichlich in ihrem Schicksal verrennen, welches nicht selten in deren Tod mündet. Voyerismus in seiner extremsten Form. Dass manche dieser ruhigeren, alltäglichen Szenen natürlich dennoch notwendig sind, um einen Kontrast zum nächtlichen Schrecken zu bilden, der sich in das Leben und Schlafzimmer von Katie (Katie Featherston) und Micah (Micah Sloat) einschleicht, ist unumgänglich und nachvollziehbar. Dass einige Szenen zu viel aber zu Langatmigkeit führen und den Zuschauer mehr aus dem Film herausreißen, anstatt seine Involvierung zu verstärken, ist jedoch auch eine Tatsache, der sich Paranormal Activity nicht erwehren kann.
Trotzdem funktioniert der Film auf mancher Ebene. Gerade die nächtlichen Aufnahmen entfesseln ein immer intensiveres Gefühl der Angst. Dadurch lässt Paranormal Activity selbst seine schwächeren Momente schnell vergessen, freut man sich doch stets darauf, wenn ein Tag vorbei ist und sich die beiden endlich wieder schlafen legen. Man kann kaum die nächste Nacht und den darin lauernden Schrecken erwarten. In den meisten Fällen wird man auch nicht enttäuscht, denn die Ereignisse steigern sich zu einem immer stärkeren Ausmaß und schaffen es vorzüglich die Imagination des Publikums mehr und mehr anzuheizen. In Paranormal Activity liegt nämlich gerade im Ungesehenen, in der Leere, im Nichts, die meiste Angst verborgen.
Daraus bezieht Paranormal Activity auch seine nachhaltigste Wirkung, die selbst lange nachdem der Film vorbei ist noch immer wie ein Brandmahl im Hirn des Zuschauers eingeschweißt bleibt und einem sogar Tage danach verfolgen kann. Diesbezüglich ist Oren Pelis (in rein finanzieller Hinsicht) spottbilliges Regiedebüt zweifellos ein gelungener und erfrischender Horrorfilm, ganz zu schweigen vom finanziellen Erfolgszug. Außerdem ist der Film ein hervorragender Beweis dafür, dass es für die Qualität mehr auf eine originelle Idee, gelungene Umsetzung und intensive Atmosphäre ankommt, als auf überteuerte Spezial Effekte, sich verwandelnde Blechmänner oder blutrünstige Zombies, die mehr zum Lachen animieren, denn zum Fürchten.
Paranormal Activity ist trotz seiner (doch recht störenden) Fehler ein guter Horrorfilm, den man sich durchaus anschauen sollte. Für gelungenen Horror wird hier nämlich auf jeden Fall gesorgt. Auch wenn man aus der Grundidee weit mehr hätte machen können, besonders wenn die angesprochenen Fehler vermieden worden wären, ist Oren Peli dennoch ein beeindruckendes Debüt gelungen.
Regie und Drehbuch: Oren Peli, Darsteller: Katie Featherston, Micah Sloat, Mark Fredrichs, Filmlänge: 84 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 30.04.2010
Autor
Marco RauchAufgabenbereich selbst definiert als: Kinoplatzbesetzer. Findet den Ausspruch „So long and take it easy, because if you start taking things seriously, it is the end of you” (Kerouac) sehr ernst zu nehmend.
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