The Strange Case of Dr Watson at Nighttime

Erstellt am 21. November 2013 von Davidgray300 @davidgray300

Angeblich hat die BBC Sherlock Serie den Verkauf von britischen Teekannen weltweit angekurbelt. Das Internet ist voll von Sherlock Fanart und Wallpapers und Millionen von Zuschauern von Sydney bis Kinshasa und San Francisco bis Moskau fragen sich wie Sherlock den Sturz vom Dach des Saint Bart’s Hospitals am Ende der 2. Serienstaffel überlebt haben soll. Ich frage mich das – nebenbei bemerkt – auch. Aber viel wichtiger noch, frage ich mich was unter all den vorangegangenen Sherlock Holmes Adaptionen gerade diese so unglaublich erfolgreich macht? Der ganz große TV-Seriengemischtwarenladen der Welt ist schließlich übervoll von Krimis in allen Formen und Stimmungen, da war – sollte man meinen – auch vor Sherlock für jeden etwas Faszinierendes dabei. Okay, Sherlock Holmes zählt zusammen vielleicht mit Dracula und dem Jekyll & Hyde Thema zu den absoluten Evergreens unter den Kunstfiguren. Daher war es von Anfang an keine so miese Wette ihn in einer TV-Serie wieder zu beleben. Zumal von der BBC, dem TV- Lieferanten, der die Ätherhoheit über Sherlocks Londoner Heimat hält. Trotzdem hätten Autoren, Produzenten und Schauspieler ihre Wette auf eine Neuinterpretation des berühmtesten Detektivs der Welt immer noch locker verlieren können.  Dass sie ihre Wette gewonnen haben, liegt meiner Auffassung nach an zwei Aspekten der Show, auf die deren Autoren Steven Moffatund Mark Gatiss wirklich stolz sein können. 


Benedict Cumberbatch als Sherlock. Die Übersetzung des Spruchs: "Anderson, reden Sie nicht so laut. Sie verringern dadurch den IQ der gesamten Straße"


Erstens, sie haben von der ersten Aufblende des ersten Teils der ersten Staffel an auf eine unterschwellige Ironie gesetzt, die sowohl Plots als auch Settings und Dialoge bestimmt. (Zum Beispiel Sherlock vor einer 5-8 Millionen Pfund Villa in Belgravia eine .45er abfeuern zu lassen um die Polizei herbeizurufen, enthält ausgerechnet in London so viele ironische, soziologische und psychologische Meta, Deta- und andere Über- und Unterebenen, dass ich gar nicht erst damit beginnen will sie alle anzuführen.)

Sherlocks leicht exzentrische Art und Weise im Londoner Nobelviertel Belgravia die Polizei zu rufen ....


Zweitens, haben sie bei der Entwicklung der Serie nie aus den Augen verloren, dass die wirkliche Herausforderung nicht in der Charakterisierung Sherlocks besteht,  sondern der Watsons. Denn, Freunde, ganz objektiv betrachtet bekommt Sherlock zwar all den Glamour und ein paar exzellente Ein- bis Zweizeiler Dialog, aber das Publikum an einen überintelligenten, in seinem Sozialverhalten deutlich gestörten und den meisten seiner Kollegen grimmig beneideten Typen zu fesseln ist keine Herkulesaufgabe für einen erfahrenen Drehbuchautor. 

Martin Freeman der Darsteller Watsons in der BBC Serie Sherlock. "Wir können hier nicht kichern, das ist ein Tatort!"


Watson ist jedoch ein Jedermann, der ganz normale Typ links oder rechts von der Ecke, sympathisch sicherlich, aber auch etwas blass und dennoch gerade deswegen der Katalysator durch den wir Sherlock sehen und vor dessen Hintergrund Sherlocks Fähigkeiten und Exzentrik erst so richtig glänzen können. Im überwiegenden Teil vorangegangener TV- und Kinobearbeitungen des Sherlock Themas haben die Autoren Watson einfach ein bisschen einfältig gestaltet, mutig zwar und aufrichtig und ein ganz ordentlicher Schütze, aber eben auch kein Typ mit dem man voller Vorfreude und Spannung sich auf ein Bierchen verabreden würde. Moffat und Gatiss gelingt es dennoch Watson, gerade weil er ein solcher Jedermann ist, zu einer faszinierenden Figur zu machen. Sie haben Sherlock zwar die besten Sprüche und die seltsameren Exzentriken  zugeordnet, aber Watson bekommt dafür die Szenen zugeordnet, die uns – dem ganz gewöhnlichen TV-Publikum – das Grausen über den Rücken laufen lassen. Wer erinnert sich nicht an die Szene in der ersten Sherlock Staffel, als Watson diese ganz normale Londoner Straße heruntergeht und plötzlich erkennt, dass jede der vielen CCTV Kameras und sogar die Telefone in den Telefonzellen zu klingeln beginnen und er plötzlich erkennt, dass all dies ihm gilt – und zwar nur ihm. Creepy. Strange. Gruselig. Aber eben auch visuell und konzeptionell eindrucksvoll.