Bei den Vorbereitungen zum Battle hob Xavier Naidoo lobend hervor, dass der 30jährige Gil Ofarim bereit sei, von vorne anzufangen. Damit spielte Naidoo auf Ofarims Vergangenheit als Teenie-Star an, der in den späten 1990er Jahren als Gil mit Hits wie „Round ‘N’ Round (It Goes)“ Erfolge feierte. Hingegen kann der 34jährige Cristiano de Brito als Besitzer des Cafés GAGA in Hamburg keine professionelle und internationale Musikerkarriere vorweisen. Insofern stimmt es, wenn Xavier Naidoo meinte: „Es ist schwer für Cristiano, als Nobody gegen einen Teenie-Star anzutreten.“ Trotzdem sah der Juror und Coach klar gute Chancen für Cristiano de Brito: „Cristianos Stimme strahlt etwas mehr als Gils und wenn er so weiter macht, dann ist er weiter.“ Selbstkritisch gab sich de Brito: „Es ist sicher eine Last für Gil, gegen einen Nobody wie mich anzutreten.“ Dann kam der Moment der Entscheidung.
Im Battle blühte Cristiano de Brito auf. Ab und zu lächelte er sympathisch und anerkennend Gil Ofarim zu, wenn dieser performte. De Britos Stimme hatte einen hohen Wiedererkennungswert, erklang gefühlvoll und passend zum Lied ruhig und berührte. Ofarims Performance war professionell und handwerklich ausgereift – allerdings fehlte dieses Quäntchen Gefühl. Die „The Voice of Germany“-Juroren Rea Garvey, Nena und The BossHoss lobten Gil Ofarim in den Himmel und gingen wenn dann überhaupt nur geringfügig auf de Britos Leistung ein. Dann kam das entscheidende Urteil von Xavier Naidoo: „Es ist schön, dass ihr den Song angenommen habt. Cristiano, wow! Hammer, ganz ganz toll! Gil, ich wollte so einen Song wählen, weil ich deine Stimme entspannter hören wollte.“ Dann erklärte Naidoo, dass er sich für einen entscheiden müsse, mit dessen Stimme er sich identifizieren kann: „… wo ich brennen kann, daher entscheide ich mich für Gil!“ Diese Entscheidung war eine absolute Überraschung und regt zum kritischen Nachdenken an.
Immer wieder wurde das Image des Teenie-Stars von Gil Ofarim strapaziert, der doch erwachsen werden möchte. Offenbar wird hier ausgeblendet, dass Ofarim im Jahr 2007 – als 25jähriger und damit jenseits des Teenie-Alters – den Song „Mehr Als Du Seh’n Kannst“ des Disney-Films „Triff die Robinsons“ und die Ballade „So Nah!“ des Disney-Films „Verwünscht“ sang. Ab 2008 arbeitete Ofarim am Musikprojekt Acht, dessen Debütalbum „Stell Dir Vor“ 2010 erschien. Im Jahr 2011 tourte Gil Ofarim mit seiner Band Acht durch Deutschland. Danach ging die Band um Ofarim in Klausur, um an Songs für ein neues Album zu arbeiten. Neben seiner Musikerkarriere war Gil Ofarim zudem als Schauspieler bei verschiedenen TV-Produktionen wie „Die Sturmflut“ tätig.
Man könnte verleitet werden anzunehmen, dass mit diesem Promi-Faktor und dem ewigen Repetieren des Abgestempeltseins als vergangener Teenie-Star die Wahl von Gil Ofarim in die Liveshows Kalkül sei. Dagegen hatte Cristiano de Brito als „Nobody“ trotz aller musikalischen Talente und Stärken kaum eine Chance!
In einer Online-Studie von Ipsos MediaCT wurden im August 2012 mehrere Castingshows analysiert, darunter auch „The Voice of Germany“. Die Studie kam zum Ergebnis, dass die Zuseher von „The Voice of Germany“ die Glaubwürdigkeit, die Fairness und den Innovationscharakter loben. Ebenso wurden Eigenschaften wie Unberechenbarkeit, Hochwertigkeit, Ehrlichkeit und Vernunft als Stärken des Formats genannt – werden die Sänger bei den „Blind Auditions“ doch nur aufgrund ihres Talents beurteilt. Dennoch steht „The Voice of Germany“ im Wettstreit gegen andere Castingshows wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „X Factor“. Trotz des Kampfes um die Gunst der Zuseher – vor allem des weiblichen Segments – und um die gebührenpflichtigen Anrufe bei den Liveshows ist es fraglich, ob zu hinterfragende Entscheidungen dem Image von „The Voice of Germany“ nicht langfristig schaden.
Gil Ofarim ist trotz allem für seine Musikkarriere mit oder ohne „The Voice of Germany“ Erfolg zu wünschen. Vielleicht schafft er es bis in Finale von „The Voice of Germany“ am 14. Dezember, wo es einen ganz besonderen Sondergast gibt: Den unvergleichbaren Robbie Williams
Ebenso wünscht Musik-Schlagzeile.de Cristiano de Brito viel Glück. Es ist für den Hamburger Café-Besitzer mit Liebe zur Musik zu hoffen, dass sein Talent von einem anderen entdeckt und gefördert wird. Als kleine Hörprobe hier Cristiano de Britos Interpretation von Marlons „Was immer Du willst“:
Recherche und geschrieben Heidi Grün