"The Weather Man" [USA 2005]


Der "Fluch der Karibik"-Regisseur, seines Zeichens ein, wie man so schön voller Vorurteile sagt, stilloser Auftragsfilmer ohne Handschrift, empfiehlt sich mit seinem für seine Verhältnisse ungebräuchlichen "The Weather Man" als kleiner, bescheidener Autorenfilmer, der durchaus ein Händchen für ein Indie-Drehbuch hat. Entstanden ist ein kleiner, bescheidener Spießrutenlauf, so anders, so präzise und so wunderbar als die Verbinskis, die Kasse machen müssen. Eine tragikomische Dramödie, eine Selbstfindungsmelancholie, eine mausgraue Ziellosigkeit, eine anzugversauende Demütigung, die im Zentrum einen Wetterfrosch beobachtet, der in die prominente Bedeutungslosigkeit abzugleiten droht und alle Probleme, an die er sich klammert, an sich vorüberziehen sieht, ohne dass er etwas dagegen machen kann. Er berechnet sein Leben, er erlernt die besseren Verhaltensweisen mit manischem Eifer, damit er es von der schiefen Bahn ablenken kann, so wie das Wetter, das er ansagt, obwohl er zunächst das Unvorhersehbare nicht sieht, das, was sich eben nicht mit einer Formel erfassen, sondern nur aus Erfahrung erahnen lässt. Wenn überhaupt. Wie das Wetter eben. 


Dieser Typ – herausragend ambivalent unter subtiler Oberfläche gespielt von Nicholas Cage, in dessen Gesicht sich ein tiefgreifender Halt nach irgendetwas abzeichnet – gehört zu den erstarrenden, ganz besonders zu den elendigen, zu den siechenden, wo man genau weiß, dass die wenigen Späße auf seine Kosten gehen. Und leiden tun wir mit ihm, und wie wir mit ihm leiden. Er sieht sich als Fast Food, schmeckt für den Moment, aber nahrhafte Stoffe hat er in sich nicht. Ein trotteliger Trauerkloß im Erwachsenenleben, wo nichts leicht ist. Sein Leiden ist alltäglich. Die Tochter übergewichtig und ein Mobbingopfer, der Sohn Opfer sexueller Nötigung, die geschiedene Frau sauer durch ein vergessenes Glas Remoulade, der Vater krebskrank, Diagnose: wenige Monate. Und seine Wetteransagen werden mit einer Wurfattacke Limonade in XXL quittiert. Niemand meint es gut mit David Spritz (Cage), höchstens wir, manchmal. Wenn sich Spritz nicht gerade wie ein Bekloppter benimmt. Auf Spritz prasseln fortwährend so viele Probleme ein, dass er nicht mehr die guten von den schlechten unterscheiden kann. Und wir mit ihm. So wie sich das Wetter immer wahllos ändert. Oder Sonne und Regen kombiniert.


Das Entzückende von "The Weather Man" manifestiert sich nicht nur dahingehend, dass der Film den Protagonisten zum Gegenstand jener Allegorie erklärt, die gleichzeitig seinen Job repräsentiert, sondern dass die Dramaturgie zudem eine Sportart hinzugewinnt, die sein Leben reflektiert. Umso wohler sich Spritz allmählich fühlt und den Scheiß endlich hinter zu verlassen versucht, um noch einmal neu in einer neuen Stadt in einem neuen Job anzufangen (Motto: "Hello, America!"), desto geübter trifft er mit Pfeil und Bogen ins Schwarze. Solche Doppeldeutigen gehen mit einer Ironie einher, die das sensible Konzept bissig kommentiert und oft experimentell aufbricht, so als ob die eine Szene mit Spritz' wild durcheinander gewürfelten Gedankenstückchen geflutet wird, die andere sich einer surrealistischen Traumsequenz bedient. Ein echter Traum fürwahr, authentisiert er doch Spritz' latente, herbei fantasierte Wunschrealität neben SpongeBob Schwammkopf. 
In einer weiteren wunderbar pointiert anzuschauenden Sequenz wendet sich Spritz bestürzt von seiner Tochter ab, die ihm ihre neue, zu enge Hose vorstellt. In kurzen Rückblendenfragmenten erinnert sich Spritz sogleich an Begriffe wie "Kamel-Hufe", mit denen seine Tochter regelmäßig gehänselt wird. Und dann ist da noch Robert Spritzel, besonnen verkörpert von Michael Caine, Pulitzerpreisträger, klug, vorsichtig, weise, aber unheilbar krank, der personifizierte Traum dessen, was sein Sohn am liebsten sein will. Spritzel gesteht etwas Essentielles: "Wir müssen einige Dinge loswerden. Wir müssen sie loswerden! Möglichst noch in diesem Scheißleben. Zu tun gibt es immer etwas. Du hast Zeit, mein Sohn." Das Wetter würde auch ohne Spritz zurechtkommen. Das Wetter würde einen Weg finden, so wie es immer einen unberechenbaren Weg findet und sich kurz danach wieder normalisiert. Wie David Spritz. Zu wünschen wäre es ihm.
6 | 10


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