The Weekend Watch List: Last Man Standing
9ActionLast Man Standing, ein Remake von Akira Kurosawas Yojimbo und Sergio Leones Für eine Handvoll Dollar. Walter Hill wandert auf den Spuren dieser zwei legendären Filmemacher. Kann das funktionieren? Er selbst hat mit Sicherheit nicht die Reputation der anderen beiden und auch sein Last Man Standing wird leider nicht als das angesehen was es ist: ein wirklich fantastischer, gelungener Actionfilm. Zugegeben er reicht vielleicht nicht ganz an die Vorbilder heran, aber das ist auch nicht so wichtig, das versucht er gar nicht. Walter Hill konzentriert sich auf das was er am Besten kann und läuft damit gar nicht Gefahr sich mit diesen japanischen bzw. italienischen Meisterwerken zu messen. Und das ist gerade das tolle an diesem Remake. Es versucht keines zu sein. Es ist ein eigenständiger Film. Kein billiges, unoriginelles Imitat.
Bruce Willis spielt einen knallharten Gangster auf der Durchreise, der jeden umlegt, der sich ihm in den Weg stellt ohne lang zu fackeln. Dabei spielt er in der kleinen Grenzstadt Jericho zwei verfeindete Banden gegeneinander aus. Sein John Smith ist wohl eine seiner coolsten und härtesten Rollen und er spielt sie grandios. Seine lakonische, zynische Offstimme bildet dabei einen perfekten Kontrast zu seinen Taten und den Figuren um ihn herum, und verleiht dem Film eine zusätzliche Dimension, wodurch er sich von seinen Vorbildern abgrenzt. Last Man Standing ist kein bierernster Film, er sprüht nur so vor Selbstironie. Dies zeigt sich auch hervorragend an einem Offkommentar von John Smith, als er dem Zuschauer offenbart was er von den Gangstern in Jericho hält. Er hat schon mal richtige Gangster erlebt, und diese Jungs sind weit davon entfernt welche zu sein.
Damit verweißt John Smith auf die bewusst klischeehafte Darstellung der Gangster in Last Man Standing und gibt ihnen damit gleichzeitig ihre Existenzberechtigung indem er suggeriert, dass reale, echte Gangster nicht so sind. Er selbst weiß wie echte Gangster sind, er ist vielleicht selbst einer von ihnen. Es ist fast so, als würde man einen Wolf in ein Gehege voller Schafe sperren. Der Wolf bekommt vielleicht ein paar Tritte ab, aber im Endeffekt tötet er jedes einzelne Schaf. Die Cops und Gangster in Last Man Standing sind so weit von der Realität entfernt, dass sie sich nur mehr über Klischees etablieren können. Was damals bei den Originalen noch als wirklich bedrohliche Gegenspieler verstanden wurde, muss heutzutage umgearbeitet und zeitgemäß übersetzt werden, damit sie noch an Glaubwürdigkeit besitzen. Und das tun sie, und komischerweise gerade aufgrund der Klischees die sie darstellen.
Die Wahl des Schauplatzes trägt erheblich dazu bei. Denn gerade durch diese abgeschnittene, kleine Grenzstadt Jericho hat Hill die Möglichkeit solche Klischees darzustellen, ohne dass sie lächerlich oder peinlich erscheinen würden. Diese Polizisten und Verbrecher sind von jeglicher Zivilisation abgeschnitten und haben ein eigenes Ökosystem entwickelt. Sie sind allesamt einheimische Tiere, haben keinerlei natürliche Feinde und sind somit sicher. Bis plötzlich dieser John Smith auftaucht, dieser grobe Einschnitt in ihre Realität. Hier kommt auf einmal ein exotisches Raubtier in ihr Revier und macht ihnen ihr Leben streitig. Sie haben gar nicht die Chance rechtzeitig ein Schutzmittel gegen ihn zu finden, weil der Einschnitt in ihre Welt einfach zu groß ist. Er ist ein echter Gangster, er hat mit solchen zu tun gehabt. Nicht mal er kann seine Gegner ernst nehmen und macht sich zum Teil sogar über sie lustig. Er spielt nur mit ihnen, bevor er sie endgültig tötet.
Dies zeigt sich perfekt im finalen Duell zwischen John Smith und Hickey (Christopher Walken), dessen Figur scheinbar aufgibt, aber dann daraus doch ein Spiel macht, indem er Smith fragt ob er einem unbewaffneten Mann in den Rücken schießen würde. Smith entgegnet gewohnt lakonisch, er hätte schon schlimmeres getan. Hickey spielt sein Spiel weiter und versucht Smith zu erschießen, doch er hat scheinbar wirklich schon schlimmeres getan und erschießt seinen Gegner ohne mit der Wimper zu zucken. Der Film versetzt das Publikum mit diesen Mitteln direkt in die Hauptfigur hinein und zieht es somit in seinen Bann. Smith macht sich zwar über seine Feinde lustig und nimmt sie nicht ernst, das bedeutet aber nicht, dass die Figuren unglaubwürdig dargestellt sind. In ihrer eigenen Welt sind es glaubwürdige Figuren, sie könnten nur in der wirklichen Welt (aus der Smith kommt) niemals bestehen.
Last Man Standing ist gespickt mit selbstironischen und selbstbewussten Momenten, zieht die Geschichte und seine Figuren aber gleichzeitig nie ins lächerliche. Bruce Willis (genau wie Toshiro Mifune und Clint Eastwood zuvor) ist die perfekt Wahl für den lakonischen, zynischen, aber gleichzeitig knallharten, gefährlichen Antihelden, mit dem man sich am Besten nicht anlegt, aber dafür umso lieber identifiziert. Er ist die logische und einzig mögliche Fortsetzung von Mifunes und Eastwoods Darstellung der Figuren. Und wenn man Last Man Standing auf einer puren Unterhaltungsebene betrachtet, dann bekommt man gleichzeitig, zu all diesen Reibungsflächen, die er bietet, und seiner verborgenen Doppeldeutigkeit, einen extrem unterhaltsamen, schnellen und harten Actionfilm geboten, der das Herz eines jeden Actionfans höher schlagen lässt.
Walter Hill liefert mit Last Man Standing ein kleines Meisterstück ab. Ein unterhaltsamer Actionreißer, der durch seine Selbstironie und seinen Zynismus, durch seine Figurenzeichnung, einen doppelten Boden offenbart, der tiefer geht als man beim ersten Blick vermutet. Last Man Standing ist ein überaus kluger und gleichzeitig spaßiger Actionfilm, der leider im Resümee von Hill und Willis oftmals übersehen wird. Der Film sollte nicht nur zu Hills Meisterwerken zählen, sondern beinhaltet auch eine der besten Darstellungen von Bruce Willis, der hier all seine früheren Antihelden auf die Spitze und in weiterer Folge zur Vollendung führt. Last Man Standing ist ein Actionfilm aller erster Güte, den man zudem immer wieder ansehen kann und der nie an Unterhaltung nachlässt.
Regie und Drehbuch: Walter Hill, Darsteller: Bruce Willis, Bruce Dern, William Sanderson, Christopher Walken, David Patrick Kelly, Filmlänge: 101 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 13.05.2005
Autor
Marco RauchAufgabenbereich selbst definiert als: Kinoplatzbesetzer. Findet den Ausspruch „So long and take it easy, because if you start taking things seriously, it is the end of you” (Kerouac) sehr ernst zu nehmend.
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