Birgit Otten (Hrsg)
Roter Mond - 9 fantastische Geschichten
Der Blutmond - den Menschen ein dunkles Omen, geheimnisvoll und magisch. Grenzen verschwimmen, Tore öffnen sich, verborgene Kräfte erwachen. Die Nacht wird zum Schatten einer anderen Welt.
Dieses Buch lädt ein zur abenteuerlichen Reise unter dem roten Mond, zu Mythen, fremden Wesen und dunkler Magie.
Neun Autorinnen präsentieren in bislang unveröffentlichten Kurzgeschichten die fantastischen Seiten der Mondfinsternis - von bittersüß bis bitterböse. Mit spannenden, mystischen, heiteren und mitreißenden Beiträgen von Klara Bellis, Anke Höhl-Kayser, Monika Kubach, Ardy K. Myrne, Birgit Otten, Paula Roose, Katja Rostowski, Susanne Schnitzler und Andrea Tillmanns.
Als eBook dauerhaft kostenlos bei allen bekannten Anbietern. Der direkte Link zu Amazon liegt auf dem Titel der Anthologie
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Nathalie hat sich verändert, dachte Nobs und beobachtete stirnrunzelnd, wie das grell geschminkte blonde Mädchen sich mit Hilfe ihrer Ellenbogen den Weg in die Schulkantine bahnte. Sie drückte einem höchstens zehnjährigen Jungen, der nicht schnell genug zur Seite trat, die Hand ins Gesicht und schob ihn fort. Nein, korrigierte er sich ehrlich, sie hat sich nicht verändert, ich habe die Anzeichen einfach ignoriert.
Der stechende Blick, der verkniffene Mund, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, die schrille Stimme, die gerade wieder über den Schulhof gellte, als sie kreischend ihre Clique begrüßte, ihre ständigen Forderungen und der Anspruch, bedient zu werden. Ihre Rücksichtslosigkeit. Ihr Desinteresse an allem, das nicht sie war. Das alles hatte er verdrängt, wenn er in den Pausen oder beim Essen neben ihr sitzen oder stehen und ihr ebenmäßiges Profil bewundern durfte. Als sie dann aber mitten im Schuljahr mit Konrad aus der Elften anbandelte, der zu allem Überfluss fast genau so aussah wie Nobs, dämpfte das seine Begeisterung für sie drastisch.
Trotzdem. Nobs fand sie auch mit dem quietschbunten Geschmiere im Gesicht, mit dem sie Konrad und seine Clique zu beeindrucken versuchte, noch hübsch, und sein Herz schlug ein bisschen schneller als nötig, als sie über die Schulter sah. Er bildete sich für einen Moment ein, sie würde ihn erkennen, obwohl er mit seinen beiden Freunden weit hinten auf dem Picknickplatz saß. Nobs seufzte. Dass sie lieber mit dem übelsten Mobber der ganzen Stadt loszog statt mit ihm, tat ihm immer noch weh.