The Weakerthans: Im Gespräch und live dabei!

Erstellt am 30. Juni 2011 von Stereopol

Wenn das Herz 1 ½ Stunden lang rhythmisch im 4/4 Takt schlägt und ein Lächeln dabei schier unkontrollierbar das Antlitz übermannt, dann singt die kanadische Band ihre traurigen Lieder, um es mit den Worten von Thees Uhlmann zu beschreiben. The Weakerthans – die Band aus Winnipeg, die seit 15 Jahren mit einer dermaßen Spielfreude Musik machen, wie man es selten auf Bühnen erleben darf, schaffen es mit wunderschönen, wie abwechslungsreichen Melodien und Improvisationen die Ohren ihres Publikums zu berauschen und diese mit Worten zu versüßen, die man wahrlich nur als Lyrik bezeichnen kann. Gestern gastierten die fünf Herren im Berliner Lido und knappe zwei Stunden vor Beginn dieses denkwürdigen Abends, erzählte uns der gesundheitlich leider leicht angeschlagene Sänger und Gitarrist John K. Samson unter Anderem von der längsten Beziehung, die er je hatte sowie von den Qualitäten des Berliner Publikums:

Ihr seid momentan ohne ein neues Studioalbum im Gepäck auf Tour. Darf man darauf gespannt sein, neue Stücke von euch zu Ohren zu bekommen oder wird man live lediglich die bereits bekannten Lieder genießen dürfen?

Nein, wir werden uns an die alten Songs halten. Wir arbeiten gerade an neuen Titeln, die sind aber noch nicht fertig. Es wird also nur alte Songs geben, fürchte ich.

Ihr habt im letzten Jahr das Livealbum „Live at Burton Cummings“ veröffentlicht, warum habt ihr euch dafür entschieden, die Aufnahmen bei einem Konzert in eurer Heimatstadt zu machen? War es nicht etwas unangenehm, ‘One Great City’ in Winnepeg zu performen?

(Lacht) Es ist immer etwas unangenehm, aber das ist schon in Ordnung. Wir waren auf einer richtig großen Tour mit einer anderen Band, mit der wir gut befreundet sind, und wir waren in ganz Kanada unterwegs. Das Album haben wir genau  zur Mitte der Tour aufgenommen. Wir haben uns gedacht, dass das ein guter Zeitpunkt wäre, weil wir uns da eben schon gut eingespielt hatten. Und es hat Spaß gemacht. Das waren zwei Abende in unserer Heimatstadt, das war schön.

„Live at Burton Cummings“ wurde von vielen Kritikern hochgelobt, gerade dass das Livealbum sehr schlicht gehalten ist, wurde in Deutschland oft positiv rezensiert. Hattet ihr in irgendeiner Weise Bedenken gegenüber einer Live-Veröffentlichung oder war euch von vornherein klar, dass das erfolgsversprechend sein würde?

Hm, naja, es war schwer zu beurteilen, ob das funktionieren würde oder nicht. Aber ich glaube, es hat funktioniert, ja. Ich wusste, dass es gut werden würde, wenn wir es am richtigen Abend aufnehmen. Dass es eine gute Reflektion von uns als Band werden würde. Die Idee, die dahinter steckte, war eben auch, dass wir es simpel und direkt halten wollten.

Entsteht nach fast 15 Jahren Bandgeschichte und vier Studioalben eine Art Erwartungsdruck, beziehungsweise die Angst, dass man die Zuhörer vielleicht nicht mehr begeistern kann? Oder denkt man über solche Dinge in einem Schaffensprozess überhaupt nicht nach?

Doch, das beschäftigt uns noch immer. Wir denken mit Sicherheit darüber nach, was die Leute denn hören wollen. Aber ich fühle mich auch nicht eingeschränkt, wir könnten ja immer etwas komplett anderes machen und noch immer die Weakerthans sein. Sich in dieser Situation zu befinden, das macht Spaß. So lange mit der Band zusammen zu sein – das ist die längste Beziehung, die ich jemals geführt habe.

Man liest häufig, dass du in Winnepeg auch einen eigenen Literaturverlag führst und dass ihr von euch selbst sagt, dass eure Texte eine immense Bedeutung innerhalb des Schaffens der Weakerthans haben. Würdest du dich dennoch zu 100 % als Musiker betrachten oder siehst du dich ein Stück weit als eine spezielle Art von Poet?

Ich würde mich selbst als Lyriker betrachten, nicht als Poet. Ich glaube, dass Poesie irgendwie anders ist. Poesie existiert auf dem Papier und in gesprochener Form. Poesie präsentiert seine eigenen Herausforderungen. Texte für Popsongs schreiben, das ist eine andere, spezielle Sache. Es wäre irgendwie unfair den Poeten gegenüber, wenn alle Lyriker als Poeten bezeichnet würden. Poesie ist eine unglaublich schwierige Form der Kunst, vielleicht sogar die schwierigste. Ich bewundere die Poesie sehr, aber mich selbst sehe ich nicht wirklich als Poeten.

Glaubst du also auch, dass Musik und Text beim Songschreiben gleichwertig sind?

Das ist eine gute Frage. Ich glaube, das stimmt – das muss gleichwertig sein, ja.

Erachtet ihr es als sinnvoll, über die mögliche Bedeutung von Texten zu diskutieren oder lasst ihr diese lieber unter dem Motto der künstlerischen Freiheit für sich stehen?

Wir lassen das zur Interpretation offen. Ich arbeite hart an den Texten, aber wir lassen Freiraum für Interpretation. Ich möchte dem Hörer seinen Spielraum lassen, um manche Dinge für sich zu entscheiden.

Eine Band, die ihr gut kennt – Kettcar – singen in einem ihrer Songs „Am Tag, an dem wir uns ‘We are gonna live forever’ auf die Oberschenkel tätowierten”. Welches Songzitat würdest du dir auf den Oberschenkel tätowieren lassen?

Welche Textzeile war das gleich?

‘We are gonna live forever’. Das ist von Oasis.

Ohhh, Oasis! Muss ich eine Textzeile von einer anderen Band wählen?

Ja!

Okay. Da muss ich kurz drüber nachdenken, das ist eine schwere Entscheidung (Grübelt eine Weile). Wie wäre es denn mit einem Song von Townes Van Zandt, der Titel lautet ‘To Live Is To Fly’ und der Text wäre: “We all got holes to fill / them holes are all that’s real”.

Eine schöne Entscheidung. Bei vielen Bands, die dem Grand Hotel Van Cleef nahe stehen, sind Texte ebenfalls sehr bedeutungsvoll. Bist du der Meinung, dass das zwischen den Bands verbindet, auch wenn es musikalisch relativ große Unterschiede gibt?

Ja, das glaube ich. Auch wenn die Sprache komplett unterschiedlich ist.Das ist das Schöne am Grand Hotel, dass da so viel Wert auf die Texte gelegt wird. Darum fühle ich mich den anderen Bands dort auch so verbunden, weil das bei all denen im Vordergrund steht.

Meinst du, dass die Punkmusik, bei der eindeutig eure Wurzeln liegen, euch immernoch beeinflusst, auch wenn die meisten Menschen eure Musik heute als Folkrock oder Independentrock bezeichnen würden?

Ja, absolut. Man kann seiner Herkunft nicht entfliehen, und das ist eine gute Sache.

Worauf freust du dich bezüglich des heutigen Konzerts am meisten? Es ist ja erst euer zweites Deutschlandkonzert auf dieser Tour. Freust du dich auf das Berliner Publikum, das ja den Ruf hat, eine ganz besondere Zuhörerschaft zu sein?

In Berlin ist es immer schön. Das Publikum ist immer voll dabei, das macht Spaß. Ich freu mich einfach darauf, ein paar Stunden – also eineinhalb Stunden – mit Leuten zu verbringen, die den Weg zu unserer Show auf sich genommen haben.

Ganz zum Schluss unsere Lieblingsfrage: Wenn du eure Band bzw. eure Musik in drei Worten beschreiben müsstest, welche wären das?

Hm! Hmmm. Drums, Guitar, Words!

Wieder schön simpel. Wir danken dir für das Interview.



offizielle Webpräsenz der Weakerthans.
Das Zitat “Als die kanadische Band ihre traurigen Lieder sang” stammt aus dem Tomte Song “Walter & Gail”.

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