THE SOUND OF SILENCE – METROPOLIS, ein Film veränderte die Welt

Von Politropolis @sattler59

GEDRÄNGE IM KALTEN

Februar 2010 trafen sich mitten in Berlin und Frankfurt Menschen unterschiedlichen Alters bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, um einen über 80 Jahre alten Film zu sehen. Parallel wurden diese Public Viewings live bei Arte übertragen – und Menschen aus ganz Europa schalteten ein.

„Metropolis“ war der Name jenes Stummfilms, der erst fast ein Jahrhundert nach seiner Uraufführung die verdiente Anerkennung genießen durfte.
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EIN DESASTER

Der visionäre Filmemacher Fritz Lang („M – Eine Stadt sucht einen Mörder“) ruinierte mit dem ersten Mammutprojekt der Filmgeschichte fast die UFA. Riesige Kulissen, gigantische Modelle, tausende Komparsen, aufwändige Spezialeffekte, maßgeschneiderte Kostüme, tiefschürfende Handlung und erheblichen Körpereinsatz eines jeden Beteiligten trieben die Kosten mehr und mehr in die Höhe – um letztlich zu scheitern.

Das deutsche Publikum lehnte den Film ab, er wäre zu verwirrend. Die dargestellte Dystopie gipfele angeblich im Sinnlosen. Doch genau das wurde fünf Jahre später in Mitteleuropa mit dem Weltkrieg blutige Realität.

Für den US-Markt war die Misere noch gigantischer: Dort wurde METROPOLIS von Paramount Pictures auf mickrige 90 Minuten herunter geschnitten und gekürzt und auf ein “Frankenstein-Thema” reduziert. Der Science-Fiction-Pionier H.G. Welles (Krieg der Welten, Die Zeitmaschine) schrieb zerschmetternde Kritiken über den deutschen Spielfilm. Das Machwerk wäre das schlechteste, was er sich je hätte antun müssen.

Damals bei Publikum und Kritikern durchgefallen und später weltberühmt mit ihrem Meisterwerk Metropolis: Die Fimemacher Fritz Lang und Thea von Harbou um 1923

SPÄTER RUHM

Blade Runner, Matrix, Terminator, RoboCop, Total Recall und Das fünfte Element sind nur ein paar Beispiele für Filme, in denen wir Elemente und Themen aus METROPOLIS wiederfinden. Von tiefen Wolkenkratzerschluchten  bis Maschinenmenschen, autoritären Systemen bis zur Revolution gegen Maschinen. METROPOLIS dürfte die Urmotive der cineastischen Science Fiction auf die Leinwand gebracht haben und damit bis heute die Filmwelt beeinflussen.

Ob weltberühmte Genre-Ikonen wie Ridley Scott (Blade Runner, Alien, Prometheus), James Cameron (Terminator, Aliens, Avatar) oder Paul Verhoven (RoboCop, Total Recall, Starship Troopers). Ein jeder hat sein Handwerk merklich am “deutschen Kassenflop” von 1927 gelernt, plagiiert und sich ehrerbietend verneigt. Auch die italienische Musik-Ikone (und Erfinder der Synthesizer-Musik) nahm sich 1984 eine eigens nachcolorierte Version des Films zur Hand und unterlegte diese mit einem eigenen Soundtrack. Diese wurde zwar von Puristen verpönt, hatte jedoch einen erheblichen Einfluss auf die künftige Technomusik. Nebenbei bemerkt: Es waren in dieser bis dato komplettesten Fassung auch Bonnie Tyler und Freddie Mercury musikalisch vertreten.

Und dann waren da noch die lange verschollenen Aufnahmen und herausgeschnittenen Sequenzen, denn wirklich voller Länge sah bis dato noch niemand den Film…

BUENO AIRES

Mitte der frühen 2000ern entdeckte ein Archivar in einigen verrosteten Filmdosen die angekratzte 16-mm-Kopie von METROPOLIS. Bei genauerer Sichtung erkannte er, dass dort einige Perspektiven von der 2003 restaurierten und neu veröffentlichten Version stark variierten. Auch sind mehrere unbekannte Szenen aufgetaucht, welche dem Film neue Zusammenhänge brachten.

Endlich waren die verlorenen geglaubten Segmente gefunden worden und sofort wurden alle Räder in Bewegung gesetzt, um der Welt ein fundamentales Stück Filmgeschichte und Kultur zurück zu geben.

In Deutschland war die Euphorie enorm und mit einem erheblichen Arbeitsaufwand wurde mittels extra für METROPOLIS entwickelter Restaurationstechnik der Epos komplettiert. Filmkenner, Musikprofessoren, Restauratoren, Kultusministerien, Fernsehsender, Programmierer, Historiker und Archivare griffen -um im Filmbild zu bleiben- wie Zahnräder ineinander und 2010 gab es schließlich die große Premiere.

NICHT BLOSS EIN FILM

Die Welt ist aufgeteilt in zwei Parteien: Die Arbeiter, gefangen zwischen Schichtarbeit und unterirdischen Wohnhöhlen in grausamer Monotonie und die Privilegierten in den Hochhauskomplexen und Vergnügungsvierteln.

Die Dampfmaschinen laufen und laufen, Zahnräder drehen sich rastlos. Sterbende Menschen sind Materialverschleiß.

Fredersen, der naive Sohn des Obersten von METROPOLIS, lernt die schöne Maria kennen und folgt ihr in die geheimen Katakomben der Unterstadt. Dort predigt sie dem Proletariat christliche Werte und ruft in ihnen den Drang nach Freiheit wach.

Unterdessen macht sich Joh Freder, der Führer, auf den Weg zu einem Wissenschaftler. Dieser entwickelte einen Maschinenmenschen. Diese Konstruktion wird ein nahezu perfektes menschliches Replika – und als Hure Babylons intrigiert sie. In den Vergnügungsvierteln werden die Massen zum Totschlag aufgewiegelt. Auch in der Unterstadt zerschlägt sie den Widerstand und fordert die Bevölkerung dazu auf, jegliche Maschine zu zerstören. Bei alldem wohlwissend, dass es die Proletarier in den sicheren Tod treiben würde.

Nun war es an Fredersen, dem Untergang Einhalt zu gebieten.

ZEIT VERFLIEGT

Der Film lädt förmlich zur Interpretation ein, deutet er theologische und politische Aspekte an. Verknüpft gekonnt Futurismus mit Poesie und verliert dennoch nie den Blick für die Realität. Ein zeitloser Klassiker, der viel zu spät wohlverdiente öffentliche Ehrung und Beachtung erhielt

Die Figuren von l.n.r.: Die “falsche” Maria, Groth, Joh Fredersen, Josaphat, Der Roboter

Die Laufzeit von insgesamt 150 Minuten merkt man als Zuschauer kaum, verfliegt die Zeit beim Eintauchen in die Fiktion von damals doch sehr schnell. Stets sieht man Wohlbekanntes und Motive, die heutzutage zur Sci-Fi-Popkultur gehören. Hier und da regt eine Texttafel zum Nachdenken an. Stets ist man beinahe überwältigt von den schauspielerischen Leistungen im Stummfillm, die weit entfernt vom Tonfilm ein anderes Agieren erforderten und eine in Vergessenheit geratene Darstellungskunst zeigen. Das Auge wird mit phantastischen Bildern es Kameramanns Karl Freund verwöhnt (der später in die USA emigrierte und dort während Tod Brownings „Dracula“ (mit Bela Lugosi) hinter der Kamera stand und in Karloff’s „Die Mumie“ auch Regie führte). Das Ohr erfährt den imposanten Soundtrack aus der Feder von Gottfried Huppertz.

Ein absolutes “Must-See” für alle Filmbegeisterten, die gern einmal abseits der Hollywood-Filmindustrie sehen wollen, von wem Hollywood eigentlich sein Handwerk lernte.

ein Fimtipp vom Stadtguerillero


Metropolis-Die komlette restaurierte Filmfassung:

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Quellen – weiterführende Links

METROPOLIS – die komplettierte und restaurierte Fassung (2010) erschien auf BluRay und DVD bei Warner Deutschland.

D 1925/1926/1927/2003/2010.

Regie: Fritz Lang
Drehbuch: Fritz Lang, Thea von Harbou
Darsteller: Alfred Abel, Brigitte Helm, Heinrich George (Götz’ Georges Vater)

Informationen bei Arte: “Metropolis, die ganze Geschichte”
Fotos/Filmausschnitte:  Foto Fritz-Lang: Public Domain – This image (or other media file) is in the public domain because its copyright has expired.
Video: Metropolis – restaurierte Version gesendet von Arte, gefunden auf Youtube.com, uploader: AlessandroDrasso