The Sandworm empfiehlt – Marcel Proust „Sodom und Gomorrha“

The Sandworm empfiehlt – Marcel Proust „Sodom und Gomorrha“

Marcel Prousts siebenbändiges Lebenswerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist zu Recht Teil jedes seriösen „was man unbedingt gelesen haben muss“-Kanons. Trotzdem gibt es noch immer viele Leute, die sich nicht „drübertrauen“ über diesen Wälzer, alleine die Vorstellung mehr als 5.000 Leseseiten vor sich zu haben, vergrault die Meisten. Dabei ist Prousts Oeuvre mit Sicherheit eines der zugänglichsten aus den „Must-Read“ Literaturlisten.

Nachdem ich vor kurzem den vierten Band davon fertig gelesen habe, stellt dies eine hervorragende Gelegenheit dar, die Gründe dafür wieder einmal darzulegen und vielleicht den Einen oder die Andere zu überzeugen, sich doch an die Lektüre heranzutrauen.

Der erste und wichtigste Grund Proust zu lesen, ist die unglaubliche Schönheit seiner Sprache. Kaum ein anderer Autor kommt an die Eloquenz Prousts heran und schafft es gleichzeitig so spielerisch und leicht dahinzuschreiben. Dafür sind wohl seine kaskadenhaften Sätze verantwortlich, ein Charakteristikum des Autors, welches das Lesen aber meines Erachtens niemals kompliziert oder anstrengend machen.

Im Gegenteil, die Schachtelsätze verleihen dem Werk genau das was es so einzigartig macht, nämlich die mäandernde Sprache, die an einem bestimmten Ort beginnt, sich über Zeit und Geografie netzartig ausbreitet, mal hier, mal da nachhakt und die Leserin wie während einer gemütlichen Bahnfahrt, bei der man manchmal mehr, manchmal weniger aufmerksam aus dem Fenster sieht, durch die einzelnen Bände führt.

Gleichzeitig beherrscht Proust die Wortmalerei wie kein anderer, seine bildhafte Sprache weckt ganze Szenerien, Gesichtausdrücke der Protagonisten, Sprachfehler mancher Randfiguren, Gerüche und Gefühle.

Letztlich ist es die lose Aneinanderkettung von Erlebnissen des Protagonisten, welche der Lektüre von „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ die Einschüchterung, die ein „Wälzer“ gemeinhin ausübt, nehmen sollte. Man kann die einzelnen Bände über einen sehr langen Zeitraum lesen, ohne Angst haben zu müssen, dass man inhaltlich den Faden verloren hat. Es gilt keinen komplexen Handlungssträngen und Plot-Twists zu folgen, man klinkt sich lediglich in verschiedene Lebensphasen des Protagonisten ein und hat die Wahl sich jederzeit wieder auszuklinken, ohne etwas zu versäumen. Selbst die einzelnen Bände lassen sich auf diese Weise gemütlich vor sich hinlesen, kommt man mal ein, zwei Wochen nicht dazu das Buch aufzuschlagen, so ist man sofort in medias res, wenn man wieder Zeit zum Weiterlesen findet, schließlich kann sich eine einzelne Abendgesellschaft bei Proust gut und gerne über hunderte Seiten ziehen.

Und man kennt den Effekt auch aus dem eigenen Leben. Man trifft einen guten Freund Monate nachdem man sich das letzte Mal gesehen hat, man kann sich aber trotzdem unterhalten, als wäre die jüngste Begegnung erst Tage davor gewesen.

Zum aktuellen Band ist anzumerken, dass in „Sodom und Gomorrha“ die Handlung einiges an Dynamik gewinnt. Der Protagonist ist erwachsen, ebenso geht es um erwachsene Themen. Insbesondere beschäftigt ihn die männliche und weibliche Homosexualität und obwohl bereits 1921/22 erschienen, mit einer Handlung rund um die Wende zum 20. Jahrhundert, nimmt sich der Autor kaum ein Blatt vor den Mund und eröffnet einen Einblick in die Behandlung eines Themas, das bereits damals in gewissen Kreisen und Zirkeln mit erstaunlicher Toleranz behandelt wurde.

Weiteres erfährt man auch über die im Vorband „Guermantes“ bereits angerissene Dreyfus-Affäre und erhält wiederum einen spannenden zeitgeschichtlichen Zugang zu einer Thematik, die unter anderen Vorzeichen immer noch aktuell ist.

Nicht zuletzt jedoch geht es in „Sodom und Gomorrha“ hauptsächlich um die Gefühlswelt des Protagonisten, die liebestechnischen Komplikationen rund um Albertine, insgesamt um allerlei Empfindungen und Emotionen, die aktueller nicht sein könnten und an Aktualität auch nie verlieren werden. Besonders was den großen Humor Prousts betrifft, den ich hier am besten selbst sprechen lasse:

Er schien zunächst ein vielversprechender Journalist zu werden. Er bewährte sich aber nicht, das heißt, er wurde Minister! Das Leben bringt manchmal solche jähen Abstiege mit sich.

Susanne, 17. April 2011



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