Wer ist Terence Malick? In erster Linie ist er ein Regisseur, der in keine Schublade, die Hollywood in all den Jahren mal mehr mal weniger freiwillig etabliert hat, hinein passt. 1973 verblüffte er mit „Badlands“, einem ambitionierten und stilsicheren Erstling, der übrigens heute noch von tausenden Fans diskutiert und analysiert wird. Philosophen und Theologen debattierten unzählige Male die Aussagen und Botschaften dieses Films. Filmexperten sehen in „Badlands“ außerdem die perfekte Fusion aus Filmsinfonie und dem „Lovers on The Run“-Motiv und damit die Schaffung eines komplett neuen Genres. Schon damals schlug sich in Ansätzen das nieder, was Malick im Laufe seines Schaffens immer exzessiver in seine Filme einfließen ließ: Die Frage nach dem Sinn unseres Daseins und die Darstellung eines der schwierigsten Motive im Film überhaupt. Das Menschsein. Sind seine bisherigen Filme vielleicht als Experiemente zu sehen, hat Malick nun in „The Tree Of Life“ die absolute Vollendung dieses Motivs geschaffen.
Die Story ist schnell erzählt und wiederholt jenen Satz, den man immer als erstes liest, informiert man sich in Artikeln über diesen Film: Es geht um eine Familie in den 50er Jahren. Jack ist der älteste von drei Brüdern. Während die Mutter die Einstellung vertritt, dass das Leben frei ist und man nur nach dem Prinzip der Gnade leben muss, um ein guter Mensch zu sein und dabei nicht den Glauben an das Gute verliert, predigt Jacks Vater das genaue Gegenteil. Nur der Stärkere überlebt. Gute Menschen kommen nicht weit und dem Gesetz der Natur ist jeder unterworfen. Unbewusst tragen die Eltern diesen Glaubenskonflikt durch ihren Sohn aus, der zunehmend desillusioniert wird. Als Erwachsener vegetiert Jack unmotiviert vor sich hin und fällt immer wieder in Erinnerungen an seine Kindheit zurück.
Die Story mag vielleicht nichts Besonderes sein und man hat genau dieses Motiv schon unzählige Male in filmischer Form gesehen. Einem Brad Pitt traut man vielleicht auch nicht die Rolle eines gestrengen und zugeknöpften Vaters in den amerikanischen 50ern zu. Und Terence Malick hat seinen letzten Film vor beinahe 10 Jahren abgeliefert. Was zum Teufel ist also so besonders an „The Tree Of Life“? Man muss es gesehen haben, denn dieser Film ist schlicht und ergreifend überwältigend. Malick wählt einen absolut unkonventionellen Erzählstil. Es wird verhältnismäßig wenig gesprochen und über weite Passagen sind unglaublich dicht arrangierte Bildkollagen zu sehen. Malik zieht auf sehr verblüffende Art geradezu bombastische Vergleiche, wenn er die recht simple Geschichte der Familie Jacks mit der Entstehung des Lebens auf der Erde gleichsetzt und diese Metapher in einer 20-Minütigen Sequenz gipfelt, in der man Bakterien und Einzellern beim Wachsen zu sieht, bis sie schließlich als mächtige Dinosaurier über die Erde stapfen. Die Bilder und die Komposition der Gleichen geschieht voller Anmut und bildet ein nahezu Ehrfurcht gebietendes Ganzes. Man wird sich plötzlich der Dimensionen bewusst, die das Leben haben kann. Die Geschichte der Familie wird auch ungewöhnlich erzählt. Es ist fast so, als würde man als Beobachter immer mal vorbei schauen. Manchmal kommt man mitten im Gespräch dazu und verlässt die Szene wieder, bevor der Satz beendet ist. Hierbei kommt ein unglaublich dynamischer Kamerastil zum tragen, der durch einen nicht weniger dynamischen Schnitt noch verstärkt wird. Ebenso ist Kombination aus klassischen Musikstücken, zum Beispiel von Smetana und die eigens komponierte Filmmusik von Alexandre Desplat tragendes Element der gesamten Atmosphäre dieses Films.
Im Nachhinein lässt sich sehr schwer sagen, was mir so sehr an „The Tree Of Life“ gefallen hat. Es ist die Flut ein Eindrücken, der man mehr als zwei Stunden lang ausgesetzt ist und es ist das Gefühl des Gigantischem, welches man bekommt. Es ist beinahe, als habe man an einer Offenbarung des Regisseurs teil. Das ist im Übrigen einem starken sakralem Tenor geschuldet, der ebenfalls zu den Hauptmotiven des Films gehört.
Abschließend ist eigentlich nur zu wiederholen: Man muss diesen Film gesehen haben. Ungeachtet dessen, was man von Terence Malick hält, ob einem der Film nun gefällt, oder ob man nichts damit anfangen kann. Dieser Film ist etwas ganz Besonderes und ich habe noch nie etwas vergleichbares gesehen. Man ist überwältigt und möglicherweise verzeiht man es sich nicht, wenn man „The Tree Of Life“ tatsächlich verpasst hat. Tue ich zum Abschied noch etwas absolut Einmaliges und Unerwartetes? Danke ich dem Regisseur für seine Arbeit? Ja! Danke Terence!
The Tree Of Life (USA, 2011): R.: Terence Malick; D.: Brad Pitt, Sean Penn, Jessica Chastain, u.a.; M.: Alexandre Desplat; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Rezension On Air: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.